Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.Häusliches Leben in Skandinavien im sechzehnten Jahrhundert. Wohl half die Nntur zuweilen und verrichtete mit Regengüssen und Ueber- War schon bei Tage ein Gang durch die Straßen keine Annehmlichkeit, so Aber gerade die Unruhe trieb zu Gegenmaßregeln, zum Nachtdienst, der Ehe wir in das Haus selbst eintreten, wollen wir einen Blick auf seine Grenzboten IV. 1881. 26
Häusliches Leben in Skandinavien im sechzehnten Jahrhundert. Wohl half die Nntur zuweilen und verrichtete mit Regengüssen und Ueber- War schon bei Tage ein Gang durch die Straßen keine Annehmlichkeit, so Aber gerade die Unruhe trieb zu Gegenmaßregeln, zum Nachtdienst, der Ehe wir in das Haus selbst eintreten, wollen wir einen Blick auf seine Grenzboten IV. 1881. 26
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0203" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150925"/> <fw type="header" place="top"> Häusliches Leben in Skandinavien im sechzehnten Jahrhundert.</fw><lb/> <p xml:id="ID_649"> Wohl half die Nntur zuweilen und verrichtete mit Regengüssen und Ueber-<lb/> schwemmungen den Dienst der Straßen- und Orduungspvlizei; allein eine ganz<lb/> zuverlässige Gehilfin war sie doch nicht. Die Natur verfolgt nun einmal andre<lb/> Zwecke als nur die Fürsorge für die Wohlfahrt der Menschen. Dieselben Ge¬<lb/> setze, welche den reinigenden Regenstrom hervorbrachten, ließen zur Sommers¬<lb/> zeit aus den mit Unrath gefüllten Straßen die Dünste aufsteigen und verbrei¬<lb/> teten mit unausweichlicher Nothwendigkeit ansteckende Giftstoffe über die ganze<lb/> Stadt hin. Die Folgen waren die mit Regelmäßigkeit sich einstellenden Seuchen,<lb/> die furchtbaren Geißelhicbe, welche dem Menschen eindringlich den Satz klar<lb/> machten, daß die Wohlfahrt der Gesammtheit ohne die Unterordnung des ein¬<lb/> zelnen unter das Gesetz nicht gedeihen kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_650"> War schon bei Tage ein Gang durch die Straßen keine Annehmlichkeit, so<lb/> wurde er des Nachts sogar zu einem Unternehmen gefährlicher Art. Es gehörte<lb/> eine ungemein genaue Localkenntniß dazu, um nicht gegen allerhand Baulichkeiten,<lb/> die auf dem umstrittenen Gebiet zwischen Haus und Gosse angelegt waren,<lb/> anzurennen oder in einem Kellerhals zu verschwinden. Jeder Schritt mußte das<lb/> Gepräge behutsam erprobender Vorsicht tragen; bald setzte man den Fuß auf einen<lb/> Misthaufen, bald in eine Lache, bald mußte man ihn vor einem aufgeschreckten,<lb/> knurrenden Hunde zurückziehen. Denn ist es nöthig, noch ausdrücklich zu sagen,<lb/> daß an Beleuchtung nicht zu denken war? Wer die Mittel hatte, ging mit<lb/> einer Hornlaterne aus oder ließ sich von einem Diener mit der Laterne ab¬<lb/> holen. Aber auch dies bot nur geringe Bürgschaft, ohne Schaden nach Hause<lb/> zu kommen. Denn allerhand eatilinarische Existenzen trieben des Nachts auf<lb/> den Straßen ihr Spiel, und es war schwer, den Frieden aufrecht zu erhalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_651"> Aber gerade die Unruhe trieb zu Gegenmaßregeln, zum Nachtdienst, der<lb/> mit einer allgemeinen Wehrpflicht verbunden war. Da dieser aber nicht ohne<lb/> Gefahr war, so suchte man sich durch Stellvertreter davon zu befreien oder<lb/> weigerte auch den Gehorsam. Zu Helsingör klagt u. a. der Magistrat, „daß<lb/> Schiffer Söreu, wenn ihm der Nachtdienst angesagt wurde, entweder damit an¬<lb/> fing, witzig zu werden und die Autwort gab, es werde ihm ein Vergnügen sein<lb/> selbviert zu kommen, oder auch sogleich grob ward, in beiden Fällen aber aus¬<lb/> blieb und an seiner Stelle einen jungen Kerl schickte, der trunken und toll war<lb/> und böse Worte gab nebst anderen Unfug."</p><lb/> <p xml:id="ID_652" next="#ID_653"> Ehe wir in das Haus selbst eintreten, wollen wir einen Blick auf seine<lb/> äußere Gestalt werfen. Der Giebel war der Straße zugekehrt, und die obern<lb/> Geschosse mit dem weitüberrcigcnden Dache beschränkten den engen Luft- und<lb/> Lichtrcmm noch mehr. Sein Fuß aber wurde umwuchert von einer Menge von<lb/> Beischlägen, crkerartigen Ausbauten, Buden und Schuppen, welche den Raum<lb/> bis zur Gosse in Beschlag nahmen und die Straße ungebührlich verengten. Die<lb/> Wände des Hauses bestunden aus Fachwerk. Doch mußten dem Beobachter bald<lb/> gewisse Kennzeichen in die Augen fallen, nach welchen die Fachwcrkbauten unter</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1881. 26</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0203]
Häusliches Leben in Skandinavien im sechzehnten Jahrhundert.
Wohl half die Nntur zuweilen und verrichtete mit Regengüssen und Ueber-
schwemmungen den Dienst der Straßen- und Orduungspvlizei; allein eine ganz
zuverlässige Gehilfin war sie doch nicht. Die Natur verfolgt nun einmal andre
Zwecke als nur die Fürsorge für die Wohlfahrt der Menschen. Dieselben Ge¬
setze, welche den reinigenden Regenstrom hervorbrachten, ließen zur Sommers¬
zeit aus den mit Unrath gefüllten Straßen die Dünste aufsteigen und verbrei¬
teten mit unausweichlicher Nothwendigkeit ansteckende Giftstoffe über die ganze
Stadt hin. Die Folgen waren die mit Regelmäßigkeit sich einstellenden Seuchen,
die furchtbaren Geißelhicbe, welche dem Menschen eindringlich den Satz klar
machten, daß die Wohlfahrt der Gesammtheit ohne die Unterordnung des ein¬
zelnen unter das Gesetz nicht gedeihen kann.
War schon bei Tage ein Gang durch die Straßen keine Annehmlichkeit, so
wurde er des Nachts sogar zu einem Unternehmen gefährlicher Art. Es gehörte
eine ungemein genaue Localkenntniß dazu, um nicht gegen allerhand Baulichkeiten,
die auf dem umstrittenen Gebiet zwischen Haus und Gosse angelegt waren,
anzurennen oder in einem Kellerhals zu verschwinden. Jeder Schritt mußte das
Gepräge behutsam erprobender Vorsicht tragen; bald setzte man den Fuß auf einen
Misthaufen, bald in eine Lache, bald mußte man ihn vor einem aufgeschreckten,
knurrenden Hunde zurückziehen. Denn ist es nöthig, noch ausdrücklich zu sagen,
daß an Beleuchtung nicht zu denken war? Wer die Mittel hatte, ging mit
einer Hornlaterne aus oder ließ sich von einem Diener mit der Laterne ab¬
holen. Aber auch dies bot nur geringe Bürgschaft, ohne Schaden nach Hause
zu kommen. Denn allerhand eatilinarische Existenzen trieben des Nachts auf
den Straßen ihr Spiel, und es war schwer, den Frieden aufrecht zu erhalten.
Aber gerade die Unruhe trieb zu Gegenmaßregeln, zum Nachtdienst, der
mit einer allgemeinen Wehrpflicht verbunden war. Da dieser aber nicht ohne
Gefahr war, so suchte man sich durch Stellvertreter davon zu befreien oder
weigerte auch den Gehorsam. Zu Helsingör klagt u. a. der Magistrat, „daß
Schiffer Söreu, wenn ihm der Nachtdienst angesagt wurde, entweder damit an¬
fing, witzig zu werden und die Autwort gab, es werde ihm ein Vergnügen sein
selbviert zu kommen, oder auch sogleich grob ward, in beiden Fällen aber aus¬
blieb und an seiner Stelle einen jungen Kerl schickte, der trunken und toll war
und böse Worte gab nebst anderen Unfug."
Ehe wir in das Haus selbst eintreten, wollen wir einen Blick auf seine
äußere Gestalt werfen. Der Giebel war der Straße zugekehrt, und die obern
Geschosse mit dem weitüberrcigcnden Dache beschränkten den engen Luft- und
Lichtrcmm noch mehr. Sein Fuß aber wurde umwuchert von einer Menge von
Beischlägen, crkerartigen Ausbauten, Buden und Schuppen, welche den Raum
bis zur Gosse in Beschlag nahmen und die Straße ungebührlich verengten. Die
Wände des Hauses bestunden aus Fachwerk. Doch mußten dem Beobachter bald
gewisse Kennzeichen in die Augen fallen, nach welchen die Fachwcrkbauten unter
Grenzboten IV. 1881. 26
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