Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.Häusliches Leben in Skandinavien im sechzehnten Jahrhundert. suchten die Magistrate dagegen Einspruch AU erheben oder eine regelmäßige Ab¬ Ein andrer Umstand half die Straßen bald in einen traurigen Zustand Nicht minder anstößig erschienen die Hunde, die, herrenlos wie sie waren, Eines der größten öffentlichen Uebel aber waren jene Orte, für welche jedes Ungünstig wirkten ferner auf die Gesundheitsverhältnisse der Stadt die schlecht Häusliches Leben in Skandinavien im sechzehnten Jahrhundert. suchten die Magistrate dagegen Einspruch AU erheben oder eine regelmäßige Ab¬ Ein andrer Umstand half die Straßen bald in einen traurigen Zustand Nicht minder anstößig erschienen die Hunde, die, herrenlos wie sie waren, Eines der größten öffentlichen Uebel aber waren jene Orte, für welche jedes Ungünstig wirkten ferner auf die Gesundheitsverhältnisse der Stadt die schlecht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0202" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150924"/> <fw type="header" place="top"> Häusliches Leben in Skandinavien im sechzehnten Jahrhundert.</fw><lb/> <p xml:id="ID_644" prev="#ID_643"> suchten die Magistrate dagegen Einspruch AU erheben oder eine regelmäßige Ab¬<lb/> fuhr ins Werk zu setzen. Die Indolenz der Bürger war kaum zu überwinden,<lb/> so daß z, B, 1582 in Helsingör nichts übrig blieb, als jeden, der nicht binnen<lb/> einer gewissen Zeit sein Stück Straße rein schaffen würde, mit Verlust seines Ver¬<lb/> mögens zu bedrohen. Und selbst dies fruchtete nichts.</p><lb/> <p xml:id="ID_645"> Ein andrer Umstand half die Straßen bald in einen traurigen Zustand<lb/> versetzen: man hielt auf den Straßen Schweine. Die Regierung gab gegen diese<lb/> Unsitte einen Erlaß über den andern aus, doch ohne Erfolg. In Kronborg<lb/> wurde nach wiederholtem Verbot der städtischen Schweinezucht feierlich verkündet,<lb/> daß jedes frei herumlaufende Schwein beide Ohren verlieren solle. Aber mit<lb/> den Schweinen schloß das niedre Volk der Stadt ein Bündniß, verleidete durch<lb/> hunderterlei Hindernisse den Stadtdienern ihre Jagd und half mit Halloh und<lb/> Hurrah den vierbeinigen Flüchtlingen fort. Als die Obrigkeit in ihrer Ver¬<lb/> legenheit die Schweinejagd einer neuen Behörde, dem Scharfrichter, übertrug,<lb/> mit dem Versprechen, er solle alles behalten, was er einsauge, war das Schicksal<lb/> des Kampfes entschieden. Denn jetzt nahm jeder Partei für die unschuldig verfolgten<lb/> Schweine gegenüber dem aus der bürgerlichen Gesellschaft ausgestoßenen Büttel.</p><lb/> <p xml:id="ID_646"> Nicht minder anstößig erschienen die Hunde, die, herrenlos wie sie waren,<lb/> zur Landplage wurden, obwohl hervorgehoben werden muß, daß sie neben den<lb/> Schweinen doch durch Beseitigung von allerhand Abfällen eine Art von Orts¬<lb/> polizei ausübten. Der Vernichtungskrieg, den man gegen sie führte, wurde von<lb/> Sieg gekrönt, während die Schweine das Schlachtfeld behaupteten.</p><lb/> <p xml:id="ID_647"> Eines der größten öffentlichen Uebel aber waren jene Orte, für welche jedes<lb/> Volk alle heimischen und fremdsprachigen Bezeichnungen des Oertlichen und Zurück¬<lb/> gezogener erschöpft hat. Abgesehen davon, daß jenen Orten alle Behaglichkeit<lb/> fehlte, so wurde für ihre Reinlichkeit ganz und gar nichts gethan. Ihr Inhalt<lb/> ergoß sich, da der dazu beauftragte Scharfrichter zum Reinigen wenig Lust ver¬<lb/> spürte, gemeinhin in die Straßengvssc. Recht bezeichnend ist für diese Verhält¬<lb/> nisse das Schicksal eines Holländers namens Berne in Helsingör. Nachdem<lb/> dieser vergebliche Versuche gemacht hatte, jemand zur Räumung seiner Abtritts¬<lb/> grube zu gewinnen, schritt er zuletzt zur Selbsthilfe. Aber wie ein Lauffeuer<lb/> ging die Nachricht durch die Stadt, und alle standen für einen mit der Forde¬<lb/> rung, daß solches nicht zu dulden, sondern der Thäter aus der Stadt zu weisen<lb/> sei. Und so geschah es. Weil Berne dem Schinder ins Amt gegriffen und da¬<lb/> durch sich selbst zu einem Schinder gemacht habe, lautete der Urtheilsspruch,<lb/> müsse er die Stadt verlassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_648"> Ungünstig wirkten ferner auf die Gesundheitsverhältnisse der Stadt die schlecht<lb/> eingerichteten Kirchhöfe und vor allem die Kirchen selbst, unter deren Steinfliesen<lb/> in ungenügend verschlossenen Särgen und Grüften Hunderte ruhten, so daß<lb/> Grabesluft und Leichengeruch überall hervorquollen, die Kirche füllten und sich<lb/> erstickend auf alle die legten, welche der Gottesdienst dort versammelte.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0202]
Häusliches Leben in Skandinavien im sechzehnten Jahrhundert.
suchten die Magistrate dagegen Einspruch AU erheben oder eine regelmäßige Ab¬
fuhr ins Werk zu setzen. Die Indolenz der Bürger war kaum zu überwinden,
so daß z, B, 1582 in Helsingör nichts übrig blieb, als jeden, der nicht binnen
einer gewissen Zeit sein Stück Straße rein schaffen würde, mit Verlust seines Ver¬
mögens zu bedrohen. Und selbst dies fruchtete nichts.
Ein andrer Umstand half die Straßen bald in einen traurigen Zustand
versetzen: man hielt auf den Straßen Schweine. Die Regierung gab gegen diese
Unsitte einen Erlaß über den andern aus, doch ohne Erfolg. In Kronborg
wurde nach wiederholtem Verbot der städtischen Schweinezucht feierlich verkündet,
daß jedes frei herumlaufende Schwein beide Ohren verlieren solle. Aber mit
den Schweinen schloß das niedre Volk der Stadt ein Bündniß, verleidete durch
hunderterlei Hindernisse den Stadtdienern ihre Jagd und half mit Halloh und
Hurrah den vierbeinigen Flüchtlingen fort. Als die Obrigkeit in ihrer Ver¬
legenheit die Schweinejagd einer neuen Behörde, dem Scharfrichter, übertrug,
mit dem Versprechen, er solle alles behalten, was er einsauge, war das Schicksal
des Kampfes entschieden. Denn jetzt nahm jeder Partei für die unschuldig verfolgten
Schweine gegenüber dem aus der bürgerlichen Gesellschaft ausgestoßenen Büttel.
Nicht minder anstößig erschienen die Hunde, die, herrenlos wie sie waren,
zur Landplage wurden, obwohl hervorgehoben werden muß, daß sie neben den
Schweinen doch durch Beseitigung von allerhand Abfällen eine Art von Orts¬
polizei ausübten. Der Vernichtungskrieg, den man gegen sie führte, wurde von
Sieg gekrönt, während die Schweine das Schlachtfeld behaupteten.
Eines der größten öffentlichen Uebel aber waren jene Orte, für welche jedes
Volk alle heimischen und fremdsprachigen Bezeichnungen des Oertlichen und Zurück¬
gezogener erschöpft hat. Abgesehen davon, daß jenen Orten alle Behaglichkeit
fehlte, so wurde für ihre Reinlichkeit ganz und gar nichts gethan. Ihr Inhalt
ergoß sich, da der dazu beauftragte Scharfrichter zum Reinigen wenig Lust ver¬
spürte, gemeinhin in die Straßengvssc. Recht bezeichnend ist für diese Verhält¬
nisse das Schicksal eines Holländers namens Berne in Helsingör. Nachdem
dieser vergebliche Versuche gemacht hatte, jemand zur Räumung seiner Abtritts¬
grube zu gewinnen, schritt er zuletzt zur Selbsthilfe. Aber wie ein Lauffeuer
ging die Nachricht durch die Stadt, und alle standen für einen mit der Forde¬
rung, daß solches nicht zu dulden, sondern der Thäter aus der Stadt zu weisen
sei. Und so geschah es. Weil Berne dem Schinder ins Amt gegriffen und da¬
durch sich selbst zu einem Schinder gemacht habe, lautete der Urtheilsspruch,
müsse er die Stadt verlassen.
Ungünstig wirkten ferner auf die Gesundheitsverhältnisse der Stadt die schlecht
eingerichteten Kirchhöfe und vor allem die Kirchen selbst, unter deren Steinfliesen
in ungenügend verschlossenen Särgen und Grüften Hunderte ruhten, so daß
Grabesluft und Leichengeruch überall hervorquollen, die Kirche füllten und sich
erstickend auf alle die legten, welche der Gottesdienst dort versammelte.
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