Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die moderne Geschütz-Industrie.

Größe nach auch schon Riescngeschütze ---, welche ganz neuerdings nach wenigen
Schüssen zersprangen, sind aber gerade an der Ansdrehung für den Liderimgsring
geborsten, dessen der französische Schraubenverschluß ebenso bedarf wie die deutschen
Keilverschlüsse. Wunderlich wäre es, wenn die englische Artillerie jetzt vielleicht
auch den Schraubenvcrschluß annehmen sollte. Der Schraubcnverschluß, bei
welchem ein voller Kolben von hinten in das Rohr geschoben und festgedreht
wird, war vornehmlich für gußeiserne Rohre projectirt, bei denen durch genügende
Ringlagen die Sicherung gegen das Springen im Bodenstück zuverlässig erreicht
war, eine Sicherung gegen das Abreißen des Bodens aber in der Erhaltung
einer möglichst großen Abreißfläche gesucht werden mußte; mit allen andern
bekannten Verschlußvorrichtungen, wie z. B. durch Querlöcher, Kcillöcher, würde
diese letztere in ihrer Ausdehnung vermindert sein. Sollte in den vorstehend
erwähnten Fällen nicht überhaupt das Rohr einfach gesprungen sein? Dann
läge es nicht am Schraubenverschluß an sich, und man hätte ebensogut eine
bessere Verschlußart anwenden können.

Daß die Kruppsche Fabrik schon sehr früh mit Constructionsbedingungeu
sür gezogene Geschütze vertraut wurde, geht aus dem Anfang der Verbindungen
hervor, welche wir bei der Besprechung über die Fabrikation anführten. Es
war natürlich, daß in einer Fabrik, in welcher die bedeutsamsten constructiver
Fragen zur Durchbildung gelangen, auch jene Constructionen umsomehr der
eingehendsten Behandlung unterzogen wurden, als sie sich zu großem Theil
ganz unmittelbar und bedingend an die Fabrikation anschlössen. In Preußen
hatten im Jahre 1851 die Versuche mit gezogenen Hintcrladungsgeschützen bei
Geschoßführung ohne Spielraum, als einer damals alleinstehenden Art, begonnen,
und diese Versuche wurden in unbeirrter Beharrlichkeit und mit bewunderungs¬
würdiger Einsicht und Klarheit zu der hohen Entwicklung geführt, welche der
preußischen Artillerie für alle Zeit zum Ruhme gereichen wird. Wie es der
mehrere Jahre später auftretenden gleichartigen Weise Armstrongs dagegen in
England ergangen, haben wir im vorhergehenden geschildert. Rußland ging
nach kurzer Unbestimmtheit ganz zu dem System der preußischen Geschütze über,
und die bereits erwähnte" Bestellungen an besonders schweren Geschützen für
die Flotte und für die Armirnng der baltischen Kttstenplätze war für die Kruppsche
Fabrik eine besondre Anregung zur lebhaftesten Betheiligung an den construc-
tiver Fragen. Die fortlaufenden Auschießprvbeu der fertig gewordenen Rohre
boten ein sehr reiches Beobachtungsmaterial, und aus deu dabei gewonnenen
Erfahrungen scheu wir zunächst, als eine der Fabrik zugehörige selbständige
Schöpfung, den bereits 1862 patentirter cylinder-prismatischen Keilverschluß mit
Broadwell-Liderung entstehen, welcher den Bedingungen der Haltbarkeit, der
Leichtigkeit der Handhabung und der Abdichtung gegen die Pulvergase, nach
verbessernder Weiterentwicklung bis zu den Riesengcschützen hinauf, in einer
sonst nicht erreichten Weise entspricht.


Die moderne Geschütz-Industrie.

Größe nach auch schon Riescngeschütze —-, welche ganz neuerdings nach wenigen
Schüssen zersprangen, sind aber gerade an der Ansdrehung für den Liderimgsring
geborsten, dessen der französische Schraubenverschluß ebenso bedarf wie die deutschen
Keilverschlüsse. Wunderlich wäre es, wenn die englische Artillerie jetzt vielleicht
auch den Schraubenvcrschluß annehmen sollte. Der Schraubcnverschluß, bei
welchem ein voller Kolben von hinten in das Rohr geschoben und festgedreht
wird, war vornehmlich für gußeiserne Rohre projectirt, bei denen durch genügende
Ringlagen die Sicherung gegen das Springen im Bodenstück zuverlässig erreicht
war, eine Sicherung gegen das Abreißen des Bodens aber in der Erhaltung
einer möglichst großen Abreißfläche gesucht werden mußte; mit allen andern
bekannten Verschlußvorrichtungen, wie z. B. durch Querlöcher, Kcillöcher, würde
diese letztere in ihrer Ausdehnung vermindert sein. Sollte in den vorstehend
erwähnten Fällen nicht überhaupt das Rohr einfach gesprungen sein? Dann
läge es nicht am Schraubenverschluß an sich, und man hätte ebensogut eine
bessere Verschlußart anwenden können.

Daß die Kruppsche Fabrik schon sehr früh mit Constructionsbedingungeu
sür gezogene Geschütze vertraut wurde, geht aus dem Anfang der Verbindungen
hervor, welche wir bei der Besprechung über die Fabrikation anführten. Es
war natürlich, daß in einer Fabrik, in welcher die bedeutsamsten constructiver
Fragen zur Durchbildung gelangen, auch jene Constructionen umsomehr der
eingehendsten Behandlung unterzogen wurden, als sie sich zu großem Theil
ganz unmittelbar und bedingend an die Fabrikation anschlössen. In Preußen
hatten im Jahre 1851 die Versuche mit gezogenen Hintcrladungsgeschützen bei
Geschoßführung ohne Spielraum, als einer damals alleinstehenden Art, begonnen,
und diese Versuche wurden in unbeirrter Beharrlichkeit und mit bewunderungs¬
würdiger Einsicht und Klarheit zu der hohen Entwicklung geführt, welche der
preußischen Artillerie für alle Zeit zum Ruhme gereichen wird. Wie es der
mehrere Jahre später auftretenden gleichartigen Weise Armstrongs dagegen in
England ergangen, haben wir im vorhergehenden geschildert. Rußland ging
nach kurzer Unbestimmtheit ganz zu dem System der preußischen Geschütze über,
und die bereits erwähnte» Bestellungen an besonders schweren Geschützen für
die Flotte und für die Armirnng der baltischen Kttstenplätze war für die Kruppsche
Fabrik eine besondre Anregung zur lebhaftesten Betheiligung an den construc-
tiver Fragen. Die fortlaufenden Auschießprvbeu der fertig gewordenen Rohre
boten ein sehr reiches Beobachtungsmaterial, und aus deu dabei gewonnenen
Erfahrungen scheu wir zunächst, als eine der Fabrik zugehörige selbständige
Schöpfung, den bereits 1862 patentirter cylinder-prismatischen Keilverschluß mit
Broadwell-Liderung entstehen, welcher den Bedingungen der Haltbarkeit, der
Leichtigkeit der Handhabung und der Abdichtung gegen die Pulvergase, nach
verbessernder Weiterentwicklung bis zu den Riesengcschützen hinauf, in einer
sonst nicht erreichten Weise entspricht.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0548" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150698"/>
          <fw type="header" place="top"> Die moderne Geschütz-Industrie.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1746" prev="#ID_1745"> Größe nach auch schon Riescngeschütze &#x2014;-, welche ganz neuerdings nach wenigen<lb/>
Schüssen zersprangen, sind aber gerade an der Ansdrehung für den Liderimgsring<lb/>
geborsten, dessen der französische Schraubenverschluß ebenso bedarf wie die deutschen<lb/>
Keilverschlüsse. Wunderlich wäre es, wenn die englische Artillerie jetzt vielleicht<lb/>
auch den Schraubenvcrschluß annehmen sollte. Der Schraubcnverschluß, bei<lb/>
welchem ein voller Kolben von hinten in das Rohr geschoben und festgedreht<lb/>
wird, war vornehmlich für gußeiserne Rohre projectirt, bei denen durch genügende<lb/>
Ringlagen die Sicherung gegen das Springen im Bodenstück zuverlässig erreicht<lb/>
war, eine Sicherung gegen das Abreißen des Bodens aber in der Erhaltung<lb/>
einer möglichst großen Abreißfläche gesucht werden mußte; mit allen andern<lb/>
bekannten Verschlußvorrichtungen, wie z. B. durch Querlöcher, Kcillöcher, würde<lb/>
diese letztere in ihrer Ausdehnung vermindert sein. Sollte in den vorstehend<lb/>
erwähnten Fällen nicht überhaupt das Rohr einfach gesprungen sein? Dann<lb/>
läge es nicht am Schraubenverschluß an sich, und man hätte ebensogut eine<lb/>
bessere Verschlußart anwenden können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1747"> Daß die Kruppsche Fabrik schon sehr früh mit Constructionsbedingungeu<lb/>
sür gezogene Geschütze vertraut wurde, geht aus dem Anfang der Verbindungen<lb/>
hervor, welche wir bei der Besprechung über die Fabrikation anführten. Es<lb/>
war natürlich, daß in einer Fabrik, in welcher die bedeutsamsten constructiver<lb/>
Fragen zur Durchbildung gelangen, auch jene Constructionen umsomehr der<lb/>
eingehendsten Behandlung unterzogen wurden, als sie sich zu großem Theil<lb/>
ganz unmittelbar und bedingend an die Fabrikation anschlössen. In Preußen<lb/>
hatten im Jahre 1851 die Versuche mit gezogenen Hintcrladungsgeschützen bei<lb/>
Geschoßführung ohne Spielraum, als einer damals alleinstehenden Art, begonnen,<lb/>
und diese Versuche wurden in unbeirrter Beharrlichkeit und mit bewunderungs¬<lb/>
würdiger Einsicht und Klarheit zu der hohen Entwicklung geführt, welche der<lb/>
preußischen Artillerie für alle Zeit zum Ruhme gereichen wird. Wie es der<lb/>
mehrere Jahre später auftretenden gleichartigen Weise Armstrongs dagegen in<lb/>
England ergangen, haben wir im vorhergehenden geschildert. Rußland ging<lb/>
nach kurzer Unbestimmtheit ganz zu dem System der preußischen Geschütze über,<lb/>
und die bereits erwähnte» Bestellungen an besonders schweren Geschützen für<lb/>
die Flotte und für die Armirnng der baltischen Kttstenplätze war für die Kruppsche<lb/>
Fabrik eine besondre Anregung zur lebhaftesten Betheiligung an den construc-<lb/>
tiver Fragen. Die fortlaufenden Auschießprvbeu der fertig gewordenen Rohre<lb/>
boten ein sehr reiches Beobachtungsmaterial, und aus deu dabei gewonnenen<lb/>
Erfahrungen scheu wir zunächst, als eine der Fabrik zugehörige selbständige<lb/>
Schöpfung, den bereits 1862 patentirter cylinder-prismatischen Keilverschluß mit<lb/>
Broadwell-Liderung entstehen, welcher den Bedingungen der Haltbarkeit, der<lb/>
Leichtigkeit der Handhabung und der Abdichtung gegen die Pulvergase, nach<lb/>
verbessernder Weiterentwicklung bis zu den Riesengcschützen hinauf, in einer<lb/>
sonst nicht erreichten Weise entspricht.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0548] Die moderne Geschütz-Industrie. Größe nach auch schon Riescngeschütze —-, welche ganz neuerdings nach wenigen Schüssen zersprangen, sind aber gerade an der Ansdrehung für den Liderimgsring geborsten, dessen der französische Schraubenverschluß ebenso bedarf wie die deutschen Keilverschlüsse. Wunderlich wäre es, wenn die englische Artillerie jetzt vielleicht auch den Schraubenvcrschluß annehmen sollte. Der Schraubcnverschluß, bei welchem ein voller Kolben von hinten in das Rohr geschoben und festgedreht wird, war vornehmlich für gußeiserne Rohre projectirt, bei denen durch genügende Ringlagen die Sicherung gegen das Springen im Bodenstück zuverlässig erreicht war, eine Sicherung gegen das Abreißen des Bodens aber in der Erhaltung einer möglichst großen Abreißfläche gesucht werden mußte; mit allen andern bekannten Verschlußvorrichtungen, wie z. B. durch Querlöcher, Kcillöcher, würde diese letztere in ihrer Ausdehnung vermindert sein. Sollte in den vorstehend erwähnten Fällen nicht überhaupt das Rohr einfach gesprungen sein? Dann läge es nicht am Schraubenverschluß an sich, und man hätte ebensogut eine bessere Verschlußart anwenden können. Daß die Kruppsche Fabrik schon sehr früh mit Constructionsbedingungeu sür gezogene Geschütze vertraut wurde, geht aus dem Anfang der Verbindungen hervor, welche wir bei der Besprechung über die Fabrikation anführten. Es war natürlich, daß in einer Fabrik, in welcher die bedeutsamsten constructiver Fragen zur Durchbildung gelangen, auch jene Constructionen umsomehr der eingehendsten Behandlung unterzogen wurden, als sie sich zu großem Theil ganz unmittelbar und bedingend an die Fabrikation anschlössen. In Preußen hatten im Jahre 1851 die Versuche mit gezogenen Hintcrladungsgeschützen bei Geschoßführung ohne Spielraum, als einer damals alleinstehenden Art, begonnen, und diese Versuche wurden in unbeirrter Beharrlichkeit und mit bewunderungs¬ würdiger Einsicht und Klarheit zu der hohen Entwicklung geführt, welche der preußischen Artillerie für alle Zeit zum Ruhme gereichen wird. Wie es der mehrere Jahre später auftretenden gleichartigen Weise Armstrongs dagegen in England ergangen, haben wir im vorhergehenden geschildert. Rußland ging nach kurzer Unbestimmtheit ganz zu dem System der preußischen Geschütze über, und die bereits erwähnte» Bestellungen an besonders schweren Geschützen für die Flotte und für die Armirnng der baltischen Kttstenplätze war für die Kruppsche Fabrik eine besondre Anregung zur lebhaftesten Betheiligung an den construc- tiver Fragen. Die fortlaufenden Auschießprvbeu der fertig gewordenen Rohre boten ein sehr reiches Beobachtungsmaterial, und aus deu dabei gewonnenen Erfahrungen scheu wir zunächst, als eine der Fabrik zugehörige selbständige Schöpfung, den bereits 1862 patentirter cylinder-prismatischen Keilverschluß mit Broadwell-Liderung entstehen, welcher den Bedingungen der Haltbarkeit, der Leichtigkeit der Handhabung und der Abdichtung gegen die Pulvergase, nach verbessernder Weiterentwicklung bis zu den Riesengcschützen hinauf, in einer sonst nicht erreichten Weise entspricht.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/548
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/548>, abgerufen am 01.09.2024.