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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die moderne Geschütz-Industrie,

nationalbewußten Empfinden seine eignen Gedanken darüber gehabt haben mag.
In ganz kurzer Zeit gelang es jedoch, besonders durch Verwendung des pris¬
matischen Pulvers und nnter der wichtigen Mitwirkung der Kruppschen wie der
Grusonschen Fabrik, die volle Ueberlegenheit des preußischen Systems der ge¬
zogenen Geschütze auch nach dieser Richtung glänzend zum Ausdruck zu bringen.
Seitdem begann sich doch die Aufmerksamkeit in England, wenn auch widerwillig,
auf unser Geschützsystem zu richten, und es fand dies einen fast überraschenden,
aber um so bezeichnenderen Ausdruck in der zahlreichen Theilnahme von her¬
vorragenden englischen Offizieren der betheiligten Dienstzweigc an den Schie߬
versuchen, welche die Kruppsche Fabrik auf ihrem Schießplatze bei Meppen im
August 1879 vor einem ungewöhnlich großen Zuschauerkreisc von Fachmännern
sehr vieler Staaten veranstaltet hatte. Sehr deutlich wird der Eindruck dieser
Schießversuche durch einen Vortrag illustrirt, welcher über die Ergebnisse der¬
selben in der lioM unitvä Lörviov Institution zu London im Januar 1880
gehalten wurde. Der Vortragende, Capitän Orte Brown, resümiren seine Be¬
obachtung dahin: "Nachdem in Preußen durch consequentes Durcharbeiten die
augenscheinlichsten Resultate mit dem Hinterladungssystem erzielt sind, stehen
wir wieder mit beiden Systemen in Versuchen, welche wir schon vor zwanzig
Jahren aufgenommen hatten, und es kann heute niemand, der in das Studium
der Materie eingedrungen, zweifelhaft sein, daß wir schließlich uns zum Hinter¬
lader mit prismatischen Pulver bekehren werden. Mag es nun sein, daß wir
nicht hinreichend der Volksstimme entgegentraten oder daß wir mißleitet wurden
durch die Vorzüge eines individuellen Resultates, der Effect ist der, wir haben
nicht so wie in Deutschland die Energie in unsern Versuchen entfaltet, die die
Materie erforderte." Das Vvrderladungssystcm hatte eben nach seinen Con-
sequenzen eine Steigerung der Geschützwirkung nicht anders als durch Vergröße¬
rung des Kalibers zu lösen vermocht; die Kruppsche Fabrik war den rationellen
Weg gegangen und konnte diesen nach den Grundlagen ihrer Constructionen
und nach der Qualität ihres Geschiitzmetalls einschlagen; sie hatte die Wirkung
durch Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Kalibers zu vergrößern gesucht nud
war allerdings zu überraschenden Erfolgen gelangt.

Gegenwärtig beschäftigt man sich in England eifrig mit der Hinterladnng,
und es wird bereits voraus verkündet, daß die neuen englischen Hintcr-
ladcgeschütze alle andern Hinterladesysteme und namentlich auch die Kruppschen
Geschütze in ihrer Wirkuugs- lind Leistungsfähigkeit unendlich (?) überbieten
werden. So einfach ist indeß ein solches Ziel nicht zu erreichen. Das eine
von den von Armstrong für Italien gelieferten 190 Tonnen-Geschützen, welches
bei den Versuchen gesprungen ist, war mit dem französischen Schraubenvcrschlnsse
ü. vis ü. ülots intorromxus, avso obtuiAtöur in<ztallic>us -- versehen. Wir
wissen freilich nicht, wie es gesprungen ist. Die beiden ebenfalls früher er¬
wähnten französischen Stahlringgeschütze von 34 Centimeter Kaliber -- der


Die moderne Geschütz-Industrie,

nationalbewußten Empfinden seine eignen Gedanken darüber gehabt haben mag.
In ganz kurzer Zeit gelang es jedoch, besonders durch Verwendung des pris¬
matischen Pulvers und nnter der wichtigen Mitwirkung der Kruppschen wie der
Grusonschen Fabrik, die volle Ueberlegenheit des preußischen Systems der ge¬
zogenen Geschütze auch nach dieser Richtung glänzend zum Ausdruck zu bringen.
Seitdem begann sich doch die Aufmerksamkeit in England, wenn auch widerwillig,
auf unser Geschützsystem zu richten, und es fand dies einen fast überraschenden,
aber um so bezeichnenderen Ausdruck in der zahlreichen Theilnahme von her¬
vorragenden englischen Offizieren der betheiligten Dienstzweigc an den Schie߬
versuchen, welche die Kruppsche Fabrik auf ihrem Schießplatze bei Meppen im
August 1879 vor einem ungewöhnlich großen Zuschauerkreisc von Fachmännern
sehr vieler Staaten veranstaltet hatte. Sehr deutlich wird der Eindruck dieser
Schießversuche durch einen Vortrag illustrirt, welcher über die Ergebnisse der¬
selben in der lioM unitvä Lörviov Institution zu London im Januar 1880
gehalten wurde. Der Vortragende, Capitän Orte Brown, resümiren seine Be¬
obachtung dahin: „Nachdem in Preußen durch consequentes Durcharbeiten die
augenscheinlichsten Resultate mit dem Hinterladungssystem erzielt sind, stehen
wir wieder mit beiden Systemen in Versuchen, welche wir schon vor zwanzig
Jahren aufgenommen hatten, und es kann heute niemand, der in das Studium
der Materie eingedrungen, zweifelhaft sein, daß wir schließlich uns zum Hinter¬
lader mit prismatischen Pulver bekehren werden. Mag es nun sein, daß wir
nicht hinreichend der Volksstimme entgegentraten oder daß wir mißleitet wurden
durch die Vorzüge eines individuellen Resultates, der Effect ist der, wir haben
nicht so wie in Deutschland die Energie in unsern Versuchen entfaltet, die die
Materie erforderte." Das Vvrderladungssystcm hatte eben nach seinen Con-
sequenzen eine Steigerung der Geschützwirkung nicht anders als durch Vergröße¬
rung des Kalibers zu lösen vermocht; die Kruppsche Fabrik war den rationellen
Weg gegangen und konnte diesen nach den Grundlagen ihrer Constructionen
und nach der Qualität ihres Geschiitzmetalls einschlagen; sie hatte die Wirkung
durch Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Kalibers zu vergrößern gesucht nud
war allerdings zu überraschenden Erfolgen gelangt.

Gegenwärtig beschäftigt man sich in England eifrig mit der Hinterladnng,
und es wird bereits voraus verkündet, daß die neuen englischen Hintcr-
ladcgeschütze alle andern Hinterladesysteme und namentlich auch die Kruppschen
Geschütze in ihrer Wirkuugs- lind Leistungsfähigkeit unendlich (?) überbieten
werden. So einfach ist indeß ein solches Ziel nicht zu erreichen. Das eine
von den von Armstrong für Italien gelieferten 190 Tonnen-Geschützen, welches
bei den Versuchen gesprungen ist, war mit dem französischen Schraubenvcrschlnsse
ü. vis ü. ülots intorromxus, avso obtuiAtöur in<ztallic>us — versehen. Wir
wissen freilich nicht, wie es gesprungen ist. Die beiden ebenfalls früher er¬
wähnten französischen Stahlringgeschütze von 34 Centimeter Kaliber — der


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[0547] Die moderne Geschütz-Industrie, nationalbewußten Empfinden seine eignen Gedanken darüber gehabt haben mag. In ganz kurzer Zeit gelang es jedoch, besonders durch Verwendung des pris¬ matischen Pulvers und nnter der wichtigen Mitwirkung der Kruppschen wie der Grusonschen Fabrik, die volle Ueberlegenheit des preußischen Systems der ge¬ zogenen Geschütze auch nach dieser Richtung glänzend zum Ausdruck zu bringen. Seitdem begann sich doch die Aufmerksamkeit in England, wenn auch widerwillig, auf unser Geschützsystem zu richten, und es fand dies einen fast überraschenden, aber um so bezeichnenderen Ausdruck in der zahlreichen Theilnahme von her¬ vorragenden englischen Offizieren der betheiligten Dienstzweigc an den Schie߬ versuchen, welche die Kruppsche Fabrik auf ihrem Schießplatze bei Meppen im August 1879 vor einem ungewöhnlich großen Zuschauerkreisc von Fachmännern sehr vieler Staaten veranstaltet hatte. Sehr deutlich wird der Eindruck dieser Schießversuche durch einen Vortrag illustrirt, welcher über die Ergebnisse der¬ selben in der lioM unitvä Lörviov Institution zu London im Januar 1880 gehalten wurde. Der Vortragende, Capitän Orte Brown, resümiren seine Be¬ obachtung dahin: „Nachdem in Preußen durch consequentes Durcharbeiten die augenscheinlichsten Resultate mit dem Hinterladungssystem erzielt sind, stehen wir wieder mit beiden Systemen in Versuchen, welche wir schon vor zwanzig Jahren aufgenommen hatten, und es kann heute niemand, der in das Studium der Materie eingedrungen, zweifelhaft sein, daß wir schließlich uns zum Hinter¬ lader mit prismatischen Pulver bekehren werden. Mag es nun sein, daß wir nicht hinreichend der Volksstimme entgegentraten oder daß wir mißleitet wurden durch die Vorzüge eines individuellen Resultates, der Effect ist der, wir haben nicht so wie in Deutschland die Energie in unsern Versuchen entfaltet, die die Materie erforderte." Das Vvrderladungssystcm hatte eben nach seinen Con- sequenzen eine Steigerung der Geschützwirkung nicht anders als durch Vergröße¬ rung des Kalibers zu lösen vermocht; die Kruppsche Fabrik war den rationellen Weg gegangen und konnte diesen nach den Grundlagen ihrer Constructionen und nach der Qualität ihres Geschiitzmetalls einschlagen; sie hatte die Wirkung durch Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Kalibers zu vergrößern gesucht nud war allerdings zu überraschenden Erfolgen gelangt. Gegenwärtig beschäftigt man sich in England eifrig mit der Hinterladnng, und es wird bereits voraus verkündet, daß die neuen englischen Hintcr- ladcgeschütze alle andern Hinterladesysteme und namentlich auch die Kruppschen Geschütze in ihrer Wirkuugs- lind Leistungsfähigkeit unendlich (?) überbieten werden. So einfach ist indeß ein solches Ziel nicht zu erreichen. Das eine von den von Armstrong für Italien gelieferten 190 Tonnen-Geschützen, welches bei den Versuchen gesprungen ist, war mit dem französischen Schraubenvcrschlnsse ü. vis ü. ülots intorromxus, avso obtuiAtöur in<ztallic>us — versehen. Wir wissen freilich nicht, wie es gesprungen ist. Die beiden ebenfalls früher er¬ wähnten französischen Stahlringgeschütze von 34 Centimeter Kaliber — der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/547>, abgerufen am 01.09.2024.