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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die moderne Geschütz-Industrie.

Rivalin erblicken wir (Preußen) in den bestehenden Artillerien, und das ist die
anfängliche Anordnung der Gcschoßführnng von Armstrong. Sie erfolgt ebenso
wie die unsrige unter Vermittlung eines Bleimantels, dessen geringere Stärke
und damit verbundene geringere lebendige Kraft der Rotation den Construetor
indeß genöthigt haben, die Dralllünge gegen die unsre wesentlich zu verkürzen
und so nicht allein das Rohr, sondern auch den Bleimantel des Geschosses
beim Durchgange durch die Seele sehr viel mehr anzustrengen. Die Armstrong-
Geschütze erreichen die unsrigen an absoluter Trefffähigkeit fast ganz; sie über¬
ragen unsre Geschütze an der Größe der erreichbaren Schußweiten, weil Arm¬
strong sich von vornherein genöthigt sah, dem von Whitworth in Gang ge¬
brachten Zuge nach dem Schießen auf colossale Entfernungen nachzugeben, aller¬
dings ohne denselben vernünftigerweise ganz zu erreichen. Die Armstrong-
Geschütze haben aus dieser Ursache für bewegliche Objecte auch eine geringe,
aus der flacheren Flughahn abzuleitende Ueberlegenheit." Es sei hinzugefügt,
daß unsre damals verglichuen Kanonen diejenigen waren, welche ihre aus der
Construction hervorgegangn" Ueberlegenheit der Wirkung in dem letzten Kriege
mit Frankreich gegenüber der französischen Artillerie in so markanter Weise an
den Tag legten.

Die Hinterladung war also, wie gesagt, die unerläßliche Bedingung für
die von Armstrong richtig gewählte Art der Geschoßführung. Sehr eigenartig
war die erste Verschlußvorrichtung, welche Armstrong anwendete. Hinter dem
Ladungsraum war das Geschützrohr bis etwas unter den tiefsten Theil der
Bohrung von oben vierkantig ausgestoßen, so daß man hier von oben ein ent¬
sprechend geformtes Stahlstück beweglich einlassen konnte. Eine in den hin¬
tersten Theil der Durchbohrung des Rohres eingreifende Hohlschraube drückte
das eingesetzte Stahlstück, das ohne xikvs oder Zündlochstück, gegen den Ladungs¬
raum fest, so daß dadurch der Verschluß desselben bewirkt wurde. Vor dem
Einsetzen des ohne xisos wurden durch die Hohlschraube von hinten Geschoß
und Ladung an ihre Stelle gebracht. Die Entzündung der Ladung konnte erst
erfolgen, nachdem das Zündlochstück eingesetzt war, weil dieses eben, wie der
Namen besagt, das Zündloch enthielt. Es machte von vornherein Schwierig¬
keiten, die Berührungsflächen des vent xisve mit den Hinterflächen am Ladnngs-
rnume so abzudichten, daß ein Durchschlagen der Pulvergase nach hinten ganz
ausgeschlossen worden wäre; die durchschlagenden Stichflammen machten ihre
verderbliche Wirkung an diesen Theilen geltend, die Lideruug, wie man es
nennt, war keine genügende. Dann aber war es, nach Armstrongs eigner Aus¬
sage, von der größten Schwierigkeit, für die Verschlußstücke wie für die Hohl¬
schraube Stahlarten von solcher Beschaffenheit zu bekommen, daß sie völlige
Sicherung vor Stauchungen und vor Zertrümmerung gewährten. Bei Kriegs-
ereignissen in China und in Japan machte man darin einige sehr bedenkliche
Erfahrungen, und man mußte zugestehen, daß es doch etwas voreilig gewesen


Die moderne Geschütz-Industrie.

Rivalin erblicken wir (Preußen) in den bestehenden Artillerien, und das ist die
anfängliche Anordnung der Gcschoßführnng von Armstrong. Sie erfolgt ebenso
wie die unsrige unter Vermittlung eines Bleimantels, dessen geringere Stärke
und damit verbundene geringere lebendige Kraft der Rotation den Construetor
indeß genöthigt haben, die Dralllünge gegen die unsre wesentlich zu verkürzen
und so nicht allein das Rohr, sondern auch den Bleimantel des Geschosses
beim Durchgange durch die Seele sehr viel mehr anzustrengen. Die Armstrong-
Geschütze erreichen die unsrigen an absoluter Trefffähigkeit fast ganz; sie über¬
ragen unsre Geschütze an der Größe der erreichbaren Schußweiten, weil Arm¬
strong sich von vornherein genöthigt sah, dem von Whitworth in Gang ge¬
brachten Zuge nach dem Schießen auf colossale Entfernungen nachzugeben, aller¬
dings ohne denselben vernünftigerweise ganz zu erreichen. Die Armstrong-
Geschütze haben aus dieser Ursache für bewegliche Objecte auch eine geringe,
aus der flacheren Flughahn abzuleitende Ueberlegenheit." Es sei hinzugefügt,
daß unsre damals verglichuen Kanonen diejenigen waren, welche ihre aus der
Construction hervorgegangn« Ueberlegenheit der Wirkung in dem letzten Kriege
mit Frankreich gegenüber der französischen Artillerie in so markanter Weise an
den Tag legten.

Die Hinterladung war also, wie gesagt, die unerläßliche Bedingung für
die von Armstrong richtig gewählte Art der Geschoßführung. Sehr eigenartig
war die erste Verschlußvorrichtung, welche Armstrong anwendete. Hinter dem
Ladungsraum war das Geschützrohr bis etwas unter den tiefsten Theil der
Bohrung von oben vierkantig ausgestoßen, so daß man hier von oben ein ent¬
sprechend geformtes Stahlstück beweglich einlassen konnte. Eine in den hin¬
tersten Theil der Durchbohrung des Rohres eingreifende Hohlschraube drückte
das eingesetzte Stahlstück, das ohne xikvs oder Zündlochstück, gegen den Ladungs¬
raum fest, so daß dadurch der Verschluß desselben bewirkt wurde. Vor dem
Einsetzen des ohne xisos wurden durch die Hohlschraube von hinten Geschoß
und Ladung an ihre Stelle gebracht. Die Entzündung der Ladung konnte erst
erfolgen, nachdem das Zündlochstück eingesetzt war, weil dieses eben, wie der
Namen besagt, das Zündloch enthielt. Es machte von vornherein Schwierig¬
keiten, die Berührungsflächen des vent xisve mit den Hinterflächen am Ladnngs-
rnume so abzudichten, daß ein Durchschlagen der Pulvergase nach hinten ganz
ausgeschlossen worden wäre; die durchschlagenden Stichflammen machten ihre
verderbliche Wirkung an diesen Theilen geltend, die Lideruug, wie man es
nennt, war keine genügende. Dann aber war es, nach Armstrongs eigner Aus¬
sage, von der größten Schwierigkeit, für die Verschlußstücke wie für die Hohl¬
schraube Stahlarten von solcher Beschaffenheit zu bekommen, daß sie völlige
Sicherung vor Stauchungen und vor Zertrümmerung gewährten. Bei Kriegs-
ereignissen in China und in Japan machte man darin einige sehr bedenkliche
Erfahrungen, und man mußte zugestehen, daß es doch etwas voreilig gewesen


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[0545] Die moderne Geschütz-Industrie. Rivalin erblicken wir (Preußen) in den bestehenden Artillerien, und das ist die anfängliche Anordnung der Gcschoßführnng von Armstrong. Sie erfolgt ebenso wie die unsrige unter Vermittlung eines Bleimantels, dessen geringere Stärke und damit verbundene geringere lebendige Kraft der Rotation den Construetor indeß genöthigt haben, die Dralllünge gegen die unsre wesentlich zu verkürzen und so nicht allein das Rohr, sondern auch den Bleimantel des Geschosses beim Durchgange durch die Seele sehr viel mehr anzustrengen. Die Armstrong- Geschütze erreichen die unsrigen an absoluter Trefffähigkeit fast ganz; sie über¬ ragen unsre Geschütze an der Größe der erreichbaren Schußweiten, weil Arm¬ strong sich von vornherein genöthigt sah, dem von Whitworth in Gang ge¬ brachten Zuge nach dem Schießen auf colossale Entfernungen nachzugeben, aller¬ dings ohne denselben vernünftigerweise ganz zu erreichen. Die Armstrong- Geschütze haben aus dieser Ursache für bewegliche Objecte auch eine geringe, aus der flacheren Flughahn abzuleitende Ueberlegenheit." Es sei hinzugefügt, daß unsre damals verglichuen Kanonen diejenigen waren, welche ihre aus der Construction hervorgegangn« Ueberlegenheit der Wirkung in dem letzten Kriege mit Frankreich gegenüber der französischen Artillerie in so markanter Weise an den Tag legten. Die Hinterladung war also, wie gesagt, die unerläßliche Bedingung für die von Armstrong richtig gewählte Art der Geschoßführung. Sehr eigenartig war die erste Verschlußvorrichtung, welche Armstrong anwendete. Hinter dem Ladungsraum war das Geschützrohr bis etwas unter den tiefsten Theil der Bohrung von oben vierkantig ausgestoßen, so daß man hier von oben ein ent¬ sprechend geformtes Stahlstück beweglich einlassen konnte. Eine in den hin¬ tersten Theil der Durchbohrung des Rohres eingreifende Hohlschraube drückte das eingesetzte Stahlstück, das ohne xikvs oder Zündlochstück, gegen den Ladungs¬ raum fest, so daß dadurch der Verschluß desselben bewirkt wurde. Vor dem Einsetzen des ohne xisos wurden durch die Hohlschraube von hinten Geschoß und Ladung an ihre Stelle gebracht. Die Entzündung der Ladung konnte erst erfolgen, nachdem das Zündlochstück eingesetzt war, weil dieses eben, wie der Namen besagt, das Zündloch enthielt. Es machte von vornherein Schwierig¬ keiten, die Berührungsflächen des vent xisve mit den Hinterflächen am Ladnngs- rnume so abzudichten, daß ein Durchschlagen der Pulvergase nach hinten ganz ausgeschlossen worden wäre; die durchschlagenden Stichflammen machten ihre verderbliche Wirkung an diesen Theilen geltend, die Lideruug, wie man es nennt, war keine genügende. Dann aber war es, nach Armstrongs eigner Aus¬ sage, von der größten Schwierigkeit, für die Verschlußstücke wie für die Hohl¬ schraube Stahlarten von solcher Beschaffenheit zu bekommen, daß sie völlige Sicherung vor Stauchungen und vor Zertrümmerung gewährten. Bei Kriegs- ereignissen in China und in Japan machte man darin einige sehr bedenkliche Erfahrungen, und man mußte zugestehen, daß es doch etwas voreilig gewesen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/545>, abgerufen am 01.09.2024.