Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Ausfall der Wahlen in Frankreich.

Wahlurueu zu Gunsten der jetzigen Einrichtungen und der Sache ruhiger innerer
Reform ausgesprochen hat.

Das große Resultat, welches die Republikaner bei den Wahlen erreicht
haben, läßt sich aus verschiedne Ursachen zurückführen. Zunächst ist die Re¬
publik bisher -- von der im ganzen nicht sehr bedeutenden tunesischen Expedition
abgesehen -- der Friede gewesen, und die ungeheure Majorität der Franzosen
wünscht den Frieden. Namentlich das Landvolk fürchtete zu allen Zeiten und
fürchtet namentlich seit dem Kampfe mit Deutschland den Krieg wie das Feuer.
Jeder der Prätendenten für den Thron hätte über kurz oder lang, um sich zu
behaupten, Krieg führen müssen, die Republik hat das nicht nöthig. Sie hat
sich behauptet, sich von Jahr zu Jahr mehr befestigt, sie steht geachtet da im
Kreise der Nationen, und ihre Stimme gilt in deren Rathe voll und ganz, was
sie werth ist, und wird diese Geltung behalten.

Eine andre Ursache ist der Zusammenbruch der Hoffnungen der Parteien,
die sich um die Bewerber um die Krone Frankreichs gesammelt hatten und in
den ersten Jahren der Republik als sehr starke und gefährliche Gegner der Re¬
publik erschienen. Dies gilt namentlich von den Bonapartisten, die vorzüglich
im Heere und in der Verwaltung zahlreiche Anhänger zählten. Der frühzeitige
Tod des Erben des Empire unter den Assagaien der Zulus machte ihren Hoff¬
nungen ein Ende. Wäre der kaiserliche Prinz am Leben geblieben, so würde
die Geschichte vermuthlich einst von einem Napoleon IV. zu erzählen gehabt
haben. Er war mit seinein Erbrecht die Fahne, welche die Partei zusammen¬
hielt, und sein frühzeitig sich entwickelnder Unternehmungsgeist versprach ihr
einen rührigen Führer. Der "rothe Prinz" vermochte ihn nicht zu ersetzen, die
Partei zerfiel, und jetzt kann man sie kaum noch als eine organisirte politische
Körperschaft betrachten. So sah die Republik offnes Feld und glatte Bahn vor
sich, und dieser Umstand ist zweifelsohne eine der Hauptursachen, wenn sich
rasch ein gründlicher Umschwung im politischen Denken und Hoffen der Franzosen
vollzogen und sich der Glaube gebildet und fortwährend weiter ausgebreitet,
fortwährend tiefere Wurzeln geschlagen hat, daß kein andres Heil für Frankreich
zu finden ist, als ein Regiment nach republikanischen Formen und Grundsätzen.

Sehen wir uns noch nach andern Ursachen um, welche das Gedeihen und
die Befestigung der republikanische" Idee in Frankreich gefördert und selbst viele
der bouapartistisch gesinnten Bauern und andre in den Phantasmagorien der
napoleonischen Legende befangne in stramme Republikaner verwandelt haben, so
stehen wir nicht an, auf die Thätigkeit Gambcttas hinzuweisend Wir haben
seine Schwächen nie verschwiegen, und wir bekennen uns zu der Meinung, daß
^' erst noch in verantwortlicher Stellung zu beweisen haben wird, ob er wirklich
^' große Politiker ist, als welcher er vielen erscheint. Das kann uus aber
uicht hindern, anzuerkennen, daß er sich um die republikanische Sache in den
Jahren nach 1871 erhebliche Verdienste erworben hat. Er mag mit ihr per-


Der Ausfall der Wahlen in Frankreich.

Wahlurueu zu Gunsten der jetzigen Einrichtungen und der Sache ruhiger innerer
Reform ausgesprochen hat.

Das große Resultat, welches die Republikaner bei den Wahlen erreicht
haben, läßt sich aus verschiedne Ursachen zurückführen. Zunächst ist die Re¬
publik bisher — von der im ganzen nicht sehr bedeutenden tunesischen Expedition
abgesehen — der Friede gewesen, und die ungeheure Majorität der Franzosen
wünscht den Frieden. Namentlich das Landvolk fürchtete zu allen Zeiten und
fürchtet namentlich seit dem Kampfe mit Deutschland den Krieg wie das Feuer.
Jeder der Prätendenten für den Thron hätte über kurz oder lang, um sich zu
behaupten, Krieg führen müssen, die Republik hat das nicht nöthig. Sie hat
sich behauptet, sich von Jahr zu Jahr mehr befestigt, sie steht geachtet da im
Kreise der Nationen, und ihre Stimme gilt in deren Rathe voll und ganz, was
sie werth ist, und wird diese Geltung behalten.

Eine andre Ursache ist der Zusammenbruch der Hoffnungen der Parteien,
die sich um die Bewerber um die Krone Frankreichs gesammelt hatten und in
den ersten Jahren der Republik als sehr starke und gefährliche Gegner der Re¬
publik erschienen. Dies gilt namentlich von den Bonapartisten, die vorzüglich
im Heere und in der Verwaltung zahlreiche Anhänger zählten. Der frühzeitige
Tod des Erben des Empire unter den Assagaien der Zulus machte ihren Hoff¬
nungen ein Ende. Wäre der kaiserliche Prinz am Leben geblieben, so würde
die Geschichte vermuthlich einst von einem Napoleon IV. zu erzählen gehabt
haben. Er war mit seinein Erbrecht die Fahne, welche die Partei zusammen¬
hielt, und sein frühzeitig sich entwickelnder Unternehmungsgeist versprach ihr
einen rührigen Führer. Der „rothe Prinz" vermochte ihn nicht zu ersetzen, die
Partei zerfiel, und jetzt kann man sie kaum noch als eine organisirte politische
Körperschaft betrachten. So sah die Republik offnes Feld und glatte Bahn vor
sich, und dieser Umstand ist zweifelsohne eine der Hauptursachen, wenn sich
rasch ein gründlicher Umschwung im politischen Denken und Hoffen der Franzosen
vollzogen und sich der Glaube gebildet und fortwährend weiter ausgebreitet,
fortwährend tiefere Wurzeln geschlagen hat, daß kein andres Heil für Frankreich
zu finden ist, als ein Regiment nach republikanischen Formen und Grundsätzen.

Sehen wir uns noch nach andern Ursachen um, welche das Gedeihen und
die Befestigung der republikanische» Idee in Frankreich gefördert und selbst viele
der bouapartistisch gesinnten Bauern und andre in den Phantasmagorien der
napoleonischen Legende befangne in stramme Republikaner verwandelt haben, so
stehen wir nicht an, auf die Thätigkeit Gambcttas hinzuweisend Wir haben
seine Schwächen nie verschwiegen, und wir bekennen uns zu der Meinung, daß
^' erst noch in verantwortlicher Stellung zu beweisen haben wird, ob er wirklich
^' große Politiker ist, als welcher er vielen erscheint. Das kann uus aber
uicht hindern, anzuerkennen, daß er sich um die republikanische Sache in den
Jahren nach 1871 erhebliche Verdienste erworben hat. Er mag mit ihr per-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0403" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150553"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Ausfall der Wahlen in Frankreich.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1292" prev="#ID_1291"> Wahlurueu zu Gunsten der jetzigen Einrichtungen und der Sache ruhiger innerer<lb/>
Reform ausgesprochen hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1293"> Das große Resultat, welches die Republikaner bei den Wahlen erreicht<lb/>
haben, läßt sich aus verschiedne Ursachen zurückführen. Zunächst ist die Re¬<lb/>
publik bisher &#x2014; von der im ganzen nicht sehr bedeutenden tunesischen Expedition<lb/>
abgesehen &#x2014; der Friede gewesen, und die ungeheure Majorität der Franzosen<lb/>
wünscht den Frieden. Namentlich das Landvolk fürchtete zu allen Zeiten und<lb/>
fürchtet namentlich seit dem Kampfe mit Deutschland den Krieg wie das Feuer.<lb/>
Jeder der Prätendenten für den Thron hätte über kurz oder lang, um sich zu<lb/>
behaupten, Krieg führen müssen, die Republik hat das nicht nöthig. Sie hat<lb/>
sich behauptet, sich von Jahr zu Jahr mehr befestigt, sie steht geachtet da im<lb/>
Kreise der Nationen, und ihre Stimme gilt in deren Rathe voll und ganz, was<lb/>
sie werth ist, und wird diese Geltung behalten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1294"> Eine andre Ursache ist der Zusammenbruch der Hoffnungen der Parteien,<lb/>
die sich um die Bewerber um die Krone Frankreichs gesammelt hatten und in<lb/>
den ersten Jahren der Republik als sehr starke und gefährliche Gegner der Re¬<lb/>
publik erschienen. Dies gilt namentlich von den Bonapartisten, die vorzüglich<lb/>
im Heere und in der Verwaltung zahlreiche Anhänger zählten. Der frühzeitige<lb/>
Tod des Erben des Empire unter den Assagaien der Zulus machte ihren Hoff¬<lb/>
nungen ein Ende. Wäre der kaiserliche Prinz am Leben geblieben, so würde<lb/>
die Geschichte vermuthlich einst von einem Napoleon IV. zu erzählen gehabt<lb/>
haben. Er war mit seinein Erbrecht die Fahne, welche die Partei zusammen¬<lb/>
hielt, und sein frühzeitig sich entwickelnder Unternehmungsgeist versprach ihr<lb/>
einen rührigen Führer. Der &#x201E;rothe Prinz" vermochte ihn nicht zu ersetzen, die<lb/>
Partei zerfiel, und jetzt kann man sie kaum noch als eine organisirte politische<lb/>
Körperschaft betrachten. So sah die Republik offnes Feld und glatte Bahn vor<lb/>
sich, und dieser Umstand ist zweifelsohne eine der Hauptursachen, wenn sich<lb/>
rasch ein gründlicher Umschwung im politischen Denken und Hoffen der Franzosen<lb/>
vollzogen und sich der Glaube gebildet und fortwährend weiter ausgebreitet,<lb/>
fortwährend tiefere Wurzeln geschlagen hat, daß kein andres Heil für Frankreich<lb/>
zu finden ist, als ein Regiment nach republikanischen Formen und Grundsätzen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1295" next="#ID_1296"> Sehen wir uns noch nach andern Ursachen um, welche das Gedeihen und<lb/>
die Befestigung der republikanische» Idee in Frankreich gefördert und selbst viele<lb/>
der bouapartistisch gesinnten Bauern und andre in den Phantasmagorien der<lb/>
napoleonischen Legende befangne in stramme Republikaner verwandelt haben, so<lb/>
stehen wir nicht an, auf die Thätigkeit Gambcttas hinzuweisend Wir haben<lb/>
seine Schwächen nie verschwiegen, und wir bekennen uns zu der Meinung, daß<lb/>
^' erst noch in verantwortlicher Stellung zu beweisen haben wird, ob er wirklich<lb/>
^' große Politiker ist, als welcher er vielen erscheint. Das kann uus aber<lb/>
uicht hindern, anzuerkennen, daß er sich um die republikanische Sache in den<lb/>
Jahren nach 1871 erhebliche Verdienste erworben hat. Er mag mit ihr per-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0403] Der Ausfall der Wahlen in Frankreich. Wahlurueu zu Gunsten der jetzigen Einrichtungen und der Sache ruhiger innerer Reform ausgesprochen hat. Das große Resultat, welches die Republikaner bei den Wahlen erreicht haben, läßt sich aus verschiedne Ursachen zurückführen. Zunächst ist die Re¬ publik bisher — von der im ganzen nicht sehr bedeutenden tunesischen Expedition abgesehen — der Friede gewesen, und die ungeheure Majorität der Franzosen wünscht den Frieden. Namentlich das Landvolk fürchtete zu allen Zeiten und fürchtet namentlich seit dem Kampfe mit Deutschland den Krieg wie das Feuer. Jeder der Prätendenten für den Thron hätte über kurz oder lang, um sich zu behaupten, Krieg führen müssen, die Republik hat das nicht nöthig. Sie hat sich behauptet, sich von Jahr zu Jahr mehr befestigt, sie steht geachtet da im Kreise der Nationen, und ihre Stimme gilt in deren Rathe voll und ganz, was sie werth ist, und wird diese Geltung behalten. Eine andre Ursache ist der Zusammenbruch der Hoffnungen der Parteien, die sich um die Bewerber um die Krone Frankreichs gesammelt hatten und in den ersten Jahren der Republik als sehr starke und gefährliche Gegner der Re¬ publik erschienen. Dies gilt namentlich von den Bonapartisten, die vorzüglich im Heere und in der Verwaltung zahlreiche Anhänger zählten. Der frühzeitige Tod des Erben des Empire unter den Assagaien der Zulus machte ihren Hoff¬ nungen ein Ende. Wäre der kaiserliche Prinz am Leben geblieben, so würde die Geschichte vermuthlich einst von einem Napoleon IV. zu erzählen gehabt haben. Er war mit seinein Erbrecht die Fahne, welche die Partei zusammen¬ hielt, und sein frühzeitig sich entwickelnder Unternehmungsgeist versprach ihr einen rührigen Führer. Der „rothe Prinz" vermochte ihn nicht zu ersetzen, die Partei zerfiel, und jetzt kann man sie kaum noch als eine organisirte politische Körperschaft betrachten. So sah die Republik offnes Feld und glatte Bahn vor sich, und dieser Umstand ist zweifelsohne eine der Hauptursachen, wenn sich rasch ein gründlicher Umschwung im politischen Denken und Hoffen der Franzosen vollzogen und sich der Glaube gebildet und fortwährend weiter ausgebreitet, fortwährend tiefere Wurzeln geschlagen hat, daß kein andres Heil für Frankreich zu finden ist, als ein Regiment nach republikanischen Formen und Grundsätzen. Sehen wir uns noch nach andern Ursachen um, welche das Gedeihen und die Befestigung der republikanische» Idee in Frankreich gefördert und selbst viele der bouapartistisch gesinnten Bauern und andre in den Phantasmagorien der napoleonischen Legende befangne in stramme Republikaner verwandelt haben, so stehen wir nicht an, auf die Thätigkeit Gambcttas hinzuweisend Wir haben seine Schwächen nie verschwiegen, und wir bekennen uns zu der Meinung, daß ^' erst noch in verantwortlicher Stellung zu beweisen haben wird, ob er wirklich ^' große Politiker ist, als welcher er vielen erscheint. Das kann uus aber uicht hindern, anzuerkennen, daß er sich um die republikanische Sache in den Jahren nach 1871 erhebliche Verdienste erworben hat. Er mag mit ihr per-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/403
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/403>, abgerufen am 23.11.2024.