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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die Düsseldorfer Schule.

mit der Trostlosigkeit einer verkümmerten Nntur förmlich kokettiren, ist mich Georg
Oeder (1846 in Aachen geboren). Er war ursprünglich Landwirth und fing
erst seit 1869 an, sich mit der Malerei als Autodidakt zu beschäftigen. Er
machte Studienreisen nach dem bairischen Gebirge, nach Westfalen und Holland
und ließ sich dann in Düsseldorf nieder. Seinen Landschaften, welche die Natur
von ihrer Schattenseite schildern -- am geläufigsten ist ihm die Hcrbststimmung --,
ist tief empfundene Wahrheit der Charakteristik und Kraft der Stimmung nicht
abzusprechen. Aber die Wahrheit geht ihm über die Schönheit, und so machen
seine nur auf Ton-, nicht Formenwirkuug ausgehenden Bilder in coloristischer
Hinsicht einen unbefriedigender Eindruck. Daß man auch Herbstlandschaften mit
ihren vorwiegend bräunlichen Tönen zu einer harmonischen Farbenwirkung her¬
aufmalen kann, beweist am besten Christian Kröner, ebenfalls ein Künstler,
der sich allein ohne fremde Anleitung emporgearbeitet hat. Er wurde am
3. Februar 1838 in Rinteln geboren und widmete sich dem Berufe seines
Bruders, eines Decorationsmalers. Merkwürdigerweise ist von dieser seiner
ersten Beschäftigung heute in seinen Arbeiten, die sich gerade durch sorgsamste
Ausführung der Details auszeichnen, nichts zu spüren. In seinem dreiund¬
zwanzigsten Jahre faßte er den Entschluß, auf eigne Hand "Kunstmaler" zu
werden. Er ging ins bairische Gebirge, dann nach München und endlich nach
Düsseldorf, wo er in dem Landschaftsmaler Louis Hugo Becker (1834--1868)
einen Freund fand, der ihn ermunterte, auch unter mißlichen Verhältnissen und
entmuthigenden Erfahrungen auf dem einmal betretenen Wege zu bleiben. Becker
war ein Schüler Schirmers und Gudes gewesen, und so mag dnrch den Ver¬
kehr mit jenem manches von der alten Tradition auf den jungen Kröner, der
sich sonst von der Akademie fern hielt, übergegangen sein. Neben dem Studium
des heimatlichen Waldes gab sich Kröner als passionirter Jäger auch dem
Studium des Roth- und Schwarzwildes hin, und bald erreichte er in der
Charakteristik der Thierindividualität und in der Schilderung des Thierlebens
im Walde eine solche Virtuosität, daß alle materiellen Hindernisse aus dem
Wege geräumt werden konnten. Er machte nun zahlreiche Studienreisen nach
dem Salzkammergut, dem Harz, der Nordsee und nach Rügen; sein Lieblings-
aufenthalt wurde aber der Teutoburgerwald, insbesondre die Gegend der Extern¬
steine. Auf seinen Gemälden verschmilzt Thier und Landschaft zu einem ein¬
heitlichen Ganzen, ungefähr wie auf den Bildern der beiden Ueberhand die
figürliche Staffage mit der landschaftlichen Scenerie. Die Feinheit der Luft¬
stimmung wetteifert mit der unübertrefflich wahren, bei aller realistischen Durch¬
suchung doch poetischen, beinahe großartigen Auffassung der Thiere. Am schönsten
gelingt ihm die jungfräuliche Natur des Waldes, dessen Ruhe noch kein mensch¬
licher Fuß gestört, wenn des Morgens die Nebel über Höhen und Thäler wallen
und der Hirsch, die Morgenfrühe witternd, aus dem Dickicht Herallstritt und
Umschau hält, bevor ihm seine Thiere folgen dürfen. Auch den Moment vor


Die Düsseldorfer Schule.

mit der Trostlosigkeit einer verkümmerten Nntur förmlich kokettiren, ist mich Georg
Oeder (1846 in Aachen geboren). Er war ursprünglich Landwirth und fing
erst seit 1869 an, sich mit der Malerei als Autodidakt zu beschäftigen. Er
machte Studienreisen nach dem bairischen Gebirge, nach Westfalen und Holland
und ließ sich dann in Düsseldorf nieder. Seinen Landschaften, welche die Natur
von ihrer Schattenseite schildern — am geläufigsten ist ihm die Hcrbststimmung —,
ist tief empfundene Wahrheit der Charakteristik und Kraft der Stimmung nicht
abzusprechen. Aber die Wahrheit geht ihm über die Schönheit, und so machen
seine nur auf Ton-, nicht Formenwirkuug ausgehenden Bilder in coloristischer
Hinsicht einen unbefriedigender Eindruck. Daß man auch Herbstlandschaften mit
ihren vorwiegend bräunlichen Tönen zu einer harmonischen Farbenwirkung her¬
aufmalen kann, beweist am besten Christian Kröner, ebenfalls ein Künstler,
der sich allein ohne fremde Anleitung emporgearbeitet hat. Er wurde am
3. Februar 1838 in Rinteln geboren und widmete sich dem Berufe seines
Bruders, eines Decorationsmalers. Merkwürdigerweise ist von dieser seiner
ersten Beschäftigung heute in seinen Arbeiten, die sich gerade durch sorgsamste
Ausführung der Details auszeichnen, nichts zu spüren. In seinem dreiund¬
zwanzigsten Jahre faßte er den Entschluß, auf eigne Hand „Kunstmaler" zu
werden. Er ging ins bairische Gebirge, dann nach München und endlich nach
Düsseldorf, wo er in dem Landschaftsmaler Louis Hugo Becker (1834—1868)
einen Freund fand, der ihn ermunterte, auch unter mißlichen Verhältnissen und
entmuthigenden Erfahrungen auf dem einmal betretenen Wege zu bleiben. Becker
war ein Schüler Schirmers und Gudes gewesen, und so mag dnrch den Ver¬
kehr mit jenem manches von der alten Tradition auf den jungen Kröner, der
sich sonst von der Akademie fern hielt, übergegangen sein. Neben dem Studium
des heimatlichen Waldes gab sich Kröner als passionirter Jäger auch dem
Studium des Roth- und Schwarzwildes hin, und bald erreichte er in der
Charakteristik der Thierindividualität und in der Schilderung des Thierlebens
im Walde eine solche Virtuosität, daß alle materiellen Hindernisse aus dem
Wege geräumt werden konnten. Er machte nun zahlreiche Studienreisen nach
dem Salzkammergut, dem Harz, der Nordsee und nach Rügen; sein Lieblings-
aufenthalt wurde aber der Teutoburgerwald, insbesondre die Gegend der Extern¬
steine. Auf seinen Gemälden verschmilzt Thier und Landschaft zu einem ein¬
heitlichen Ganzen, ungefähr wie auf den Bildern der beiden Ueberhand die
figürliche Staffage mit der landschaftlichen Scenerie. Die Feinheit der Luft¬
stimmung wetteifert mit der unübertrefflich wahren, bei aller realistischen Durch¬
suchung doch poetischen, beinahe großartigen Auffassung der Thiere. Am schönsten
gelingt ihm die jungfräuliche Natur des Waldes, dessen Ruhe noch kein mensch¬
licher Fuß gestört, wenn des Morgens die Nebel über Höhen und Thäler wallen
und der Hirsch, die Morgenfrühe witternd, aus dem Dickicht Herallstritt und
Umschau hält, bevor ihm seine Thiere folgen dürfen. Auch den Moment vor


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[0398] Die Düsseldorfer Schule. mit der Trostlosigkeit einer verkümmerten Nntur förmlich kokettiren, ist mich Georg Oeder (1846 in Aachen geboren). Er war ursprünglich Landwirth und fing erst seit 1869 an, sich mit der Malerei als Autodidakt zu beschäftigen. Er machte Studienreisen nach dem bairischen Gebirge, nach Westfalen und Holland und ließ sich dann in Düsseldorf nieder. Seinen Landschaften, welche die Natur von ihrer Schattenseite schildern — am geläufigsten ist ihm die Hcrbststimmung —, ist tief empfundene Wahrheit der Charakteristik und Kraft der Stimmung nicht abzusprechen. Aber die Wahrheit geht ihm über die Schönheit, und so machen seine nur auf Ton-, nicht Formenwirkuug ausgehenden Bilder in coloristischer Hinsicht einen unbefriedigender Eindruck. Daß man auch Herbstlandschaften mit ihren vorwiegend bräunlichen Tönen zu einer harmonischen Farbenwirkung her¬ aufmalen kann, beweist am besten Christian Kröner, ebenfalls ein Künstler, der sich allein ohne fremde Anleitung emporgearbeitet hat. Er wurde am 3. Februar 1838 in Rinteln geboren und widmete sich dem Berufe seines Bruders, eines Decorationsmalers. Merkwürdigerweise ist von dieser seiner ersten Beschäftigung heute in seinen Arbeiten, die sich gerade durch sorgsamste Ausführung der Details auszeichnen, nichts zu spüren. In seinem dreiund¬ zwanzigsten Jahre faßte er den Entschluß, auf eigne Hand „Kunstmaler" zu werden. Er ging ins bairische Gebirge, dann nach München und endlich nach Düsseldorf, wo er in dem Landschaftsmaler Louis Hugo Becker (1834—1868) einen Freund fand, der ihn ermunterte, auch unter mißlichen Verhältnissen und entmuthigenden Erfahrungen auf dem einmal betretenen Wege zu bleiben. Becker war ein Schüler Schirmers und Gudes gewesen, und so mag dnrch den Ver¬ kehr mit jenem manches von der alten Tradition auf den jungen Kröner, der sich sonst von der Akademie fern hielt, übergegangen sein. Neben dem Studium des heimatlichen Waldes gab sich Kröner als passionirter Jäger auch dem Studium des Roth- und Schwarzwildes hin, und bald erreichte er in der Charakteristik der Thierindividualität und in der Schilderung des Thierlebens im Walde eine solche Virtuosität, daß alle materiellen Hindernisse aus dem Wege geräumt werden konnten. Er machte nun zahlreiche Studienreisen nach dem Salzkammergut, dem Harz, der Nordsee und nach Rügen; sein Lieblings- aufenthalt wurde aber der Teutoburgerwald, insbesondre die Gegend der Extern¬ steine. Auf seinen Gemälden verschmilzt Thier und Landschaft zu einem ein¬ heitlichen Ganzen, ungefähr wie auf den Bildern der beiden Ueberhand die figürliche Staffage mit der landschaftlichen Scenerie. Die Feinheit der Luft¬ stimmung wetteifert mit der unübertrefflich wahren, bei aller realistischen Durch¬ suchung doch poetischen, beinahe großartigen Auffassung der Thiere. Am schönsten gelingt ihm die jungfräuliche Natur des Waldes, dessen Ruhe noch kein mensch¬ licher Fuß gestört, wenn des Morgens die Nebel über Höhen und Thäler wallen und der Hirsch, die Morgenfrühe witternd, aus dem Dickicht Herallstritt und Umschau hält, bevor ihm seine Thiere folgen dürfen. Auch den Moment vor

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/398>, abgerufen am 23.11.2024.