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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die Lösung der lVallcnstoinfrago.

Das "Geueral-Rendez-vous" habe am 22. Februar auf dem Weißen Berge bei
Prag stattfinden sollen, ,,allda er das kais, Volk hat wollen ihme in einem Ring
schwören lassen und wer sich nicht hätt wöllen darzu bequemen, den hätt man
auf gut Friedländcrisch um den Kopf kürzer gemacht oder an einem Hanfkörn¬
lein erstickt/'

Dann folgt die L.poIoAM, welche seit ihrer Veröffentlichung durch Arelim
als das Product von Butler, Gordon und Leslie angesehen wurde und deshalb
in Bezug auf die thatsächlichen Vorgänge zu Eger vor allen andern Schriften
Glanben fand, Schedel hält deren Urheberschaft aber aus durchschlagenden Gründen
für unmöglich. Denn abgesehen davon, daß Leslie und Butler unmittelbar nach
der Blutthat Eger verließen, also an der vom 6, März 1634 datirten Schrift
keinen Antheil haben konnten, so unterscheidet sich dieselbe mich in der Haltung
wesentlich von dem gleich am 26. Februar an die kaiserlichen Offiziere gerichteten
Manifest Gordons und Butters. Die Schrift kann auch nicht in Eger ge¬
schrieben worden sein, wie der Satz am Ende beweist. "Dieß alles wird dnrch
eine absonderliche und ausführliche Deduction der werthen Christenheit und lieben
Pvstcrität vor Augen gestellt werden." Am 6. März konnte zu Eger noch gar
niemand wissen, daß in Wien an einer solchen Deduction gearbeitet wurde. Die
Schrift muß also in der Hauptstadt geschrieben worden sein. Auch hier hält
Schedel eine Beeinflussung durch Slawata nicht für unmöglich.

Die angekündigte Deduction war überschrieben .Ub> eil 1'riäis.iM poi'äuolliouis
"Imos Sipo ing'iÄti iminu ab^ssus. Schon Ranke hielt, weil Aufsätze Slawntas
im "Chaos" vorkommen, diesen für den intellectuellen Urheber. Nach Schedel
ist sie direct von Slawata geschrieben, und zwar der erste Theil schon vor 1632.
Die "Apologie" behauptet, daß Friedland von Anfang an mit Schweden im
Einvernehmen gestanden habe, und sieht zumal in allen Opemtioueu Wallen-
steins in dem Kriegsjahre 1633 Lug und Trug. Der sonderbare Länder- und
Güter-Vertheilungsplcm taucht auch hier wieder auf, ebenso die populär gewor¬
dene Geschichte der Clausel beim Pilsener Gastmahle und anderes, was zur Ver¬
dächtigung des Herzogs dienen konnte. "In dem Chaos," sagt Schedel, "ist
ein solcher Auswurf von Haß und Bosheit zugleich mit so viel Unsinn in Ent-
stellung und Deutung der Thatsachen aufgehäuft, daß es fast zur Unmöglichkeit
wird, es als das Product eines Menschen anzusehen, welcher sich im Zustande
der Willensfreiheit befindet. Es erscheint vielmehr wie der Ausbruch der Tob¬
sucht nach langem stillen Wahnsinn, wozu der über die Maßen glückliche Er¬
folg in der Richtung, nach welcher hin der Wahn trieb, vielleicht auch ein er¬
klärlicher Anlaß war."

Das officielle Manifest, betitelt: "Ausführlicher und gründlicher Bericht
der vvrgewesteu Fridlandischen und seiner Adhärentcu abscheulichen Prvdition"
hatte nach der bisherigen Annahme den Hofkriegsrath Johann Georg Preber
zum Verfasser. Aus einem Schreiben Slawatas an den Grafen Martinitz geht


Die Lösung der lVallcnstoinfrago.

Das „Geueral-Rendez-vous" habe am 22. Februar auf dem Weißen Berge bei
Prag stattfinden sollen, ,,allda er das kais, Volk hat wollen ihme in einem Ring
schwören lassen und wer sich nicht hätt wöllen darzu bequemen, den hätt man
auf gut Friedländcrisch um den Kopf kürzer gemacht oder an einem Hanfkörn¬
lein erstickt/'

Dann folgt die L.poIoAM, welche seit ihrer Veröffentlichung durch Arelim
als das Product von Butler, Gordon und Leslie angesehen wurde und deshalb
in Bezug auf die thatsächlichen Vorgänge zu Eger vor allen andern Schriften
Glanben fand, Schedel hält deren Urheberschaft aber aus durchschlagenden Gründen
für unmöglich. Denn abgesehen davon, daß Leslie und Butler unmittelbar nach
der Blutthat Eger verließen, also an der vom 6, März 1634 datirten Schrift
keinen Antheil haben konnten, so unterscheidet sich dieselbe mich in der Haltung
wesentlich von dem gleich am 26. Februar an die kaiserlichen Offiziere gerichteten
Manifest Gordons und Butters. Die Schrift kann auch nicht in Eger ge¬
schrieben worden sein, wie der Satz am Ende beweist. „Dieß alles wird dnrch
eine absonderliche und ausführliche Deduction der werthen Christenheit und lieben
Pvstcrität vor Augen gestellt werden." Am 6. März konnte zu Eger noch gar
niemand wissen, daß in Wien an einer solchen Deduction gearbeitet wurde. Die
Schrift muß also in der Hauptstadt geschrieben worden sein. Auch hier hält
Schedel eine Beeinflussung durch Slawata nicht für unmöglich.

Die angekündigte Deduction war überschrieben .Ub> eil 1'riäis.iM poi'äuolliouis
«Imos Sipo ing'iÄti iminu ab^ssus. Schon Ranke hielt, weil Aufsätze Slawntas
im „Chaos" vorkommen, diesen für den intellectuellen Urheber. Nach Schedel
ist sie direct von Slawata geschrieben, und zwar der erste Theil schon vor 1632.
Die „Apologie" behauptet, daß Friedland von Anfang an mit Schweden im
Einvernehmen gestanden habe, und sieht zumal in allen Opemtioueu Wallen-
steins in dem Kriegsjahre 1633 Lug und Trug. Der sonderbare Länder- und
Güter-Vertheilungsplcm taucht auch hier wieder auf, ebenso die populär gewor¬
dene Geschichte der Clausel beim Pilsener Gastmahle und anderes, was zur Ver¬
dächtigung des Herzogs dienen konnte. „In dem Chaos," sagt Schedel, „ist
ein solcher Auswurf von Haß und Bosheit zugleich mit so viel Unsinn in Ent-
stellung und Deutung der Thatsachen aufgehäuft, daß es fast zur Unmöglichkeit
wird, es als das Product eines Menschen anzusehen, welcher sich im Zustande
der Willensfreiheit befindet. Es erscheint vielmehr wie der Ausbruch der Tob¬
sucht nach langem stillen Wahnsinn, wozu der über die Maßen glückliche Er¬
folg in der Richtung, nach welcher hin der Wahn trieb, vielleicht auch ein er¬
klärlicher Anlaß war."

Das officielle Manifest, betitelt: „Ausführlicher und gründlicher Bericht
der vvrgewesteu Fridlandischen und seiner Adhärentcu abscheulichen Prvdition"
hatte nach der bisherigen Annahme den Hofkriegsrath Johann Georg Preber
zum Verfasser. Aus einem Schreiben Slawatas an den Grafen Martinitz geht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/374>, abgerufen am 01.09.2024.