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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die Lösung der Wallensteinfrage,

Wegs nur die inner" Angelegenheiten umfaßt, sondern er habe auch der äußern
Politik nicht fern gestanden, deren Interessen und treibende Kräfte, sowie deren
Rückwirkung auf die innern Verhältnisse er wohl gekannt habe, wie seine Stacits-
schrifteu bewiesen. Nicht bloß seine eigne schriftstellerische Gewandtheit sei staunens-
werth, sondern auch das Geschick und die Gelegenheit, sich in dieser Beziehung
andern dienstbar oder hilfsbereit zu machen und sie in der gleichen Richtung,
wie er sie selbst verfolgt, zu inspiriren und zu leiten. Natürlich habe ihn in
dieser Wirksamkeit seine Stellung als Leiter der böhmischen Hofkanzlei wesentlich
unterstützen müssen. Sie habe ihn über alle bedeutsamen Vorkommnisse beständig
auf dem Laufenden erhalten, mit der ganzen officiellen und diplomatische" Welt
i" Berührung gebracht oder ihm wenigstens den Verkehr mit derselben ermöglicht.

Als Grundzüge seines Charakters nennt Schedel Falschheit und Zähigkeit.
Im Gefolge der Falschheit aber hätten sich noch andre Untugenden bei ihm ein¬
gestellt: Verstellung, Lüge, Verschmitztheit, Heuchelei, Gleißnerei und Verleum¬
dung. Er, der fromme, gottesfürchtige Mann, sei selbst davor nicht zurückge¬
schreckt, zur Bekräftigung seiner bewußten Lügen Gott als Zeugen anzurufen.
Im Bunde mit seiner Zähigkeit hätten solche Eigenschaften jedem gefährlich werden
müssen, gegen den sie sich kehrten. Wallenstein aber sei der Gegenstand seines
glühenden Hasses gewesen. Ihn habe er proteusartig in den verschiedenste" Ge¬
stalten und mit den verschiedensten Waffen angegriffen. Ihn habe er mit den
verwerflichsten Mitteln bekämpft und endlich gestürzt.

Lassen wir jetzt die Frage, die jeder sofort aufwerfen wird, was Slawata
zu Wallensteins erbittertem Feinde machte, beiseite und folgen Schedel bei der
Durchmusterung der Schriftstücke, die ihm für Slawatns gehässige Gesinnung
gegen den Feldherrn zum Beweise dienen.

Zuerst besitzen wir aus den Jahren 1624--1625 eine Schrift Slawatas,
die er dem Kaiser übergab, um den damaligen Obersten von Prag, Wallenstein,
zu denunciren. Das Schreiben wirft in 42 Punkten Wallenstein Schmutz, Hab¬
sucht und Gewaltthätigkeit vor und beschuldigt ihn namentlich, keine Manns-
zucht halten zu können. Schon hier wird die Aeußerung Wallensteins vorge¬
bracht, daß ihm am militärischen Obereommando am meisten liege, mehr als an
seinem Fürstenthume, sowie die Anschuldigung, daß sein Heer der Mehrzahl nach
aus Ketzern bestehe, und "schon hier ist Slawata bemüht, seiue Angaben nicht
mit seinen: Namen, sondern mit fremder Autorität zu decken." Daß übrigens die
Anklagen aus der Luft gegriffen sind, kann niemand leugnen. Wer möchte heute
wagen, den Mann der emsigsten Thätigkeit faul, den königlich freigebigen geizig
und den Ehegatten, auf dessen Familienleben auch nicht ein Schatten fällt, ehe¬
brecherisch zu nennen? Und hat wohl einer eine eisernere Disciplin als der
Friedländer ausgeübt?

Noch aber stand Wallenstein in des Kaisers Gunst zu hoch, als daß Slawatas
Verleumdungen el" williges Ohr gefunden hätten. Slawata trat daher in Corre-


Grenzboten III. 1S31. 46
Die Lösung der Wallensteinfrage,

Wegs nur die inner» Angelegenheiten umfaßt, sondern er habe auch der äußern
Politik nicht fern gestanden, deren Interessen und treibende Kräfte, sowie deren
Rückwirkung auf die innern Verhältnisse er wohl gekannt habe, wie seine Stacits-
schrifteu bewiesen. Nicht bloß seine eigne schriftstellerische Gewandtheit sei staunens-
werth, sondern auch das Geschick und die Gelegenheit, sich in dieser Beziehung
andern dienstbar oder hilfsbereit zu machen und sie in der gleichen Richtung,
wie er sie selbst verfolgt, zu inspiriren und zu leiten. Natürlich habe ihn in
dieser Wirksamkeit seine Stellung als Leiter der böhmischen Hofkanzlei wesentlich
unterstützen müssen. Sie habe ihn über alle bedeutsamen Vorkommnisse beständig
auf dem Laufenden erhalten, mit der ganzen officiellen und diplomatische» Welt
i» Berührung gebracht oder ihm wenigstens den Verkehr mit derselben ermöglicht.

Als Grundzüge seines Charakters nennt Schedel Falschheit und Zähigkeit.
Im Gefolge der Falschheit aber hätten sich noch andre Untugenden bei ihm ein¬
gestellt: Verstellung, Lüge, Verschmitztheit, Heuchelei, Gleißnerei und Verleum¬
dung. Er, der fromme, gottesfürchtige Mann, sei selbst davor nicht zurückge¬
schreckt, zur Bekräftigung seiner bewußten Lügen Gott als Zeugen anzurufen.
Im Bunde mit seiner Zähigkeit hätten solche Eigenschaften jedem gefährlich werden
müssen, gegen den sie sich kehrten. Wallenstein aber sei der Gegenstand seines
glühenden Hasses gewesen. Ihn habe er proteusartig in den verschiedenste» Ge¬
stalten und mit den verschiedensten Waffen angegriffen. Ihn habe er mit den
verwerflichsten Mitteln bekämpft und endlich gestürzt.

Lassen wir jetzt die Frage, die jeder sofort aufwerfen wird, was Slawata
zu Wallensteins erbittertem Feinde machte, beiseite und folgen Schedel bei der
Durchmusterung der Schriftstücke, die ihm für Slawatns gehässige Gesinnung
gegen den Feldherrn zum Beweise dienen.

Zuerst besitzen wir aus den Jahren 1624—1625 eine Schrift Slawatas,
die er dem Kaiser übergab, um den damaligen Obersten von Prag, Wallenstein,
zu denunciren. Das Schreiben wirft in 42 Punkten Wallenstein Schmutz, Hab¬
sucht und Gewaltthätigkeit vor und beschuldigt ihn namentlich, keine Manns-
zucht halten zu können. Schon hier wird die Aeußerung Wallensteins vorge¬
bracht, daß ihm am militärischen Obereommando am meisten liege, mehr als an
seinem Fürstenthume, sowie die Anschuldigung, daß sein Heer der Mehrzahl nach
aus Ketzern bestehe, und „schon hier ist Slawata bemüht, seiue Angaben nicht
mit seinen: Namen, sondern mit fremder Autorität zu decken." Daß übrigens die
Anklagen aus der Luft gegriffen sind, kann niemand leugnen. Wer möchte heute
wagen, den Mann der emsigsten Thätigkeit faul, den königlich freigebigen geizig
und den Ehegatten, auf dessen Familienleben auch nicht ein Schatten fällt, ehe¬
brecherisch zu nennen? Und hat wohl einer eine eisernere Disciplin als der
Friedländer ausgeübt?

Noch aber stand Wallenstein in des Kaisers Gunst zu hoch, als daß Slawatas
Verleumdungen el» williges Ohr gefunden hätten. Slawata trat daher in Corre-


Grenzboten III. 1S31. 46
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[0369] Die Lösung der Wallensteinfrage, Wegs nur die inner» Angelegenheiten umfaßt, sondern er habe auch der äußern Politik nicht fern gestanden, deren Interessen und treibende Kräfte, sowie deren Rückwirkung auf die innern Verhältnisse er wohl gekannt habe, wie seine Stacits- schrifteu bewiesen. Nicht bloß seine eigne schriftstellerische Gewandtheit sei staunens- werth, sondern auch das Geschick und die Gelegenheit, sich in dieser Beziehung andern dienstbar oder hilfsbereit zu machen und sie in der gleichen Richtung, wie er sie selbst verfolgt, zu inspiriren und zu leiten. Natürlich habe ihn in dieser Wirksamkeit seine Stellung als Leiter der böhmischen Hofkanzlei wesentlich unterstützen müssen. Sie habe ihn über alle bedeutsamen Vorkommnisse beständig auf dem Laufenden erhalten, mit der ganzen officiellen und diplomatische» Welt i» Berührung gebracht oder ihm wenigstens den Verkehr mit derselben ermöglicht. Als Grundzüge seines Charakters nennt Schedel Falschheit und Zähigkeit. Im Gefolge der Falschheit aber hätten sich noch andre Untugenden bei ihm ein¬ gestellt: Verstellung, Lüge, Verschmitztheit, Heuchelei, Gleißnerei und Verleum¬ dung. Er, der fromme, gottesfürchtige Mann, sei selbst davor nicht zurückge¬ schreckt, zur Bekräftigung seiner bewußten Lügen Gott als Zeugen anzurufen. Im Bunde mit seiner Zähigkeit hätten solche Eigenschaften jedem gefährlich werden müssen, gegen den sie sich kehrten. Wallenstein aber sei der Gegenstand seines glühenden Hasses gewesen. Ihn habe er proteusartig in den verschiedenste» Ge¬ stalten und mit den verschiedensten Waffen angegriffen. Ihn habe er mit den verwerflichsten Mitteln bekämpft und endlich gestürzt. Lassen wir jetzt die Frage, die jeder sofort aufwerfen wird, was Slawata zu Wallensteins erbittertem Feinde machte, beiseite und folgen Schedel bei der Durchmusterung der Schriftstücke, die ihm für Slawatns gehässige Gesinnung gegen den Feldherrn zum Beweise dienen. Zuerst besitzen wir aus den Jahren 1624—1625 eine Schrift Slawatas, die er dem Kaiser übergab, um den damaligen Obersten von Prag, Wallenstein, zu denunciren. Das Schreiben wirft in 42 Punkten Wallenstein Schmutz, Hab¬ sucht und Gewaltthätigkeit vor und beschuldigt ihn namentlich, keine Manns- zucht halten zu können. Schon hier wird die Aeußerung Wallensteins vorge¬ bracht, daß ihm am militärischen Obereommando am meisten liege, mehr als an seinem Fürstenthume, sowie die Anschuldigung, daß sein Heer der Mehrzahl nach aus Ketzern bestehe, und „schon hier ist Slawata bemüht, seiue Angaben nicht mit seinen: Namen, sondern mit fremder Autorität zu decken." Daß übrigens die Anklagen aus der Luft gegriffen sind, kann niemand leugnen. Wer möchte heute wagen, den Mann der emsigsten Thätigkeit faul, den königlich freigebigen geizig und den Ehegatten, auf dessen Familienleben auch nicht ein Schatten fällt, ehe¬ brecherisch zu nennen? Und hat wohl einer eine eisernere Disciplin als der Friedländer ausgeübt? Noch aber stand Wallenstein in des Kaisers Gunst zu hoch, als daß Slawatas Verleumdungen el» williges Ohr gefunden hätten. Slawata trat daher in Corre- Grenzboten III. 1S31. 46

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/369>, abgerufen am 01.09.2024.