Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Lösung der Wallensteinfrage.

er behandelt lediglich in der Einleitung zum zweiten Bande seines Werkes die
Ereignisse, die zur Egercr Katastrophe führte", und diese Katastrophe selbst über¬
sichtlich und in trefflicher Weise. In Hinsicht auf Wallensteins Charakter über¬
haupt schließt er sich der Ausfassung an, wie sie Ranke in großen, genialen Zügen
entwickelt hat. Auch nach seiner Ansicht hatte sich der Herzog, nachdem der
Bruch mit dein Kaiser erfolgt war, zu Verrätherischen Verhandlungen mit dem
Feinde entschlossen.

neuerdings hat nun Edmund Schedel einen werthvollen und höchst interes¬
santen Beitrag zur Wallensteinfragc geliefert,'^) in welchem er zu beweisen sucht,
daß von einem Verrathe des Herzogs von Friedland überhaupt nicht die Rede
sein könne, sondern daß dieser einzig und allein das Opfer seiner Gegner und
Neider geworden sei.

Um diesen Beweis zu liefern, geht Schedel mehr als irgend einer seiner
Vorgänger auf die Kritik der Quellen ein. Er analysirt alle Anschuldigungen,
sucht die Quelle jeder einzelnen Beschuldigung ans und prüft sie durch Vergleich
mit anderweit feststehenden Thatsachen oder sonst unzweifelhaft gegebenem auf
ihre Lauterkeit. Das Resultat der mit Fleiß und Scharfsinn geführten Unter¬
suchung ist so wichtig, daß es sich lohnt, auf die Hauptpunkte der Beweisführung
näher einzugehen.

Wallenstein war im Fluge von einem mäßig begüterten Edelmanne zum
reichsten Fürsten, zum ersten Manne Oesterreichs emporgestiegen. Namentlich
wahrend seines zweiten Generalats hatte er durch außerordentliche Vollmachten
eine Stellung errungen, wie sie in einem geordneten Staatswesen und unter einem
kräftigen Regenten nie hätte entstehen können. Ferdinand II. war aber, wie
Gindelh nachgewiesen hat, wohl ein glaubensstarker Fiirst, wofür man ihn immer
gehalten hat, aber auch ein äußerst willens- und regierungsschwacher Herrscher.
Inmitten der ungeheuern Schwierigkeiten, die ihm im Reiche und in seinen Ers¬
tanden erwuchsen, mußte es ihm in hohem Grade willkommen sein, einen Mann
voll Geist und Kraft zu finden, der ihm den schwersten Theil der Regierungs-
geschäfte, die Vertheidigung seiner Länder gegen äußere und innere Feinde, abnahm,
und dies unter Bedingungen, welche die in tiefster Zerrüttung befindlichen Finanzen
nicht allzusehr in Mitleidenschaft zogen. Ferdinand vergalt denn auch die großen
Dienste, durch welche Wallenstein ihn rettete, reichlich und bewahrte dem Fürsten
sein Vertrauen auch denn noch, als die Kurfürsten ihn zwangen, ihn seiner
Stellung zu entheben.

Wenn aber der Kaiser den so lange begünstigten endlich fallen ließ, so
erklärt sich dies durch den Umstand, daß es Personen gab, die unter dein schwachen
Kaiser selbst regieren wollten, was ihnen versagt blieb, so lange Friedland Einfluß



Die Lösung der Wallcnsteinfrage von Dr. Edmund Schedel. Berlin, Theodor
Hofmann, 1881. VII und "12 Seiten.
Die Lösung der Wallensteinfrage.

er behandelt lediglich in der Einleitung zum zweiten Bande seines Werkes die
Ereignisse, die zur Egercr Katastrophe führte«, und diese Katastrophe selbst über¬
sichtlich und in trefflicher Weise. In Hinsicht auf Wallensteins Charakter über¬
haupt schließt er sich der Ausfassung an, wie sie Ranke in großen, genialen Zügen
entwickelt hat. Auch nach seiner Ansicht hatte sich der Herzog, nachdem der
Bruch mit dein Kaiser erfolgt war, zu Verrätherischen Verhandlungen mit dem
Feinde entschlossen.

neuerdings hat nun Edmund Schedel einen werthvollen und höchst interes¬
santen Beitrag zur Wallensteinfragc geliefert,'^) in welchem er zu beweisen sucht,
daß von einem Verrathe des Herzogs von Friedland überhaupt nicht die Rede
sein könne, sondern daß dieser einzig und allein das Opfer seiner Gegner und
Neider geworden sei.

Um diesen Beweis zu liefern, geht Schedel mehr als irgend einer seiner
Vorgänger auf die Kritik der Quellen ein. Er analysirt alle Anschuldigungen,
sucht die Quelle jeder einzelnen Beschuldigung ans und prüft sie durch Vergleich
mit anderweit feststehenden Thatsachen oder sonst unzweifelhaft gegebenem auf
ihre Lauterkeit. Das Resultat der mit Fleiß und Scharfsinn geführten Unter¬
suchung ist so wichtig, daß es sich lohnt, auf die Hauptpunkte der Beweisführung
näher einzugehen.

Wallenstein war im Fluge von einem mäßig begüterten Edelmanne zum
reichsten Fürsten, zum ersten Manne Oesterreichs emporgestiegen. Namentlich
wahrend seines zweiten Generalats hatte er durch außerordentliche Vollmachten
eine Stellung errungen, wie sie in einem geordneten Staatswesen und unter einem
kräftigen Regenten nie hätte entstehen können. Ferdinand II. war aber, wie
Gindelh nachgewiesen hat, wohl ein glaubensstarker Fiirst, wofür man ihn immer
gehalten hat, aber auch ein äußerst willens- und regierungsschwacher Herrscher.
Inmitten der ungeheuern Schwierigkeiten, die ihm im Reiche und in seinen Ers¬
tanden erwuchsen, mußte es ihm in hohem Grade willkommen sein, einen Mann
voll Geist und Kraft zu finden, der ihm den schwersten Theil der Regierungs-
geschäfte, die Vertheidigung seiner Länder gegen äußere und innere Feinde, abnahm,
und dies unter Bedingungen, welche die in tiefster Zerrüttung befindlichen Finanzen
nicht allzusehr in Mitleidenschaft zogen. Ferdinand vergalt denn auch die großen
Dienste, durch welche Wallenstein ihn rettete, reichlich und bewahrte dem Fürsten
sein Vertrauen auch denn noch, als die Kurfürsten ihn zwangen, ihn seiner
Stellung zu entheben.

Wenn aber der Kaiser den so lange begünstigten endlich fallen ließ, so
erklärt sich dies durch den Umstand, daß es Personen gab, die unter dein schwachen
Kaiser selbst regieren wollten, was ihnen versagt blieb, so lange Friedland Einfluß



Die Lösung der Wallcnsteinfrage von Dr. Edmund Schedel. Berlin, Theodor
Hofmann, 1881. VII und «12 Seiten.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0367" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150517"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Lösung der Wallensteinfrage.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1158" prev="#ID_1157"> er behandelt lediglich in der Einleitung zum zweiten Bande seines Werkes die<lb/>
Ereignisse, die zur Egercr Katastrophe führte«, und diese Katastrophe selbst über¬<lb/>
sichtlich und in trefflicher Weise. In Hinsicht auf Wallensteins Charakter über¬<lb/>
haupt schließt er sich der Ausfassung an, wie sie Ranke in großen, genialen Zügen<lb/>
entwickelt hat. Auch nach seiner Ansicht hatte sich der Herzog, nachdem der<lb/>
Bruch mit dein Kaiser erfolgt war, zu Verrätherischen Verhandlungen mit dem<lb/>
Feinde entschlossen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1159"> neuerdings hat nun Edmund Schedel einen werthvollen und höchst interes¬<lb/>
santen Beitrag zur Wallensteinfragc geliefert,'^) in welchem er zu beweisen sucht,<lb/>
daß von einem Verrathe des Herzogs von Friedland überhaupt nicht die Rede<lb/>
sein könne, sondern daß dieser einzig und allein das Opfer seiner Gegner und<lb/>
Neider geworden sei.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1160"> Um diesen Beweis zu liefern, geht Schedel mehr als irgend einer seiner<lb/>
Vorgänger auf die Kritik der Quellen ein. Er analysirt alle Anschuldigungen,<lb/>
sucht die Quelle jeder einzelnen Beschuldigung ans und prüft sie durch Vergleich<lb/>
mit anderweit feststehenden Thatsachen oder sonst unzweifelhaft gegebenem auf<lb/>
ihre Lauterkeit. Das Resultat der mit Fleiß und Scharfsinn geführten Unter¬<lb/>
suchung ist so wichtig, daß es sich lohnt, auf die Hauptpunkte der Beweisführung<lb/>
näher einzugehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1161"> Wallenstein war im Fluge von einem mäßig begüterten Edelmanne zum<lb/>
reichsten Fürsten, zum ersten Manne Oesterreichs emporgestiegen. Namentlich<lb/>
wahrend seines zweiten Generalats hatte er durch außerordentliche Vollmachten<lb/>
eine Stellung errungen, wie sie in einem geordneten Staatswesen und unter einem<lb/>
kräftigen Regenten nie hätte entstehen können. Ferdinand II. war aber, wie<lb/>
Gindelh nachgewiesen hat, wohl ein glaubensstarker Fiirst, wofür man ihn immer<lb/>
gehalten hat, aber auch ein äußerst willens- und regierungsschwacher Herrscher.<lb/>
Inmitten der ungeheuern Schwierigkeiten, die ihm im Reiche und in seinen Ers¬<lb/>
tanden erwuchsen, mußte es ihm in hohem Grade willkommen sein, einen Mann<lb/>
voll Geist und Kraft zu finden, der ihm den schwersten Theil der Regierungs-<lb/>
geschäfte, die Vertheidigung seiner Länder gegen äußere und innere Feinde, abnahm,<lb/>
und dies unter Bedingungen, welche die in tiefster Zerrüttung befindlichen Finanzen<lb/>
nicht allzusehr in Mitleidenschaft zogen. Ferdinand vergalt denn auch die großen<lb/>
Dienste, durch welche Wallenstein ihn rettete, reichlich und bewahrte dem Fürsten<lb/>
sein Vertrauen auch denn noch, als die Kurfürsten ihn zwangen, ihn seiner<lb/>
Stellung zu entheben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1162" next="#ID_1163"> Wenn aber der Kaiser den so lange begünstigten endlich fallen ließ, so<lb/>
erklärt sich dies durch den Umstand, daß es Personen gab, die unter dein schwachen<lb/>
Kaiser selbst regieren wollten, was ihnen versagt blieb, so lange Friedland Einfluß</p><lb/>
          <note xml:id="FID_78" place="foot"> Die Lösung der Wallcnsteinfrage von Dr. Edmund Schedel. Berlin, Theodor<lb/>
Hofmann, 1881.  VII und «12 Seiten.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0367] Die Lösung der Wallensteinfrage. er behandelt lediglich in der Einleitung zum zweiten Bande seines Werkes die Ereignisse, die zur Egercr Katastrophe führte«, und diese Katastrophe selbst über¬ sichtlich und in trefflicher Weise. In Hinsicht auf Wallensteins Charakter über¬ haupt schließt er sich der Ausfassung an, wie sie Ranke in großen, genialen Zügen entwickelt hat. Auch nach seiner Ansicht hatte sich der Herzog, nachdem der Bruch mit dein Kaiser erfolgt war, zu Verrätherischen Verhandlungen mit dem Feinde entschlossen. neuerdings hat nun Edmund Schedel einen werthvollen und höchst interes¬ santen Beitrag zur Wallensteinfragc geliefert,'^) in welchem er zu beweisen sucht, daß von einem Verrathe des Herzogs von Friedland überhaupt nicht die Rede sein könne, sondern daß dieser einzig und allein das Opfer seiner Gegner und Neider geworden sei. Um diesen Beweis zu liefern, geht Schedel mehr als irgend einer seiner Vorgänger auf die Kritik der Quellen ein. Er analysirt alle Anschuldigungen, sucht die Quelle jeder einzelnen Beschuldigung ans und prüft sie durch Vergleich mit anderweit feststehenden Thatsachen oder sonst unzweifelhaft gegebenem auf ihre Lauterkeit. Das Resultat der mit Fleiß und Scharfsinn geführten Unter¬ suchung ist so wichtig, daß es sich lohnt, auf die Hauptpunkte der Beweisführung näher einzugehen. Wallenstein war im Fluge von einem mäßig begüterten Edelmanne zum reichsten Fürsten, zum ersten Manne Oesterreichs emporgestiegen. Namentlich wahrend seines zweiten Generalats hatte er durch außerordentliche Vollmachten eine Stellung errungen, wie sie in einem geordneten Staatswesen und unter einem kräftigen Regenten nie hätte entstehen können. Ferdinand II. war aber, wie Gindelh nachgewiesen hat, wohl ein glaubensstarker Fiirst, wofür man ihn immer gehalten hat, aber auch ein äußerst willens- und regierungsschwacher Herrscher. Inmitten der ungeheuern Schwierigkeiten, die ihm im Reiche und in seinen Ers¬ tanden erwuchsen, mußte es ihm in hohem Grade willkommen sein, einen Mann voll Geist und Kraft zu finden, der ihm den schwersten Theil der Regierungs- geschäfte, die Vertheidigung seiner Länder gegen äußere und innere Feinde, abnahm, und dies unter Bedingungen, welche die in tiefster Zerrüttung befindlichen Finanzen nicht allzusehr in Mitleidenschaft zogen. Ferdinand vergalt denn auch die großen Dienste, durch welche Wallenstein ihn rettete, reichlich und bewahrte dem Fürsten sein Vertrauen auch denn noch, als die Kurfürsten ihn zwangen, ihn seiner Stellung zu entheben. Wenn aber der Kaiser den so lange begünstigten endlich fallen ließ, so erklärt sich dies durch den Umstand, daß es Personen gab, die unter dein schwachen Kaiser selbst regieren wollten, was ihnen versagt blieb, so lange Friedland Einfluß Die Lösung der Wallcnsteinfrage von Dr. Edmund Schedel. Berlin, Theodor Hofmann, 1881. VII und «12 Seiten.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/367
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/367>, abgerufen am 25.11.2024.