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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die Lösung der Wallonsteinfrcige,

ländischen und seiner Adhcirenten abscheulichen Prodition" und Sesyma Raschins
von Riesenburg "Gründlicher und wahrhaftiger Bericht/' Auf Raschin folgten
Pater Lamormain und Khcvenhüller, die zeitgenössischen Biographen Ferdinandsll.,
und die große Menge der Vcrherrlichcr des Wiederherstellers der katholischen
Glaubensfreiheit in Oesterreich bis ans Hurter hinab, Ihnen allen war Wcillen-
steins Verrath anßer Zweifel Gegenüber der Masse von Veschuldigern war
von jeher die Zahl der Vertreter der Unschuld Wallensteins verhältnißmäßig
gering. Auch waren die Vertheidigungen seines Rufes nicht immer glücklich.
Zu kalte sprachen die officiellen Rechtfertiguugsschriften für Wallensteins Verrath,
zu wenig Beweismaterial ließ sich für die Unschuld des Todten beibringen, so
daß der Widerspruch gegen die übliche Tradition sich nur selten regte, wenn man
auch hie und da betonte, daß nicht alle gegen Wallenstein geschleuderten Anklagen
die Wahrscheinlichkeit für sich hätten und daß erst dann über den Angeklagten
ein Urtheil gefüllt werden könne, wenn er selbst gehört worden sei.

So schloß selbst Schiller sein Urtheil über den Charakter Wallensteins mit
den Worten: "Endlich muß man zur Steuer der Gerechtigkeit gestehen, daß es
nicht ganz treue Federn sind, die uns die Geschichte dieses außerordentlichen
Mannes überliefert haben; daß die Verrätherei des Herzogs und sein Entwurf
auf die böhmische Krone sich auf keine streng bewiesene Thatsache, bloß auf
wahrscheinliche Vermuthungen gründen. Noch hat sich das Document nicht ge¬
funden, das uns die geheimen Triebfedern seines Handelns mit historischer Zu¬
verlässigkeit aufdeckte, und unter seinen öffentlichen allgemein beglaubigten Thaten
ist keine, die nicht endlich aus einer unschuldigen Quelle könnte geflossen sein....
Ein Unglück für den Lebendigen, daß er eine siegende Partei sich zum Feinde
gemacht hatte -- ein Unglück für den Todten, daß ihn dieser Feind überlebte
und seine Geschichte schrieb."

Erst nach Schillers Tode wurde der Versuch gemacht, die bisherigen Fragmente
einer Korrespondenz Wallensteins zu vervollständigen. Das k. k. Kriegsarchiv
begann mit Veröffentlichung zahlreicher auf Wallenstein bezüglichen Documente
und einzelner Schreiben von seiner Hand. Andre Briefe folgten, so daß die
Korrespondenz des Herzogs rasch anwuchs. Bei weitem den bedeutendsten Zuwachs
erhielt sie aber in dem vor zwei Jahren erschienenen Werke Hermann Hallwich's
"Wallensteins Ende. Ungedruckte Briefe und Acten." Denn trotz der nicht
unansehnlichen bereits vorhandenen Literatur fand Hallwich noch einen Brief¬
wechsel Wallensteins, dessen Umfang auf mindestens zehntausend bisher ungedruckte
Schreiben veranschlagt werden darf. Dem gegenüber erscheint wohl alles bisher
Veröffentlichte als ein minimaler Bruchtheil, und die Behauptung ist gerecht¬
fertigt, daß in Sachen Wallensteins bisher Wallenstein selbst noch nicht ge¬
sprochen habe.

Hallwich hat darauf verzichtet, die reichen Quellen, die er bietet, zu einer
umfassenden Darstellung des Lebens und der Thaten des Herzogs auszunutzen,


Die Lösung der Wallonsteinfrcige,

ländischen und seiner Adhcirenten abscheulichen Prodition" und Sesyma Raschins
von Riesenburg „Gründlicher und wahrhaftiger Bericht/' Auf Raschin folgten
Pater Lamormain und Khcvenhüller, die zeitgenössischen Biographen Ferdinandsll.,
und die große Menge der Vcrherrlichcr des Wiederherstellers der katholischen
Glaubensfreiheit in Oesterreich bis ans Hurter hinab, Ihnen allen war Wcillen-
steins Verrath anßer Zweifel Gegenüber der Masse von Veschuldigern war
von jeher die Zahl der Vertreter der Unschuld Wallensteins verhältnißmäßig
gering. Auch waren die Vertheidigungen seines Rufes nicht immer glücklich.
Zu kalte sprachen die officiellen Rechtfertiguugsschriften für Wallensteins Verrath,
zu wenig Beweismaterial ließ sich für die Unschuld des Todten beibringen, so
daß der Widerspruch gegen die übliche Tradition sich nur selten regte, wenn man
auch hie und da betonte, daß nicht alle gegen Wallenstein geschleuderten Anklagen
die Wahrscheinlichkeit für sich hätten und daß erst dann über den Angeklagten
ein Urtheil gefüllt werden könne, wenn er selbst gehört worden sei.

So schloß selbst Schiller sein Urtheil über den Charakter Wallensteins mit
den Worten: „Endlich muß man zur Steuer der Gerechtigkeit gestehen, daß es
nicht ganz treue Federn sind, die uns die Geschichte dieses außerordentlichen
Mannes überliefert haben; daß die Verrätherei des Herzogs und sein Entwurf
auf die böhmische Krone sich auf keine streng bewiesene Thatsache, bloß auf
wahrscheinliche Vermuthungen gründen. Noch hat sich das Document nicht ge¬
funden, das uns die geheimen Triebfedern seines Handelns mit historischer Zu¬
verlässigkeit aufdeckte, und unter seinen öffentlichen allgemein beglaubigten Thaten
ist keine, die nicht endlich aus einer unschuldigen Quelle könnte geflossen sein....
Ein Unglück für den Lebendigen, daß er eine siegende Partei sich zum Feinde
gemacht hatte — ein Unglück für den Todten, daß ihn dieser Feind überlebte
und seine Geschichte schrieb."

Erst nach Schillers Tode wurde der Versuch gemacht, die bisherigen Fragmente
einer Korrespondenz Wallensteins zu vervollständigen. Das k. k. Kriegsarchiv
begann mit Veröffentlichung zahlreicher auf Wallenstein bezüglichen Documente
und einzelner Schreiben von seiner Hand. Andre Briefe folgten, so daß die
Korrespondenz des Herzogs rasch anwuchs. Bei weitem den bedeutendsten Zuwachs
erhielt sie aber in dem vor zwei Jahren erschienenen Werke Hermann Hallwich's
„Wallensteins Ende. Ungedruckte Briefe und Acten." Denn trotz der nicht
unansehnlichen bereits vorhandenen Literatur fand Hallwich noch einen Brief¬
wechsel Wallensteins, dessen Umfang auf mindestens zehntausend bisher ungedruckte
Schreiben veranschlagt werden darf. Dem gegenüber erscheint wohl alles bisher
Veröffentlichte als ein minimaler Bruchtheil, und die Behauptung ist gerecht¬
fertigt, daß in Sachen Wallensteins bisher Wallenstein selbst noch nicht ge¬
sprochen habe.

Hallwich hat darauf verzichtet, die reichen Quellen, die er bietet, zu einer
umfassenden Darstellung des Lebens und der Thaten des Herzogs auszunutzen,


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[0366] Die Lösung der Wallonsteinfrcige, ländischen und seiner Adhcirenten abscheulichen Prodition" und Sesyma Raschins von Riesenburg „Gründlicher und wahrhaftiger Bericht/' Auf Raschin folgten Pater Lamormain und Khcvenhüller, die zeitgenössischen Biographen Ferdinandsll., und die große Menge der Vcrherrlichcr des Wiederherstellers der katholischen Glaubensfreiheit in Oesterreich bis ans Hurter hinab, Ihnen allen war Wcillen- steins Verrath anßer Zweifel Gegenüber der Masse von Veschuldigern war von jeher die Zahl der Vertreter der Unschuld Wallensteins verhältnißmäßig gering. Auch waren die Vertheidigungen seines Rufes nicht immer glücklich. Zu kalte sprachen die officiellen Rechtfertiguugsschriften für Wallensteins Verrath, zu wenig Beweismaterial ließ sich für die Unschuld des Todten beibringen, so daß der Widerspruch gegen die übliche Tradition sich nur selten regte, wenn man auch hie und da betonte, daß nicht alle gegen Wallenstein geschleuderten Anklagen die Wahrscheinlichkeit für sich hätten und daß erst dann über den Angeklagten ein Urtheil gefüllt werden könne, wenn er selbst gehört worden sei. So schloß selbst Schiller sein Urtheil über den Charakter Wallensteins mit den Worten: „Endlich muß man zur Steuer der Gerechtigkeit gestehen, daß es nicht ganz treue Federn sind, die uns die Geschichte dieses außerordentlichen Mannes überliefert haben; daß die Verrätherei des Herzogs und sein Entwurf auf die böhmische Krone sich auf keine streng bewiesene Thatsache, bloß auf wahrscheinliche Vermuthungen gründen. Noch hat sich das Document nicht ge¬ funden, das uns die geheimen Triebfedern seines Handelns mit historischer Zu¬ verlässigkeit aufdeckte, und unter seinen öffentlichen allgemein beglaubigten Thaten ist keine, die nicht endlich aus einer unschuldigen Quelle könnte geflossen sein.... Ein Unglück für den Lebendigen, daß er eine siegende Partei sich zum Feinde gemacht hatte — ein Unglück für den Todten, daß ihn dieser Feind überlebte und seine Geschichte schrieb." Erst nach Schillers Tode wurde der Versuch gemacht, die bisherigen Fragmente einer Korrespondenz Wallensteins zu vervollständigen. Das k. k. Kriegsarchiv begann mit Veröffentlichung zahlreicher auf Wallenstein bezüglichen Documente und einzelner Schreiben von seiner Hand. Andre Briefe folgten, so daß die Korrespondenz des Herzogs rasch anwuchs. Bei weitem den bedeutendsten Zuwachs erhielt sie aber in dem vor zwei Jahren erschienenen Werke Hermann Hallwich's „Wallensteins Ende. Ungedruckte Briefe und Acten." Denn trotz der nicht unansehnlichen bereits vorhandenen Literatur fand Hallwich noch einen Brief¬ wechsel Wallensteins, dessen Umfang auf mindestens zehntausend bisher ungedruckte Schreiben veranschlagt werden darf. Dem gegenüber erscheint wohl alles bisher Veröffentlichte als ein minimaler Bruchtheil, und die Behauptung ist gerecht¬ fertigt, daß in Sachen Wallensteins bisher Wallenstein selbst noch nicht ge¬ sprochen habe. Hallwich hat darauf verzichtet, die reichen Quellen, die er bietet, zu einer umfassenden Darstellung des Lebens und der Thaten des Herzogs auszunutzen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/366>, abgerufen am 01.09.2024.