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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die Entstehung des englisch-französischen Handelsvertrages.

man deshalb erwarten konnte, er werde jedem Plane günstig sein, welcher Pal-
merstons Aussichten hierauf vermehrte.

Im Oetober besuchte Herr Chevalier England abermals und hatte Zu¬
sammenkünfte mit Cobden, mit Bright und zuletzt, am Abend des 15., auch mit
Gladstone. Herr Cobden hatte die Wege so gut geebnet, daß alle Einzeln¬
heiten des vorgeschlagnen Handelsvertrages in drei Viertelstunden erörtert und
geordnet werden konnten. Herr Chevalier begab sich darauf von Carlton Gartens,
der Wohnung Gladstones, hinüber nach dem Athenäum-Club und machte mit
Cobden aus, derselbe folle mit ihm am 22. eine Zusammenkunft in Paris haben,
in betreff deren man übereinkam, beide Herren sollten, "um die Aufmerksamkeit
der Schutzzöllner nicht ans sich zu lenken," bei ihrer Reise verschiedne Straßen
benutzen.

Als Chevalier Paris erreichte, legte er die Angelegenheit Herrn Rouher
vor, welcher sie dem Kaiser mittheilte. Chevalier und Cobden wurden dann
sofort vom Kaiser in Se. Cloud empfange", aber im strengsten Geheimniß.
Napoleon erklärte feinen Vorsatz, den Bertrag abzuschließen, bat aber die Herren,
das Geheimniß noch einige Wochen zu bewahren.

In der Mitte des November begannen endlich die förmlichen Verhandlungen,
bei denen die Herren Rouher und Baroche Frankreich und Lord Cooley, der
englische Botschafter in Paris, sowie Cobden England vertraten. Der Staats-
minister Fould war dem Vertrage günstig gestimmt, und so wurde er in das
Geheimniß eingeweiht. Magne, der Finanzminister, und der Gencralzolldircetor
Greterin waren Schutzzöllner, und so erführe" sie uicht das Geringste von dem,
was vorging. In der That, man hatte seine Vorsichtsmaßregeln so gut ge¬
troffen, daß wahrend der ganzen Verhandlung nicht ein einziger untergeordneter
Beamter bei derselben verwendet und somit in das Geheimniß gelassen zu werden
brauchte. Rouhers Noten wurden fein säuberlich vou seiner Frau zu Papier
gebracht, und Madame Chevalier leistete dieselben Dienste Herrn Cobden. Erst
als dem Vertrage nichts mehr fehlte als die Unterzeichnung, erwähnte der Kaiser
den Gegenstand im Ministerrathe. Es war eine große Ueberraschung, eine voll¬
ständige Ueberrumpelung der meisten Räthe Napoleons. Die Führer
der schutzzölluerischeu Partei benutzten in der kurzen Zwischenzeit, die übrig blieb,
alles mögliche, um die Sache zu hintertreiben, aber ihre Anstrengungen blieben,
wie wir Nüssen, ohne Erfolg. Herr Michel Chevalier konnte sich in der Folge
mit gutem Grunde rühmen, der Hauptbeförderer der freihändlerischen Pläne in
Frankreich gewesen zu sein. Nach ihm aber hatten Cobden und Gladstone das
meiste Verdienst oder, wie andre sagen, die Hauptschuld bei diesen nichts weniger
als constitutionellen Manövern . .




Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. -- Druck vou Carl Mnrqncirt i" Neuduil! Leipzig.
Die Entstehung des englisch-französischen Handelsvertrages.

man deshalb erwarten konnte, er werde jedem Plane günstig sein, welcher Pal-
merstons Aussichten hierauf vermehrte.

Im Oetober besuchte Herr Chevalier England abermals und hatte Zu¬
sammenkünfte mit Cobden, mit Bright und zuletzt, am Abend des 15., auch mit
Gladstone. Herr Cobden hatte die Wege so gut geebnet, daß alle Einzeln¬
heiten des vorgeschlagnen Handelsvertrages in drei Viertelstunden erörtert und
geordnet werden konnten. Herr Chevalier begab sich darauf von Carlton Gartens,
der Wohnung Gladstones, hinüber nach dem Athenäum-Club und machte mit
Cobden aus, derselbe folle mit ihm am 22. eine Zusammenkunft in Paris haben,
in betreff deren man übereinkam, beide Herren sollten, „um die Aufmerksamkeit
der Schutzzöllner nicht ans sich zu lenken," bei ihrer Reise verschiedne Straßen
benutzen.

Als Chevalier Paris erreichte, legte er die Angelegenheit Herrn Rouher
vor, welcher sie dem Kaiser mittheilte. Chevalier und Cobden wurden dann
sofort vom Kaiser in Se. Cloud empfange», aber im strengsten Geheimniß.
Napoleon erklärte feinen Vorsatz, den Bertrag abzuschließen, bat aber die Herren,
das Geheimniß noch einige Wochen zu bewahren.

In der Mitte des November begannen endlich die förmlichen Verhandlungen,
bei denen die Herren Rouher und Baroche Frankreich und Lord Cooley, der
englische Botschafter in Paris, sowie Cobden England vertraten. Der Staats-
minister Fould war dem Vertrage günstig gestimmt, und so wurde er in das
Geheimniß eingeweiht. Magne, der Finanzminister, und der Gencralzolldircetor
Greterin waren Schutzzöllner, und so erführe» sie uicht das Geringste von dem,
was vorging. In der That, man hatte seine Vorsichtsmaßregeln so gut ge¬
troffen, daß wahrend der ganzen Verhandlung nicht ein einziger untergeordneter
Beamter bei derselben verwendet und somit in das Geheimniß gelassen zu werden
brauchte. Rouhers Noten wurden fein säuberlich vou seiner Frau zu Papier
gebracht, und Madame Chevalier leistete dieselben Dienste Herrn Cobden. Erst
als dem Vertrage nichts mehr fehlte als die Unterzeichnung, erwähnte der Kaiser
den Gegenstand im Ministerrathe. Es war eine große Ueberraschung, eine voll¬
ständige Ueberrumpelung der meisten Räthe Napoleons. Die Führer
der schutzzölluerischeu Partei benutzten in der kurzen Zwischenzeit, die übrig blieb,
alles mögliche, um die Sache zu hintertreiben, aber ihre Anstrengungen blieben,
wie wir Nüssen, ohne Erfolg. Herr Michel Chevalier konnte sich in der Folge
mit gutem Grunde rühmen, der Hauptbeförderer der freihändlerischen Pläne in
Frankreich gewesen zu sein. Nach ihm aber hatten Cobden und Gladstone das
meiste Verdienst oder, wie andre sagen, die Hauptschuld bei diesen nichts weniger
als constitutionellen Manövern . .




Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck vou Carl Mnrqncirt i» Neuduil! Leipzig.
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[0272] Die Entstehung des englisch-französischen Handelsvertrages. man deshalb erwarten konnte, er werde jedem Plane günstig sein, welcher Pal- merstons Aussichten hierauf vermehrte. Im Oetober besuchte Herr Chevalier England abermals und hatte Zu¬ sammenkünfte mit Cobden, mit Bright und zuletzt, am Abend des 15., auch mit Gladstone. Herr Cobden hatte die Wege so gut geebnet, daß alle Einzeln¬ heiten des vorgeschlagnen Handelsvertrages in drei Viertelstunden erörtert und geordnet werden konnten. Herr Chevalier begab sich darauf von Carlton Gartens, der Wohnung Gladstones, hinüber nach dem Athenäum-Club und machte mit Cobden aus, derselbe folle mit ihm am 22. eine Zusammenkunft in Paris haben, in betreff deren man übereinkam, beide Herren sollten, „um die Aufmerksamkeit der Schutzzöllner nicht ans sich zu lenken," bei ihrer Reise verschiedne Straßen benutzen. Als Chevalier Paris erreichte, legte er die Angelegenheit Herrn Rouher vor, welcher sie dem Kaiser mittheilte. Chevalier und Cobden wurden dann sofort vom Kaiser in Se. Cloud empfange», aber im strengsten Geheimniß. Napoleon erklärte feinen Vorsatz, den Bertrag abzuschließen, bat aber die Herren, das Geheimniß noch einige Wochen zu bewahren. In der Mitte des November begannen endlich die förmlichen Verhandlungen, bei denen die Herren Rouher und Baroche Frankreich und Lord Cooley, der englische Botschafter in Paris, sowie Cobden England vertraten. Der Staats- minister Fould war dem Vertrage günstig gestimmt, und so wurde er in das Geheimniß eingeweiht. Magne, der Finanzminister, und der Gencralzolldircetor Greterin waren Schutzzöllner, und so erführe» sie uicht das Geringste von dem, was vorging. In der That, man hatte seine Vorsichtsmaßregeln so gut ge¬ troffen, daß wahrend der ganzen Verhandlung nicht ein einziger untergeordneter Beamter bei derselben verwendet und somit in das Geheimniß gelassen zu werden brauchte. Rouhers Noten wurden fein säuberlich vou seiner Frau zu Papier gebracht, und Madame Chevalier leistete dieselben Dienste Herrn Cobden. Erst als dem Vertrage nichts mehr fehlte als die Unterzeichnung, erwähnte der Kaiser den Gegenstand im Ministerrathe. Es war eine große Ueberraschung, eine voll¬ ständige Ueberrumpelung der meisten Räthe Napoleons. Die Führer der schutzzölluerischeu Partei benutzten in der kurzen Zwischenzeit, die übrig blieb, alles mögliche, um die Sache zu hintertreiben, aber ihre Anstrengungen blieben, wie wir Nüssen, ohne Erfolg. Herr Michel Chevalier konnte sich in der Folge mit gutem Grunde rühmen, der Hauptbeförderer der freihändlerischen Pläne in Frankreich gewesen zu sein. Nach ihm aber hatten Cobden und Gladstone das meiste Verdienst oder, wie andre sagen, die Hauptschuld bei diesen nichts weniger als constitutionellen Manövern . . Für die Redaction verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von F. L. Herbig in Leipzig. — Druck vou Carl Mnrqncirt i» Neuduil! Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/272>, abgerufen am 25.11.2024.