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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Gin preußischer Diplomat.

m
e unliebsame Polemik in der Tagespresse hat jüngst die öffent¬
liche Aufmerksamkeit wieder ans einen Mann gelenkt, der, äußerlich
und officiell wenigstens, der Theilnahme am politische" Leben fast
seit 20 Jahren entrückt zu sein schien. Die kurze Notiz der Nord¬
deutschen Allgemeinen Zeitung, Fürst Bismarck habe auch früher
"icht viel von der politischen Fähigkeit eines Ministers gehalten, in dessen Um¬
gebung die Reichsglocke zahlreiche Abonnenten fand, hat dem Grafen Schleinitz
eine große Menge Freunde und Vertheidiger seiner Amtsthätigkeit in Kreisen
erweckt, von denen er das bisher wohl selbst kaum erwartet hatte, und deren
Plötzlich erwachte Freundschaft ihm schwerlich angenehm ist. Denn einen so
feinen Hofmann muß das wenig taetvvlle Benehmen derjenigen peinlich berühren,
welche zu seiner Rechtfertigung das kaiserliche Diplom citiren, dnrch welches
Freiherr v> Schleinitz "wegen seiner treuen Dienste, die er dem Staate und dem
königlichen Hause geleistet hat," in den Grafenstand erhoben wird. Um die be¬
rühmte "Rücksichtslosigkeit" des Reichskanzlers ins Licht zu stellen, hätte man
das Beispiel persönlicher kaiserlicher Huld um so weniger anzuführen brauchen,
als die "treuen Dienste" von niemand angezweifelt sind. Natürlich ist Graf
Schleinitz selbst nicht verantwortlich dafür, daß die Person des Monarchen in
diese wenig erfreuliche Angelegenheit hineingezogen wurde.

Im vorliegenden Falle handelt es sich um etwas ganz andres als um
die Treue im Dienste, handelt eS sich um die angezweifelte staatsmännische
Begabung und die Leistungen des Mannes. Bis vor kurzem war auch in
den liberalsten Kreisen von einer Verherrlichung der äußern Politik des Mini¬
steriums der liberalen Aera nichts zu hören, und wenn man auch das Urtheil
des liberalen Geschichtschreibers in Meyers Coiiversationslexikvn: "Seine Politik


Grenzboten 111. 1331. 34


Gin preußischer Diplomat.

m
e unliebsame Polemik in der Tagespresse hat jüngst die öffent¬
liche Aufmerksamkeit wieder ans einen Mann gelenkt, der, äußerlich
und officiell wenigstens, der Theilnahme am politische» Leben fast
seit 20 Jahren entrückt zu sein schien. Die kurze Notiz der Nord¬
deutschen Allgemeinen Zeitung, Fürst Bismarck habe auch früher
»icht viel von der politischen Fähigkeit eines Ministers gehalten, in dessen Um¬
gebung die Reichsglocke zahlreiche Abonnenten fand, hat dem Grafen Schleinitz
eine große Menge Freunde und Vertheidiger seiner Amtsthätigkeit in Kreisen
erweckt, von denen er das bisher wohl selbst kaum erwartet hatte, und deren
Plötzlich erwachte Freundschaft ihm schwerlich angenehm ist. Denn einen so
feinen Hofmann muß das wenig taetvvlle Benehmen derjenigen peinlich berühren,
welche zu seiner Rechtfertigung das kaiserliche Diplom citiren, dnrch welches
Freiherr v> Schleinitz „wegen seiner treuen Dienste, die er dem Staate und dem
königlichen Hause geleistet hat," in den Grafenstand erhoben wird. Um die be¬
rühmte „Rücksichtslosigkeit" des Reichskanzlers ins Licht zu stellen, hätte man
das Beispiel persönlicher kaiserlicher Huld um so weniger anzuführen brauchen,
als die „treuen Dienste" von niemand angezweifelt sind. Natürlich ist Graf
Schleinitz selbst nicht verantwortlich dafür, daß die Person des Monarchen in
diese wenig erfreuliche Angelegenheit hineingezogen wurde.

Im vorliegenden Falle handelt es sich um etwas ganz andres als um
die Treue im Dienste, handelt eS sich um die angezweifelte staatsmännische
Begabung und die Leistungen des Mannes. Bis vor kurzem war auch in
den liberalsten Kreisen von einer Verherrlichung der äußern Politik des Mini¬
steriums der liberalen Aera nichts zu hören, und wenn man auch das Urtheil
des liberalen Geschichtschreibers in Meyers Coiiversationslexikvn: „Seine Politik


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[0273] [Abbildung] Gin preußischer Diplomat. m e unliebsame Polemik in der Tagespresse hat jüngst die öffent¬ liche Aufmerksamkeit wieder ans einen Mann gelenkt, der, äußerlich und officiell wenigstens, der Theilnahme am politische» Leben fast seit 20 Jahren entrückt zu sein schien. Die kurze Notiz der Nord¬ deutschen Allgemeinen Zeitung, Fürst Bismarck habe auch früher »icht viel von der politischen Fähigkeit eines Ministers gehalten, in dessen Um¬ gebung die Reichsglocke zahlreiche Abonnenten fand, hat dem Grafen Schleinitz eine große Menge Freunde und Vertheidiger seiner Amtsthätigkeit in Kreisen erweckt, von denen er das bisher wohl selbst kaum erwartet hatte, und deren Plötzlich erwachte Freundschaft ihm schwerlich angenehm ist. Denn einen so feinen Hofmann muß das wenig taetvvlle Benehmen derjenigen peinlich berühren, welche zu seiner Rechtfertigung das kaiserliche Diplom citiren, dnrch welches Freiherr v> Schleinitz „wegen seiner treuen Dienste, die er dem Staate und dem königlichen Hause geleistet hat," in den Grafenstand erhoben wird. Um die be¬ rühmte „Rücksichtslosigkeit" des Reichskanzlers ins Licht zu stellen, hätte man das Beispiel persönlicher kaiserlicher Huld um so weniger anzuführen brauchen, als die „treuen Dienste" von niemand angezweifelt sind. Natürlich ist Graf Schleinitz selbst nicht verantwortlich dafür, daß die Person des Monarchen in diese wenig erfreuliche Angelegenheit hineingezogen wurde. Im vorliegenden Falle handelt es sich um etwas ganz andres als um die Treue im Dienste, handelt eS sich um die angezweifelte staatsmännische Begabung und die Leistungen des Mannes. Bis vor kurzem war auch in den liberalsten Kreisen von einer Verherrlichung der äußern Politik des Mini¬ steriums der liberalen Aera nichts zu hören, und wenn man auch das Urtheil des liberalen Geschichtschreibers in Meyers Coiiversationslexikvn: „Seine Politik Grenzboten 111. 1331. 34

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/273>, abgerufen am 25.11.2024.