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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die Entwicklung der Foudalität und das deutsche Kriegswesen im sriihen Mittelalter.

sterialen, welche mit königlichem Hausgut oder Reichsgnt belehnt, vom Könige
unmittelbar und persönlich abhingen. Sie stehen z, B, im Rcichsheere Arnulfs
(894) den andern Streitern als niilitss xg.1g.lui gesondert gegenüber; sie spielen
in den Gedichten der Hrotsuit als iniliws in g.u1g. eine hervorragende Rolle
und werden von derselben Schriftstellerin in ihrem "Leben Ottos I." als die
inilitW sui der iminoäiog. tods. als Forts og.törvg. entgegengesetzt; sie sind die
g-nlioi, welche unter Heinrich III. 1044 mit den Norici und Bojemi gegen Ungarn
ziehen. Solche Ritter sind es, welche das Gefolge des Herrschers bilden, wenn
er im Reiche umherzieht; sie sind es, welche im Kampfe gewöhnlich als löAio
regig. den König umgeben, und dementsprechend scheinen sie in engem Zusammen¬
hange mit der Pfalzverwaltung gestanden zu haben. Wahrscheinlich befehligte
sie zur Zeit der Ottonen der Pfalzgraf, und daß sich in der That am Hofe
stets eine namhafte Zahl von Kriegsleuten befand, geht unter anderen daraus
hervor, daß Heinrich II. eine Heerfahrt gegen Polen uicht nur in den Graf¬
schaften, sondern auch bei Hofe anzusagen befahl (in xg-Igtio se in omnilms rsg'ni
eoiriitgMus). Es unterliegt Wohl keinem Zweifel, daß diese inilitss xglatini
der bei weitem zuverlässigste Theil der gesammten Kriegsmcmnschaft war, über
welchen die deutscheu Könige geboten. Der altgermanische Gedanke der persön¬
lichen Gefolgschaft kommt in ihnen noch einmal zum Ausdruck. Gewiß aber
war die Zahl dieser Mäuner klein und, insofern sie mit königlichem Eigengnte
ausgestattet war, weithin über das Reich zerstreut; unter keinen Umstünden
reichte sie aus, eine auch nur irgendwie bedeutendere Kriegsunternehmung durch¬
zuführen-

Unter solchen Umständen waren die Könige frühzeitig darauf hingewiesen,
Sold ritt er zu werben, wofür namentlich die Niederlande und Lothringen reiches
Personal gewährten. Denn diese wohlhabenden, gut cultivirten, stark bevölkerten
Gebiete hatten den Vortheil, ihre unruhigen Volksgenossen je nach Wahl und
Umständen, bald an die kämpfenden Parteien Frankreichs, bald an diejenigen
Deutschlands abgeben zu können, und die Gclduni und Brabcmoonen spielen denn
eines in der That eine gleich wichtige Rolle in den Kriegen zwischen der eape-
tiugischeu Krone und Flandern-England wie in den Kriegen der spätern Salier
und der Hohenstaufen. Zu großem Theile dienten sie gewiß nicht als vvllgc-
rüstete Reisige, sondern als Sarjanten und soutgrii, rückten also in die Stelle
ein, welche vordem die alten olisntsZ, die Ministerialen der frühern Zeit, inne¬
gehabt hatten.

Erwägt man, wie häusig die deutschen Könige genöthigt waren, gegen ihre
eignen Vassallen zu Felde zu ziehen, so drängt sich schließlich die Frage auf, wie
sich deun die Aftervassallen und die Dienstmannen des Hoheit Adels bei einem
solchen Streite zwischen dem eignen Lehnsherren und dein obersten Inhaber der
Staatsgewalt zu verhalten hatten. Da zeigt sich denn eine große Verschiedenheit
in dem Pflichtgebote zwischen Aftervassallen und Ministerialen. Niemals durften


Die Entwicklung der Foudalität und das deutsche Kriegswesen im sriihen Mittelalter.

sterialen, welche mit königlichem Hausgut oder Reichsgnt belehnt, vom Könige
unmittelbar und persönlich abhingen. Sie stehen z, B, im Rcichsheere Arnulfs
(894) den andern Streitern als niilitss xg.1g.lui gesondert gegenüber; sie spielen
in den Gedichten der Hrotsuit als iniliws in g.u1g. eine hervorragende Rolle
und werden von derselben Schriftstellerin in ihrem „Leben Ottos I." als die
inilitW sui der iminoäiog. tods. als Forts og.törvg. entgegengesetzt; sie sind die
g-nlioi, welche unter Heinrich III. 1044 mit den Norici und Bojemi gegen Ungarn
ziehen. Solche Ritter sind es, welche das Gefolge des Herrschers bilden, wenn
er im Reiche umherzieht; sie sind es, welche im Kampfe gewöhnlich als löAio
regig. den König umgeben, und dementsprechend scheinen sie in engem Zusammen¬
hange mit der Pfalzverwaltung gestanden zu haben. Wahrscheinlich befehligte
sie zur Zeit der Ottonen der Pfalzgraf, und daß sich in der That am Hofe
stets eine namhafte Zahl von Kriegsleuten befand, geht unter anderen daraus
hervor, daß Heinrich II. eine Heerfahrt gegen Polen uicht nur in den Graf¬
schaften, sondern auch bei Hofe anzusagen befahl (in xg-Igtio se in omnilms rsg'ni
eoiriitgMus). Es unterliegt Wohl keinem Zweifel, daß diese inilitss xglatini
der bei weitem zuverlässigste Theil der gesammten Kriegsmcmnschaft war, über
welchen die deutscheu Könige geboten. Der altgermanische Gedanke der persön¬
lichen Gefolgschaft kommt in ihnen noch einmal zum Ausdruck. Gewiß aber
war die Zahl dieser Mäuner klein und, insofern sie mit königlichem Eigengnte
ausgestattet war, weithin über das Reich zerstreut; unter keinen Umstünden
reichte sie aus, eine auch nur irgendwie bedeutendere Kriegsunternehmung durch¬
zuführen-

Unter solchen Umständen waren die Könige frühzeitig darauf hingewiesen,
Sold ritt er zu werben, wofür namentlich die Niederlande und Lothringen reiches
Personal gewährten. Denn diese wohlhabenden, gut cultivirten, stark bevölkerten
Gebiete hatten den Vortheil, ihre unruhigen Volksgenossen je nach Wahl und
Umständen, bald an die kämpfenden Parteien Frankreichs, bald an diejenigen
Deutschlands abgeben zu können, und die Gclduni und Brabcmoonen spielen denn
eines in der That eine gleich wichtige Rolle in den Kriegen zwischen der eape-
tiugischeu Krone und Flandern-England wie in den Kriegen der spätern Salier
und der Hohenstaufen. Zu großem Theile dienten sie gewiß nicht als vvllgc-
rüstete Reisige, sondern als Sarjanten und soutgrii, rückten also in die Stelle
ein, welche vordem die alten olisntsZ, die Ministerialen der frühern Zeit, inne¬
gehabt hatten.

Erwägt man, wie häusig die deutschen Könige genöthigt waren, gegen ihre
eignen Vassallen zu Felde zu ziehen, so drängt sich schließlich die Frage auf, wie
sich deun die Aftervassallen und die Dienstmannen des Hoheit Adels bei einem
solchen Streite zwischen dem eignen Lehnsherren und dein obersten Inhaber der
Staatsgewalt zu verhalten hatten. Da zeigt sich denn eine große Verschiedenheit
in dem Pflichtgebote zwischen Aftervassallen und Ministerialen. Niemals durften


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/250>, abgerufen am 24.11.2024.