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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Hannovers Lndo und Herr lNeding.

biudung trete. . . Die Monarchie beruht auf dem Wille" und Beschluß der
Macht, welche die Völker regiert, Sie ist also für meine Auffassung ein heiliges,
unanfechtbares und über jeder Dismssivn stehendes Recht; niemals aber wird
mau leugnen können, daß auch ein großer Theil der Forderungen der Demokratie
unbestreitbare Berechtigung habe, und daß die Zurückweisung solcher Forderungen
die allmähliche Zersetzung und den endlichen Zusammenbruch der Staaten zur
uuabwendbaren Folge haben müsse. . . Die Monarchie wird erst dann zum
wahren Heile der Völker dienen könne", wenn auf ihrem unerschütterlich festen
Rechtsboden die Saat einer reinen und edlen Demokratie Wurzel faßt und
Früchte für die wahren Bedürfnisse des Volkes trägt. Der reine Demokrat ist
durchaus nicht um die republikanische Form gebunden; er wird derselben vielleicht
den Vorzug geben, wenn er die Wahl hat, sich gewiß aber auch mit wahrer
Hingebung und mit offenem Vertrauen derjenigen Monarchie zuwenden, welche
gesunden demokratischen Ideen Spielraum gewährt. Diese Ideen sind sehr ver¬
schieden von denen des doctrinären Liberalismus, und der erste Schritt zu ihrer
gesunden naturgemäßen Entwicklung und Durchführung ist die unbedingte Frei¬
heit des Wahlrechts. Das beschränkte Wahlrecht, wie es der moderne Con-
stitutionalismus erfunden hat, ist eine schlimmere Fessel für die wahre Freiheit
des eigentlichen Volkes als selbst das absoluteste Regiment. Eine aus beschränktem
Wahlrechte hervorgehende Volksvertretung fördert mir Ansichten der sogenannten
Gebildeten zu Tage und vertritt Interessen der Besitzenden im allgemeinen oder
einzelner Klassen insbesondre; in ihr lebt stets die Opposition gegen jede Re¬
gierung, da sie selbst sich an deren Stelle setzen möchte swaren denn die Demo¬
kraten bescheiden und fromm im Denken? j und den Beweis des Geistes und der
freien Selbständigkeit nur in der negirenden Kritik zu finden versteht. Eine
Volksvertretung dagegen, welche auf dem völlig unbeschränkten Wahlrechte be¬
ruht, wird, wenn nur die allgemeine freie und volle Theilnahme an der Aus¬
übung des Wahlrechts gesichert ist, niemals engherzige Ansichten, niemals Klassen-
interessen, sondern stets die wahren Bedürfnisse des Volkes zum Ausdrucke bringen.
Sie wird mit scharfen Verständnisse es erkennen, wenn die Negierung selbst auch
ihrerseits, wie es ihr Pflicht und Klugheit gebietet, jene wahren Volksinteressen
zur Durchführung zu bringen bestrebt ist, und wird fern von jeder systematischen,
ans Eitelkeit und doctrinärer Einseitigkeit gegründeten Opposition der Regierung
in solchem Bestreben fördernd entgegenkommen. . . Die Geschichte aller wahr¬
haft großen Monarchen, welche ihre Völker zu wirklichem Fortschritt geführt
und mächtig in die Schicksale der Nationen eingegriffen haben, beweist die Richtig¬
keit dieser Sätze. Sie alle waren mehr oder weniger die Trüger und Vorkämpfer
der demokratischen Ideen ihrer Zeit, und je mehr sie es waren, um so leichter,
sicherer und unbeschränkter führten sie ihre Herrschaft. Auch der König erkannte
diesen Gedanken, welchen ich ihm ausführlich entwickelte, vollkommen an. Graf
Platen freilich erschrak vor demselben, ohne ihn jedoch zurückzuweisen; er erkannte


Hannovers Lndo und Herr lNeding.

biudung trete. . . Die Monarchie beruht auf dem Wille» und Beschluß der
Macht, welche die Völker regiert, Sie ist also für meine Auffassung ein heiliges,
unanfechtbares und über jeder Dismssivn stehendes Recht; niemals aber wird
mau leugnen können, daß auch ein großer Theil der Forderungen der Demokratie
unbestreitbare Berechtigung habe, und daß die Zurückweisung solcher Forderungen
die allmähliche Zersetzung und den endlichen Zusammenbruch der Staaten zur
uuabwendbaren Folge haben müsse. . . Die Monarchie wird erst dann zum
wahren Heile der Völker dienen könne», wenn auf ihrem unerschütterlich festen
Rechtsboden die Saat einer reinen und edlen Demokratie Wurzel faßt und
Früchte für die wahren Bedürfnisse des Volkes trägt. Der reine Demokrat ist
durchaus nicht um die republikanische Form gebunden; er wird derselben vielleicht
den Vorzug geben, wenn er die Wahl hat, sich gewiß aber auch mit wahrer
Hingebung und mit offenem Vertrauen derjenigen Monarchie zuwenden, welche
gesunden demokratischen Ideen Spielraum gewährt. Diese Ideen sind sehr ver¬
schieden von denen des doctrinären Liberalismus, und der erste Schritt zu ihrer
gesunden naturgemäßen Entwicklung und Durchführung ist die unbedingte Frei¬
heit des Wahlrechts. Das beschränkte Wahlrecht, wie es der moderne Con-
stitutionalismus erfunden hat, ist eine schlimmere Fessel für die wahre Freiheit
des eigentlichen Volkes als selbst das absoluteste Regiment. Eine aus beschränktem
Wahlrechte hervorgehende Volksvertretung fördert mir Ansichten der sogenannten
Gebildeten zu Tage und vertritt Interessen der Besitzenden im allgemeinen oder
einzelner Klassen insbesondre; in ihr lebt stets die Opposition gegen jede Re¬
gierung, da sie selbst sich an deren Stelle setzen möchte swaren denn die Demo¬
kraten bescheiden und fromm im Denken? j und den Beweis des Geistes und der
freien Selbständigkeit nur in der negirenden Kritik zu finden versteht. Eine
Volksvertretung dagegen, welche auf dem völlig unbeschränkten Wahlrechte be¬
ruht, wird, wenn nur die allgemeine freie und volle Theilnahme an der Aus¬
übung des Wahlrechts gesichert ist, niemals engherzige Ansichten, niemals Klassen-
interessen, sondern stets die wahren Bedürfnisse des Volkes zum Ausdrucke bringen.
Sie wird mit scharfen Verständnisse es erkennen, wenn die Negierung selbst auch
ihrerseits, wie es ihr Pflicht und Klugheit gebietet, jene wahren Volksinteressen
zur Durchführung zu bringen bestrebt ist, und wird fern von jeder systematischen,
ans Eitelkeit und doctrinärer Einseitigkeit gegründeten Opposition der Regierung
in solchem Bestreben fördernd entgegenkommen. . . Die Geschichte aller wahr¬
haft großen Monarchen, welche ihre Völker zu wirklichem Fortschritt geführt
und mächtig in die Schicksale der Nationen eingegriffen haben, beweist die Richtig¬
keit dieser Sätze. Sie alle waren mehr oder weniger die Trüger und Vorkämpfer
der demokratischen Ideen ihrer Zeit, und je mehr sie es waren, um so leichter,
sicherer und unbeschränkter führten sie ihre Herrschaft. Auch der König erkannte
diesen Gedanken, welchen ich ihm ausführlich entwickelte, vollkommen an. Graf
Platen freilich erschrak vor demselben, ohne ihn jedoch zurückzuweisen; er erkannte


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[0236] Hannovers Lndo und Herr lNeding. biudung trete. . . Die Monarchie beruht auf dem Wille» und Beschluß der Macht, welche die Völker regiert, Sie ist also für meine Auffassung ein heiliges, unanfechtbares und über jeder Dismssivn stehendes Recht; niemals aber wird mau leugnen können, daß auch ein großer Theil der Forderungen der Demokratie unbestreitbare Berechtigung habe, und daß die Zurückweisung solcher Forderungen die allmähliche Zersetzung und den endlichen Zusammenbruch der Staaten zur uuabwendbaren Folge haben müsse. . . Die Monarchie wird erst dann zum wahren Heile der Völker dienen könne», wenn auf ihrem unerschütterlich festen Rechtsboden die Saat einer reinen und edlen Demokratie Wurzel faßt und Früchte für die wahren Bedürfnisse des Volkes trägt. Der reine Demokrat ist durchaus nicht um die republikanische Form gebunden; er wird derselben vielleicht den Vorzug geben, wenn er die Wahl hat, sich gewiß aber auch mit wahrer Hingebung und mit offenem Vertrauen derjenigen Monarchie zuwenden, welche gesunden demokratischen Ideen Spielraum gewährt. Diese Ideen sind sehr ver¬ schieden von denen des doctrinären Liberalismus, und der erste Schritt zu ihrer gesunden naturgemäßen Entwicklung und Durchführung ist die unbedingte Frei¬ heit des Wahlrechts. Das beschränkte Wahlrecht, wie es der moderne Con- stitutionalismus erfunden hat, ist eine schlimmere Fessel für die wahre Freiheit des eigentlichen Volkes als selbst das absoluteste Regiment. Eine aus beschränktem Wahlrechte hervorgehende Volksvertretung fördert mir Ansichten der sogenannten Gebildeten zu Tage und vertritt Interessen der Besitzenden im allgemeinen oder einzelner Klassen insbesondre; in ihr lebt stets die Opposition gegen jede Re¬ gierung, da sie selbst sich an deren Stelle setzen möchte swaren denn die Demo¬ kraten bescheiden und fromm im Denken? j und den Beweis des Geistes und der freien Selbständigkeit nur in der negirenden Kritik zu finden versteht. Eine Volksvertretung dagegen, welche auf dem völlig unbeschränkten Wahlrechte be¬ ruht, wird, wenn nur die allgemeine freie und volle Theilnahme an der Aus¬ übung des Wahlrechts gesichert ist, niemals engherzige Ansichten, niemals Klassen- interessen, sondern stets die wahren Bedürfnisse des Volkes zum Ausdrucke bringen. Sie wird mit scharfen Verständnisse es erkennen, wenn die Negierung selbst auch ihrerseits, wie es ihr Pflicht und Klugheit gebietet, jene wahren Volksinteressen zur Durchführung zu bringen bestrebt ist, und wird fern von jeder systematischen, ans Eitelkeit und doctrinärer Einseitigkeit gegründeten Opposition der Regierung in solchem Bestreben fördernd entgegenkommen. . . Die Geschichte aller wahr¬ haft großen Monarchen, welche ihre Völker zu wirklichem Fortschritt geführt und mächtig in die Schicksale der Nationen eingegriffen haben, beweist die Richtig¬ keit dieser Sätze. Sie alle waren mehr oder weniger die Trüger und Vorkämpfer der demokratischen Ideen ihrer Zeit, und je mehr sie es waren, um so leichter, sicherer und unbeschränkter führten sie ihre Herrschaft. Auch der König erkannte diesen Gedanken, welchen ich ihm ausführlich entwickelte, vollkommen an. Graf Platen freilich erschrak vor demselben, ohne ihn jedoch zurückzuweisen; er erkannte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/236>, abgerufen am 01.09.2024.