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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Hannovers Lüde und Herr Meding.

erhalten, um dessen maritime Bedeutung nicht zu schwächen. ^Ergötzliche Naivetät!^
Indeß war in jenem Briefe, wie ich mich bestimmt erinnere, unter Voraus¬
setzung solcher Abtretungen ^noch viel ergötzliches die unbeschränkte Selbständigkeit
und Unabhängigkeit des Königreichs Hannover besonders betont, und nach dem
Charakter des Königs glaube ich annehmen zu dürfen, daß er eine Einschränkung
der Souveränetüt, namentlich der Militärhoheit, kaum jemals angenommen
haben würde."

v. Heimbruch nahm zugleich ein Schreiben Platens an Bismarck mit, das
ungefähr dasselbe wie der Brief des Königs sagte und ebenfalls mehr in Per¬
sönlich vertraulichem als in diplomatisch officiellen Tone redete. Es verstand
sich von selbst, daß beide Briefe ohne Erfolg blieben. "Graf Bismark empfing
Herrn v. Heimbruch sehr artig, las das Schreiben des Grafen Platen und ver¬
sprach, seinem königlichen Herrn Mittheilung zu machen. Am Abend desselben
Tages aber erklärte er Heimbruch, daß Se. Majestät der König von Preußen
"icht in der Lage sei, das von dem Oberstleutnant überbrachte Schreiben ent¬
gegenzunehmen."

Sehr amüsant und sehr lehrreich ist endlich der Vortrag, in welchem Meding
seinem erlauchten Gönner auseinandersetzt, was nun zu thun sei, besonders
Punkt vier dieses politischen sermons. "So hoch dem Könige sein legitimes
Recht stand, so bestimmend dasselbe auch für uns, seine Diener und eventuell
auch für die Cabinette Europas sein mußte, so sagte ich ihm doch, daß das
legitime Recht allein in unsern Tagen kein bewegender Factor der Politik mehr
sei, wie es dies zu den Zeiten der Kämpfe gegen Napoleon den Ersten gewesen.
Ich erklärte es deshalb sür nothwendig, daß der König sich und seine Sache
mit einer großen, die Zeit bewegenden Idee verbinde, so daß sein Name gewisser¬
maßen zur Fahne für diese Idee und ihre Anhänger werde. Nach meiner Ueber¬
zeugung mußte diese Idee die demokratische sein, welche sich damals öder Ver¬
fasser denkt an die Couleur May, Mäher und Fresel zu den föderalistischen
Principien der nationalen Einigung Deutschlands bekannte. Es lag in der Natur
der Dinge, daß für die wichste Zeit Preußen sich einer straffen militärischen
Concentration zuwenden mußte, um mit dietatorischer Gewalt die erworbnen
Gebietstheile festzuhalten und den Widerstand in denselben zu brechen. Das
lag keineswegs in der Natur der Dinge und ist auch in der That nicht ein¬
getreten. Der Widerstand war sehr matt und zahm, und die "Dictatur," wenn
wir überhaupt von einer solchen reden dürfen, nichts weniger als gewaltthätig, i
Der liberale Parlamentarismus, so viel Spielraum mau ihn: auch an einzelnen
Theilen der Gesetzgebung einräumen mochte, konnte die damals unmittelbaren
Aufgabe,: Preußens nicht lösen, und es schien mir daher nothwendig jdaher,
welche Logik!s, daß der König, um alle zu der Politik Preußens in Gegensatz
tretenden Elemente um sich zu sammeln und deren geistige Führung in seine
Hand zu nehmen, der Demokratie sich zuwende und mit deren Führern in Ver-


Hannovers Lüde und Herr Meding.

erhalten, um dessen maritime Bedeutung nicht zu schwächen. ^Ergötzliche Naivetät!^
Indeß war in jenem Briefe, wie ich mich bestimmt erinnere, unter Voraus¬
setzung solcher Abtretungen ^noch viel ergötzliches die unbeschränkte Selbständigkeit
und Unabhängigkeit des Königreichs Hannover besonders betont, und nach dem
Charakter des Königs glaube ich annehmen zu dürfen, daß er eine Einschränkung
der Souveränetüt, namentlich der Militärhoheit, kaum jemals angenommen
haben würde."

v. Heimbruch nahm zugleich ein Schreiben Platens an Bismarck mit, das
ungefähr dasselbe wie der Brief des Königs sagte und ebenfalls mehr in Per¬
sönlich vertraulichem als in diplomatisch officiellen Tone redete. Es verstand
sich von selbst, daß beide Briefe ohne Erfolg blieben. „Graf Bismark empfing
Herrn v. Heimbruch sehr artig, las das Schreiben des Grafen Platen und ver¬
sprach, seinem königlichen Herrn Mittheilung zu machen. Am Abend desselben
Tages aber erklärte er Heimbruch, daß Se. Majestät der König von Preußen
"icht in der Lage sei, das von dem Oberstleutnant überbrachte Schreiben ent¬
gegenzunehmen."

Sehr amüsant und sehr lehrreich ist endlich der Vortrag, in welchem Meding
seinem erlauchten Gönner auseinandersetzt, was nun zu thun sei, besonders
Punkt vier dieses politischen sermons. „So hoch dem Könige sein legitimes
Recht stand, so bestimmend dasselbe auch für uns, seine Diener und eventuell
auch für die Cabinette Europas sein mußte, so sagte ich ihm doch, daß das
legitime Recht allein in unsern Tagen kein bewegender Factor der Politik mehr
sei, wie es dies zu den Zeiten der Kämpfe gegen Napoleon den Ersten gewesen.
Ich erklärte es deshalb sür nothwendig, daß der König sich und seine Sache
mit einer großen, die Zeit bewegenden Idee verbinde, so daß sein Name gewisser¬
maßen zur Fahne für diese Idee und ihre Anhänger werde. Nach meiner Ueber¬
zeugung mußte diese Idee die demokratische sein, welche sich damals öder Ver¬
fasser denkt an die Couleur May, Mäher und Fresel zu den föderalistischen
Principien der nationalen Einigung Deutschlands bekannte. Es lag in der Natur
der Dinge, daß für die wichste Zeit Preußen sich einer straffen militärischen
Concentration zuwenden mußte, um mit dietatorischer Gewalt die erworbnen
Gebietstheile festzuhalten und den Widerstand in denselben zu brechen. Das
lag keineswegs in der Natur der Dinge und ist auch in der That nicht ein¬
getreten. Der Widerstand war sehr matt und zahm, und die „Dictatur," wenn
wir überhaupt von einer solchen reden dürfen, nichts weniger als gewaltthätig, i
Der liberale Parlamentarismus, so viel Spielraum mau ihn: auch an einzelnen
Theilen der Gesetzgebung einräumen mochte, konnte die damals unmittelbaren
Aufgabe,: Preußens nicht lösen, und es schien mir daher nothwendig jdaher,
welche Logik!s, daß der König, um alle zu der Politik Preußens in Gegensatz
tretenden Elemente um sich zu sammeln und deren geistige Führung in seine
Hand zu nehmen, der Demokratie sich zuwende und mit deren Führern in Ver-


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[0235] Hannovers Lüde und Herr Meding. erhalten, um dessen maritime Bedeutung nicht zu schwächen. ^Ergötzliche Naivetät!^ Indeß war in jenem Briefe, wie ich mich bestimmt erinnere, unter Voraus¬ setzung solcher Abtretungen ^noch viel ergötzliches die unbeschränkte Selbständigkeit und Unabhängigkeit des Königreichs Hannover besonders betont, und nach dem Charakter des Königs glaube ich annehmen zu dürfen, daß er eine Einschränkung der Souveränetüt, namentlich der Militärhoheit, kaum jemals angenommen haben würde." v. Heimbruch nahm zugleich ein Schreiben Platens an Bismarck mit, das ungefähr dasselbe wie der Brief des Königs sagte und ebenfalls mehr in Per¬ sönlich vertraulichem als in diplomatisch officiellen Tone redete. Es verstand sich von selbst, daß beide Briefe ohne Erfolg blieben. „Graf Bismark empfing Herrn v. Heimbruch sehr artig, las das Schreiben des Grafen Platen und ver¬ sprach, seinem königlichen Herrn Mittheilung zu machen. Am Abend desselben Tages aber erklärte er Heimbruch, daß Se. Majestät der König von Preußen "icht in der Lage sei, das von dem Oberstleutnant überbrachte Schreiben ent¬ gegenzunehmen." Sehr amüsant und sehr lehrreich ist endlich der Vortrag, in welchem Meding seinem erlauchten Gönner auseinandersetzt, was nun zu thun sei, besonders Punkt vier dieses politischen sermons. „So hoch dem Könige sein legitimes Recht stand, so bestimmend dasselbe auch für uns, seine Diener und eventuell auch für die Cabinette Europas sein mußte, so sagte ich ihm doch, daß das legitime Recht allein in unsern Tagen kein bewegender Factor der Politik mehr sei, wie es dies zu den Zeiten der Kämpfe gegen Napoleon den Ersten gewesen. Ich erklärte es deshalb sür nothwendig, daß der König sich und seine Sache mit einer großen, die Zeit bewegenden Idee verbinde, so daß sein Name gewisser¬ maßen zur Fahne für diese Idee und ihre Anhänger werde. Nach meiner Ueber¬ zeugung mußte diese Idee die demokratische sein, welche sich damals öder Ver¬ fasser denkt an die Couleur May, Mäher und Fresel zu den föderalistischen Principien der nationalen Einigung Deutschlands bekannte. Es lag in der Natur der Dinge, daß für die wichste Zeit Preußen sich einer straffen militärischen Concentration zuwenden mußte, um mit dietatorischer Gewalt die erworbnen Gebietstheile festzuhalten und den Widerstand in denselben zu brechen. Das lag keineswegs in der Natur der Dinge und ist auch in der That nicht ein¬ getreten. Der Widerstand war sehr matt und zahm, und die „Dictatur," wenn wir überhaupt von einer solchen reden dürfen, nichts weniger als gewaltthätig, i Der liberale Parlamentarismus, so viel Spielraum mau ihn: auch an einzelnen Theilen der Gesetzgebung einräumen mochte, konnte die damals unmittelbaren Aufgabe,: Preußens nicht lösen, und es schien mir daher nothwendig jdaher, welche Logik!s, daß der König, um alle zu der Politik Preußens in Gegensatz tretenden Elemente um sich zu sammeln und deren geistige Führung in seine Hand zu nehmen, der Demokratie sich zuwende und mit deren Führern in Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/235>, abgerufen am 01.09.2024.