Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.Die Entwicklung der Feudalität und das deutsche Kriegswesen im frühen Mttelalter, Heeres, dessen Führern er die Lehen in zerstreuten Parzellen zuweisen konnte, Wenn die Ottonen nicht in völlige Abhängigkeit von den Fürsten kommen Heinrich I. hatte sich jede Einmischung in die Angelegenheiten der dein Es war ein höchst befremdliches Staatsgebilde, das auf diesem Wege gegen Die Entwicklung der Feudalität und das deutsche Kriegswesen im frühen Mttelalter, Heeres, dessen Führern er die Lehen in zerstreuten Parzellen zuweisen konnte, Wenn die Ottonen nicht in völlige Abhängigkeit von den Fürsten kommen Heinrich I. hatte sich jede Einmischung in die Angelegenheiten der dein Es war ein höchst befremdliches Staatsgebilde, das auf diesem Wege gegen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0206" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150356"/> <fw type="header" place="top"> Die Entwicklung der Feudalität und das deutsche Kriegswesen im frühen Mttelalter,</fw><lb/> <p xml:id="ID_683" prev="#ID_682"> Heeres, dessen Führern er die Lehen in zerstreuten Parzellen zuweisen konnte,<lb/> sondern er sah sich fürstlichen Grundherren gegenüber, die über ein Areal und<lb/> Personal verfügte», das an Werth nud Bedeutung sich dem der Krone zuweilen<lb/> vergleichen mochte. Die Zahl der unmittelbaren Reichsvassallen aber war überaus<lb/> gering und über das ganze Deutschland vereinzelt; diese wenigen hundert kleinen<lb/> Herren konnten kein nennenswerthes Gewicht in die Wagschale werfen. Erfolge<lb/> der innern Politik, wie etwa jene wissenschaftlich entwickelte Reichsadininistratiun<lb/> der anglo-normannischen Herrscher oder wie die skandinavischen Einrichtilngen eines<lb/> straff geordneten volksthümlichen Kriegs- und Steuerwesens, waren auf deutschem<lb/> Boden unerreichbar.</p><lb/> <p xml:id="ID_684"> Wenn die Ottonen nicht in völlige Abhängigkeit von den Fürsten kommen<lb/> wollten, so mußten sie sich auf ein Element stützen, welches andre Interessen<lb/> hatte als jene großen Lehensträger. Da nun zu jener Zeit die breite Mittel¬<lb/> schicht des Landvolkes in den befriedigenden Verhältnissen der sichern Hofrechte<lb/> lebte, da ferner die Städte noch keinerlei-politische Bedeutung hatten, so gab<lb/> es nur ein derartiges Element: die Geistlichkeit. Mit dieser ging denn auch<lb/> Otto I. ein enges Bündniß ein, und dazu war er um so mehr genöthigt, als<lb/> er zwar auf ein stärkeres Geltendmachen des Staatsgedankens in der innern<lb/> Politik verzichtete, dagegen entschlossen war, nach außen hin die Weltvvlitik Karls<lb/> des Großen wieder aufzunehmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_685"> Heinrich I. hatte sich jede Einmischung in die Angelegenheiten der dein<lb/> deutschen Volke eivilisatorisch ebenbürtigen Nationen versagt. Er hatte sich be¬<lb/> gnügt, die Grenzen zu wahren und der germanischen Kricgskraft die Wege nach<lb/> Osten zu weisen, wo sie den breitesten Tummelplatz und deutsche Kolonisation<lb/> den ergiebigsten Boden fand. Otto I. wollte Oberherr der Christenheit werden.<lb/> Während Heinrich in der Anerkennung seines Königthums durch das versammelte<lb/> Volk eine ausreichende Gewähr seiner Würde gefunden hatte, ließ Otto sich zu<lb/> Aachen großartig salben und krönen. Aber sobald er den Gedanken seiner Welt¬<lb/> herrschaft in Thaten umsetzen wollte, stieß er auf den Widerstand der deutschen<lb/> Partieulargewälten. Kaum traten seine Absichten auf Rom unzweifelhaft hervor,<lb/> so versammelten sich alle damals in Deutschland anwesenden Fürsten auf dem<lb/> sächsischen Saatfelde und legten energischen Widerspruch ein gegen die weitaus-<lb/> grcifendc Politik des Königs. Als dieser dennoch seinen Lieblingsgedanken weiter<lb/> verfolgte, da schaarte die Opposition sich zu jenem furchtbaren Aufstande zu¬<lb/> sammen, an dessen Spitze Ottos Erstgeborner selbst gegen den Vater das Schwert<lb/> erhob. Aber der König besiegte den innern wie den außer» Feind; er ver¬<lb/> wirklichte seine kühnen Pläne, erneuerte das römische Kciiserthnm und verband<lb/> es mit der Königskrone der deutschen Nation.</p><lb/> <p xml:id="ID_686" next="#ID_687"> Es war ein höchst befremdliches Staatsgebilde, das auf diesem Wege gegen<lb/> den Willen der Mehrzahl des deutschen wie des italischen Volkes inS Leben<lb/> gerufen wurde. Ueberall von kriegerischen und meist auch seetüchtigen Mächten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0206]
Die Entwicklung der Feudalität und das deutsche Kriegswesen im frühen Mttelalter,
Heeres, dessen Führern er die Lehen in zerstreuten Parzellen zuweisen konnte,
sondern er sah sich fürstlichen Grundherren gegenüber, die über ein Areal und
Personal verfügte», das an Werth nud Bedeutung sich dem der Krone zuweilen
vergleichen mochte. Die Zahl der unmittelbaren Reichsvassallen aber war überaus
gering und über das ganze Deutschland vereinzelt; diese wenigen hundert kleinen
Herren konnten kein nennenswerthes Gewicht in die Wagschale werfen. Erfolge
der innern Politik, wie etwa jene wissenschaftlich entwickelte Reichsadininistratiun
der anglo-normannischen Herrscher oder wie die skandinavischen Einrichtilngen eines
straff geordneten volksthümlichen Kriegs- und Steuerwesens, waren auf deutschem
Boden unerreichbar.
Wenn die Ottonen nicht in völlige Abhängigkeit von den Fürsten kommen
wollten, so mußten sie sich auf ein Element stützen, welches andre Interessen
hatte als jene großen Lehensträger. Da nun zu jener Zeit die breite Mittel¬
schicht des Landvolkes in den befriedigenden Verhältnissen der sichern Hofrechte
lebte, da ferner die Städte noch keinerlei-politische Bedeutung hatten, so gab
es nur ein derartiges Element: die Geistlichkeit. Mit dieser ging denn auch
Otto I. ein enges Bündniß ein, und dazu war er um so mehr genöthigt, als
er zwar auf ein stärkeres Geltendmachen des Staatsgedankens in der innern
Politik verzichtete, dagegen entschlossen war, nach außen hin die Weltvvlitik Karls
des Großen wieder aufzunehmen.
Heinrich I. hatte sich jede Einmischung in die Angelegenheiten der dein
deutschen Volke eivilisatorisch ebenbürtigen Nationen versagt. Er hatte sich be¬
gnügt, die Grenzen zu wahren und der germanischen Kricgskraft die Wege nach
Osten zu weisen, wo sie den breitesten Tummelplatz und deutsche Kolonisation
den ergiebigsten Boden fand. Otto I. wollte Oberherr der Christenheit werden.
Während Heinrich in der Anerkennung seines Königthums durch das versammelte
Volk eine ausreichende Gewähr seiner Würde gefunden hatte, ließ Otto sich zu
Aachen großartig salben und krönen. Aber sobald er den Gedanken seiner Welt¬
herrschaft in Thaten umsetzen wollte, stieß er auf den Widerstand der deutschen
Partieulargewälten. Kaum traten seine Absichten auf Rom unzweifelhaft hervor,
so versammelten sich alle damals in Deutschland anwesenden Fürsten auf dem
sächsischen Saatfelde und legten energischen Widerspruch ein gegen die weitaus-
grcifendc Politik des Königs. Als dieser dennoch seinen Lieblingsgedanken weiter
verfolgte, da schaarte die Opposition sich zu jenem furchtbaren Aufstande zu¬
sammen, an dessen Spitze Ottos Erstgeborner selbst gegen den Vater das Schwert
erhob. Aber der König besiegte den innern wie den außer» Feind; er ver¬
wirklichte seine kühnen Pläne, erneuerte das römische Kciiserthnm und verband
es mit der Königskrone der deutschen Nation.
Es war ein höchst befremdliches Staatsgebilde, das auf diesem Wege gegen
den Willen der Mehrzahl des deutschen wie des italischen Volkes inS Leben
gerufen wurde. Ueberall von kriegerischen und meist auch seetüchtigen Mächten
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