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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die Entwicklung der Lcudalilät und das deutsche Kriegswesen im frühen Mittelalier,

Entwicklungen unsers vaterländischen Volkslebens zum Schaden der Ccntral-
gewcilt ans.

Durch die Vereinigung der große" Besitzthümer des Lindvlfingische" Hauses
mit den namentlich in Schwaben immerhin noch sehr bedeutenden Resten des
karlingischen Reichsgutes war dies letztere räumlich außerordentlich vermehrt,
ohne doch bei seiner mangelhaften Verwaltung entsprechende Einnahmen zu ge¬
währen. Da übertrugen nun die Ottonen, zum Theil wohl unter dem Einflüsse
der streng kirchlich gesinnten Frauen des sächsischen Hauses, das Königsgut in
stets wachsenden Maßen als Reichslehen an die Kirche, sodaß diese bald wieder
zu ungeheuerm Reichthums emporstieg. Zunächst war das nicht schädlich für
die Krone; denn da die Bewirthschaftung jener Güter durch die kirchlichen Ge¬
nossenschaften weit sorgfältiger und ergiebiger ausfiel als unter der bisherigen
Verwaltung, so stieg auch ihre Leistungsfähigkeit für Reichszwecke, und in der
That haben während des ganzen Mittelalters neben dem unmittelbaren Krongute
die Kircheuleheu sich als die tüchtigsten Grundpfeiler der Königsmacht erwiesen,
zumal da deren Dieustmauuschaft, bei der größer" Abhängigkeit der geistlichen
Fürsten vom Könige, diesem in ausgedehnterer Weise zur Verfügung stand als
die der weltlichen Lehensträger. Es gab aber auch noch andere, tiefer liegende
Gründe, welche auf eine enge Verbindung des Königs mit der Geistlichkeit
hinwiesen.

Nothgedrungen hatte die Krone auf den Gedanken einer einheitlichen innern
Politik, wie er die Regierung Karls des Großen erfüllt hatte, verzichten müssen;
"och weniger war sie bisher imstande gewesen, die Weltpolitik Karls wieder
nnfzunchmen. Im Grunde genommen war der König nur im Besitze des höchsten
Friedens, der höchsten Richterwürde und der höchsten Kriegsgewalt; in allen
andern Dingen standen die Territorien ihm selbständig gegenüber. Jeder Stamm
beanspruchte für seine Genossen das Recht des heimischen Gerichts und Urtheils
und ließ hinsichtlich der großen Leistungen für -Krieg und Verwaltung kaum
andre als die eignen Interessen gelten. In der Behandlung aller Fragen der
innern Politik herrschte das bunteste Sonderleben. Was in Baiern das ge-
sammte Volk, der Möroiws Laivarioruiu, unter seines Herzogs Vorsitz verhandelte
und beschloß, darüber entschieden z.B. die nordelbischen Sachsen auf den Zu¬
sammenkünften der "Heere" der einzelnen Gaue. Sogar die nomineller Justiz¬
beamten des Königs die Grafen und Schöffen, ließen sich wesentlich von per¬
sönlichen oder localen Beweggründen leiten; schaarenweise zogen sich vor ihren
i""mer neuen Uebergriffen die kleinen Freien aus den Volksgerichtcn der Gaue
"ud Centen in die' Lwfrcchte zurück und vermehrten dadurch die Massen der
""terthänigen Leute der Fcudalanstokratie. Ju den Händen der großen deutschen
Geschlechter wuchsen Eigenthum und Lehen zu immer größern zusammenhängenden
Komplexen an. Der König vermochte wenig dagegen zu thun. Er stand ja
'naht, wie etwa Wilhelm der Eroberer, an der Spitze eines von ihm abhängigen


Die Entwicklung der Lcudalilät und das deutsche Kriegswesen im frühen Mittelalier,

Entwicklungen unsers vaterländischen Volkslebens zum Schaden der Ccntral-
gewcilt ans.

Durch die Vereinigung der große» Besitzthümer des Lindvlfingische» Hauses
mit den namentlich in Schwaben immerhin noch sehr bedeutenden Resten des
karlingischen Reichsgutes war dies letztere räumlich außerordentlich vermehrt,
ohne doch bei seiner mangelhaften Verwaltung entsprechende Einnahmen zu ge¬
währen. Da übertrugen nun die Ottonen, zum Theil wohl unter dem Einflüsse
der streng kirchlich gesinnten Frauen des sächsischen Hauses, das Königsgut in
stets wachsenden Maßen als Reichslehen an die Kirche, sodaß diese bald wieder
zu ungeheuerm Reichthums emporstieg. Zunächst war das nicht schädlich für
die Krone; denn da die Bewirthschaftung jener Güter durch die kirchlichen Ge¬
nossenschaften weit sorgfältiger und ergiebiger ausfiel als unter der bisherigen
Verwaltung, so stieg auch ihre Leistungsfähigkeit für Reichszwecke, und in der
That haben während des ganzen Mittelalters neben dem unmittelbaren Krongute
die Kircheuleheu sich als die tüchtigsten Grundpfeiler der Königsmacht erwiesen,
zumal da deren Dieustmauuschaft, bei der größer» Abhängigkeit der geistlichen
Fürsten vom Könige, diesem in ausgedehnterer Weise zur Verfügung stand als
die der weltlichen Lehensträger. Es gab aber auch noch andere, tiefer liegende
Gründe, welche auf eine enge Verbindung des Königs mit der Geistlichkeit
hinwiesen.

Nothgedrungen hatte die Krone auf den Gedanken einer einheitlichen innern
Politik, wie er die Regierung Karls des Großen erfüllt hatte, verzichten müssen;
»och weniger war sie bisher imstande gewesen, die Weltpolitik Karls wieder
nnfzunchmen. Im Grunde genommen war der König nur im Besitze des höchsten
Friedens, der höchsten Richterwürde und der höchsten Kriegsgewalt; in allen
andern Dingen standen die Territorien ihm selbständig gegenüber. Jeder Stamm
beanspruchte für seine Genossen das Recht des heimischen Gerichts und Urtheils
und ließ hinsichtlich der großen Leistungen für -Krieg und Verwaltung kaum
andre als die eignen Interessen gelten. In der Behandlung aller Fragen der
innern Politik herrschte das bunteste Sonderleben. Was in Baiern das ge-
sammte Volk, der Möroiws Laivarioruiu, unter seines Herzogs Vorsitz verhandelte
und beschloß, darüber entschieden z.B. die nordelbischen Sachsen auf den Zu¬
sammenkünften der „Heere" der einzelnen Gaue. Sogar die nomineller Justiz¬
beamten des Königs die Grafen und Schöffen, ließen sich wesentlich von per¬
sönlichen oder localen Beweggründen leiten; schaarenweise zogen sich vor ihren
i""mer neuen Uebergriffen die kleinen Freien aus den Volksgerichtcn der Gaue
"ud Centen in die' Lwfrcchte zurück und vermehrten dadurch die Massen der
""terthänigen Leute der Fcudalanstokratie. Ju den Händen der großen deutschen
Geschlechter wuchsen Eigenthum und Lehen zu immer größern zusammenhängenden
Komplexen an. Der König vermochte wenig dagegen zu thun. Er stand ja
'naht, wie etwa Wilhelm der Eroberer, an der Spitze eines von ihm abhängigen


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[0205] Die Entwicklung der Lcudalilät und das deutsche Kriegswesen im frühen Mittelalier, Entwicklungen unsers vaterländischen Volkslebens zum Schaden der Ccntral- gewcilt ans. Durch die Vereinigung der große» Besitzthümer des Lindvlfingische» Hauses mit den namentlich in Schwaben immerhin noch sehr bedeutenden Resten des karlingischen Reichsgutes war dies letztere räumlich außerordentlich vermehrt, ohne doch bei seiner mangelhaften Verwaltung entsprechende Einnahmen zu ge¬ währen. Da übertrugen nun die Ottonen, zum Theil wohl unter dem Einflüsse der streng kirchlich gesinnten Frauen des sächsischen Hauses, das Königsgut in stets wachsenden Maßen als Reichslehen an die Kirche, sodaß diese bald wieder zu ungeheuerm Reichthums emporstieg. Zunächst war das nicht schädlich für die Krone; denn da die Bewirthschaftung jener Güter durch die kirchlichen Ge¬ nossenschaften weit sorgfältiger und ergiebiger ausfiel als unter der bisherigen Verwaltung, so stieg auch ihre Leistungsfähigkeit für Reichszwecke, und in der That haben während des ganzen Mittelalters neben dem unmittelbaren Krongute die Kircheuleheu sich als die tüchtigsten Grundpfeiler der Königsmacht erwiesen, zumal da deren Dieustmauuschaft, bei der größer» Abhängigkeit der geistlichen Fürsten vom Könige, diesem in ausgedehnterer Weise zur Verfügung stand als die der weltlichen Lehensträger. Es gab aber auch noch andere, tiefer liegende Gründe, welche auf eine enge Verbindung des Königs mit der Geistlichkeit hinwiesen. Nothgedrungen hatte die Krone auf den Gedanken einer einheitlichen innern Politik, wie er die Regierung Karls des Großen erfüllt hatte, verzichten müssen; »och weniger war sie bisher imstande gewesen, die Weltpolitik Karls wieder nnfzunchmen. Im Grunde genommen war der König nur im Besitze des höchsten Friedens, der höchsten Richterwürde und der höchsten Kriegsgewalt; in allen andern Dingen standen die Territorien ihm selbständig gegenüber. Jeder Stamm beanspruchte für seine Genossen das Recht des heimischen Gerichts und Urtheils und ließ hinsichtlich der großen Leistungen für -Krieg und Verwaltung kaum andre als die eignen Interessen gelten. In der Behandlung aller Fragen der innern Politik herrschte das bunteste Sonderleben. Was in Baiern das ge- sammte Volk, der Möroiws Laivarioruiu, unter seines Herzogs Vorsitz verhandelte und beschloß, darüber entschieden z.B. die nordelbischen Sachsen auf den Zu¬ sammenkünften der „Heere" der einzelnen Gaue. Sogar die nomineller Justiz¬ beamten des Königs die Grafen und Schöffen, ließen sich wesentlich von per¬ sönlichen oder localen Beweggründen leiten; schaarenweise zogen sich vor ihren i""mer neuen Uebergriffen die kleinen Freien aus den Volksgerichtcn der Gaue "ud Centen in die' Lwfrcchte zurück und vermehrten dadurch die Massen der ""terthänigen Leute der Fcudalanstokratie. Ju den Händen der großen deutschen Geschlechter wuchsen Eigenthum und Lehen zu immer größern zusammenhängenden Komplexen an. Der König vermochte wenig dagegen zu thun. Er stand ja 'naht, wie etwa Wilhelm der Eroberer, an der Spitze eines von ihm abhängigen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/205>, abgerufen am 24.11.2024.