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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Hannovers Ende und Herr Meding.

Zwist zwischen den beiden leitenden Räthen der Krone nur befestigt n"d sonst
günstiger gestaltet werden konnte. Dem Charakter des Königs entsprechend, der
wie der Jehova der Juden keine anderen Götter neben sich duldete, und der,
ungefähr wie sein Oheim Georg der Vierte, nur ein wenig höflicher, gegen alte
hochgestellte Beamte, namentlich gegen seine jeweiligen Minister stets ein aus
Eifersucht und Mißtrauen gemischtes Gefühl empfand und sie gern merken ließ,
daß er und niemand anders der Herr und Gebieter sei, bequemte sich Meding,
dein niemals am Scheine, sondern am Wesen der Macht und des Einflusses
etwas gelegen war, fortdauernd eine dunkle und vor den Auge" des Publikums
wenig bedeutende Stellung einzunehmen; er sträubte sich gegen alle Rangerhöhung
und suchte keine klingenden Titel, war aber dafür thatsächlich, wenn mich in der
bescheidenen Gestalt eines Vorlesers und Privatsecretärs, der spiriws re-vor des
Königs, dein er vortrefflich nach dem Munde zu rede" verstand, und der bald
nichts mehr ohne seinen Rath that und notorisch über die amtlichen Vorträge
der Minister erst mit seinem Günstling conferirte.

Daß namentlich das letzte Ministerium, das durch seine absurde Politik
den Untergang der Selbständigkeit Hannovers herbeiführte, auf Mediugs Vor¬
schlag vom Könige zusammengesetzt war, wurde damals allgemein erzählt. Das
Buch selbst enthält eine Menge anderer Beispiele für diese Vertranensstelluug
Mediugs beim Könige. S. 133 räth jener zur Berufung des hannoverschen
Gesandten in Wien zur Jnstruiruug in einer wichtigen Frage. S. 171 legt
ihm der König das Gutachten des Staatsrnths Zimmermann über das Erbfolge¬
recht Hannovers in Braunschweig vor. S. 194 veranlaßt Meding die geheime
Absendung eines Emissärs zur Sondiruug der deutscheu Königshofe wegen des
von ihm entworfenen Plans zur Bildung einer Armee zwischen der preußischen
und der österreichischen; die Minister erfahren nichts davon. S. 205 empfiehlt er
dem Könige mit Erfolg den or. Ouro Klopp zur Anstellung als Archivrath
und Herausgeber der Leibnizschen Werke. S. 211 regt er bei dem Könige den
Gedanken an, den Prinzen Hermann Solms, abweichend von der traditionellen
fürstlichen Sitte, für die Civilearrwre zu bestimmen. In den kurhessischen Wirren
geht er mehrmals als eine Art außerordentlicher Gesandter zum Kurfürsten in
Kassel. Sehr einflußreich zeigt sich seine Ansicht während des Katechisnmsstreites,
wo er zum Nachgeben gegen den Widerstand des Volkes räth. S. 269 erzählt
er: "Da nun der König sein eigner Ministerpräsident sein wollte und sich die
Leitung des Gesammtministeriums selbst vorbehielt, so wurde mir der persön¬
liche Vortrag bei demselben übertragen, wobei meine Stellung zu ihm, welche
bisher eine rein außerdienstliche Vertrauenssache war, einen officiellen Boden
erhielt. Dies war mir natürlich sehr angenehm, erregte aber auch viel Mi߬
gunst und Neid und brachte auch viele Schwierigkeiten mit sich. Ich hatte die
Pflicht, dem Könige alle Fragen, welche in der Presse auftauchten, alle Angriffe
gegen die Regierung und gegen seine Person und mochten sie die heftigsten


Hannovers Ende und Herr Meding.

Zwist zwischen den beiden leitenden Räthen der Krone nur befestigt n»d sonst
günstiger gestaltet werden konnte. Dem Charakter des Königs entsprechend, der
wie der Jehova der Juden keine anderen Götter neben sich duldete, und der,
ungefähr wie sein Oheim Georg der Vierte, nur ein wenig höflicher, gegen alte
hochgestellte Beamte, namentlich gegen seine jeweiligen Minister stets ein aus
Eifersucht und Mißtrauen gemischtes Gefühl empfand und sie gern merken ließ,
daß er und niemand anders der Herr und Gebieter sei, bequemte sich Meding,
dein niemals am Scheine, sondern am Wesen der Macht und des Einflusses
etwas gelegen war, fortdauernd eine dunkle und vor den Auge» des Publikums
wenig bedeutende Stellung einzunehmen; er sträubte sich gegen alle Rangerhöhung
und suchte keine klingenden Titel, war aber dafür thatsächlich, wenn mich in der
bescheidenen Gestalt eines Vorlesers und Privatsecretärs, der spiriws re-vor des
Königs, dein er vortrefflich nach dem Munde zu rede» verstand, und der bald
nichts mehr ohne seinen Rath that und notorisch über die amtlichen Vorträge
der Minister erst mit seinem Günstling conferirte.

Daß namentlich das letzte Ministerium, das durch seine absurde Politik
den Untergang der Selbständigkeit Hannovers herbeiführte, auf Mediugs Vor¬
schlag vom Könige zusammengesetzt war, wurde damals allgemein erzählt. Das
Buch selbst enthält eine Menge anderer Beispiele für diese Vertranensstelluug
Mediugs beim Könige. S. 133 räth jener zur Berufung des hannoverschen
Gesandten in Wien zur Jnstruiruug in einer wichtigen Frage. S. 171 legt
ihm der König das Gutachten des Staatsrnths Zimmermann über das Erbfolge¬
recht Hannovers in Braunschweig vor. S. 194 veranlaßt Meding die geheime
Absendung eines Emissärs zur Sondiruug der deutscheu Königshofe wegen des
von ihm entworfenen Plans zur Bildung einer Armee zwischen der preußischen
und der österreichischen; die Minister erfahren nichts davon. S. 205 empfiehlt er
dem Könige mit Erfolg den or. Ouro Klopp zur Anstellung als Archivrath
und Herausgeber der Leibnizschen Werke. S. 211 regt er bei dem Könige den
Gedanken an, den Prinzen Hermann Solms, abweichend von der traditionellen
fürstlichen Sitte, für die Civilearrwre zu bestimmen. In den kurhessischen Wirren
geht er mehrmals als eine Art außerordentlicher Gesandter zum Kurfürsten in
Kassel. Sehr einflußreich zeigt sich seine Ansicht während des Katechisnmsstreites,
wo er zum Nachgeben gegen den Widerstand des Volkes räth. S. 269 erzählt
er: „Da nun der König sein eigner Ministerpräsident sein wollte und sich die
Leitung des Gesammtministeriums selbst vorbehielt, so wurde mir der persön¬
liche Vortrag bei demselben übertragen, wobei meine Stellung zu ihm, welche
bisher eine rein außerdienstliche Vertrauenssache war, einen officiellen Boden
erhielt. Dies war mir natürlich sehr angenehm, erregte aber auch viel Mi߬
gunst und Neid und brachte auch viele Schwierigkeiten mit sich. Ich hatte die
Pflicht, dem Könige alle Fragen, welche in der Presse auftauchten, alle Angriffe
gegen die Regierung und gegen seine Person und mochten sie die heftigsten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/194>, abgerufen am 26.11.2024.