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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Der Pariser Salon.

erhalten hat. Wenn die Herren der Berliner Jury Broziks neueste Arbeit sähen,
würden sie vor Entzücken außer sich gerathen und rufen: Seht, wir habe" dach
Recht gehabt! Recht und doch wieder nicht! Denn das prämiirte Bild war als
eine noch nicht ausgereifte Arbeit der höchsten Auszeichnung unwürdig, und
Recht insofern, als die Hoffnung, die man ans die fernere Entwicklung des Malers
gesetzt hat, nicht getäuscht worden ist. Brozik hat die Pilotyschulc durchgemacht
und ist dann uach Paris gegangen, wo besonders Muntacsy auf ihn gewirkt
haben soll. Die schweren, vollen Töne, die etwas dunkle Haltung, welche von
den Franzosen ängstlich vermieden wird, machen eine solche Einwirkung wahr¬
scheinlich. Sonst zeigt das neue Bild, "Columbus vertheidigt seiue Meinung
vor dem Hofe Ferdinands und Jsabellas", in der Komposition des Ganzen wie
im Arrangement des Einzelnen noch ganz deutlich den Einfluß PilotyS. Nur
die Farbe ist ungleich kräftiger, körperhafter, nicht tiefer, nicht von innen heraus
leuchtend, aber doch an der Oberflüche glänzender. Die Köpfe sind durchweg
sehr ausdrucksvoll, sorgfältig und mannichfaltig charakterisirt. Nur vermag der
Maler die Erinnerung an den slavischen Thpns nicht loszuwerden. Columbus
sieht beinahe wie Huß aus. Gleichwohl übertrifft das Gemälde an Gediegen¬
heit der Durchführung und Gründlichkeit des Studiums alle Historienbilder der
französischen Schule, welche gleichzeitig im Salon aufgestellt waren. --

Die Plastik spielt in einer Pariser Ausstellung eine ganz andre Rolle
als in einer deutschen. Mehr als 80V Bildwerke -- welch ein Wald von Statuen,
Gruppen, Büsten, Reliefs! Der Reichthum der Weltstadt, in welcher Crvsnsse
aus allen Theilen des Erdballs ihr Dominik aufgeschlagen, um in Ruhe und
umgeben von dem höchsten Luxus des Lebens das Erworbene zu genießen, spiegelt
sich in dieser Menge von Büsten ans Marmor, Bronze, farbigem Thon. In¬
sofern erregen diese sonst gleichgiltigen Physiognomien, die den Vesncher des
Salons schnell zu ennuyiren ansaugen, wenigstens ein enltnrhistorisches Interesse.
Man freut sich auch an der naturalistischen Durchführung der Details, wie Bnrt-
nnd Haupthaar behandelt, wie die Augen ausgehöhlt sind, damit durch die Schatten-
wirkung der Schein des Lebens hervorgerufen wird, wie das Stoffliche charak¬
terisirt ist u. tgi. in. Die ruhige Größe der Auffassung, an die uns Rauch,
Rietschel und ihre Schüler gewöhnt haben, vermissen wir freilich. Vor lauter
Unruhe in den Details kommt es nirgends zu einer concentrirten Wirkung, und
daraus erklärt es sich auch, daß deu Franzosen Werte von großem, monumentalen
Wurf so selten gelingen. Rietschel, Schilling und neuerdings Schayer haben uns
an einer ganzen Reihe wohlgelnngner Arbeiten gezeigt, daß sich Größe der Auf-
fassung mit einer feinen Durchbildung der Form und mit Grazie der Bewegung
vereinigen lassen. Die Franzosen kennen immer nur das eine ohne das andre.
Das sahe" wir auch in diesem Jahre an der eolossalen Gruppe von Barrias,
der Vertheidigung von Paris, dem einzigen monumentalen Werke französischen
Ursprungs, was ernstlich in Betracht kommen konnte: einer Personification der


Der Pariser Salon.

erhalten hat. Wenn die Herren der Berliner Jury Broziks neueste Arbeit sähen,
würden sie vor Entzücken außer sich gerathen und rufen: Seht, wir habe» dach
Recht gehabt! Recht und doch wieder nicht! Denn das prämiirte Bild war als
eine noch nicht ausgereifte Arbeit der höchsten Auszeichnung unwürdig, und
Recht insofern, als die Hoffnung, die man ans die fernere Entwicklung des Malers
gesetzt hat, nicht getäuscht worden ist. Brozik hat die Pilotyschulc durchgemacht
und ist dann uach Paris gegangen, wo besonders Muntacsy auf ihn gewirkt
haben soll. Die schweren, vollen Töne, die etwas dunkle Haltung, welche von
den Franzosen ängstlich vermieden wird, machen eine solche Einwirkung wahr¬
scheinlich. Sonst zeigt das neue Bild, „Columbus vertheidigt seiue Meinung
vor dem Hofe Ferdinands und Jsabellas", in der Komposition des Ganzen wie
im Arrangement des Einzelnen noch ganz deutlich den Einfluß PilotyS. Nur
die Farbe ist ungleich kräftiger, körperhafter, nicht tiefer, nicht von innen heraus
leuchtend, aber doch an der Oberflüche glänzender. Die Köpfe sind durchweg
sehr ausdrucksvoll, sorgfältig und mannichfaltig charakterisirt. Nur vermag der
Maler die Erinnerung an den slavischen Thpns nicht loszuwerden. Columbus
sieht beinahe wie Huß aus. Gleichwohl übertrifft das Gemälde an Gediegen¬
heit der Durchführung und Gründlichkeit des Studiums alle Historienbilder der
französischen Schule, welche gleichzeitig im Salon aufgestellt waren. —

Die Plastik spielt in einer Pariser Ausstellung eine ganz andre Rolle
als in einer deutschen. Mehr als 80V Bildwerke — welch ein Wald von Statuen,
Gruppen, Büsten, Reliefs! Der Reichthum der Weltstadt, in welcher Crvsnsse
aus allen Theilen des Erdballs ihr Dominik aufgeschlagen, um in Ruhe und
umgeben von dem höchsten Luxus des Lebens das Erworbene zu genießen, spiegelt
sich in dieser Menge von Büsten ans Marmor, Bronze, farbigem Thon. In¬
sofern erregen diese sonst gleichgiltigen Physiognomien, die den Vesncher des
Salons schnell zu ennuyiren ansaugen, wenigstens ein enltnrhistorisches Interesse.
Man freut sich auch an der naturalistischen Durchführung der Details, wie Bnrt-
nnd Haupthaar behandelt, wie die Augen ausgehöhlt sind, damit durch die Schatten-
wirkung der Schein des Lebens hervorgerufen wird, wie das Stoffliche charak¬
terisirt ist u. tgi. in. Die ruhige Größe der Auffassung, an die uns Rauch,
Rietschel und ihre Schüler gewöhnt haben, vermissen wir freilich. Vor lauter
Unruhe in den Details kommt es nirgends zu einer concentrirten Wirkung, und
daraus erklärt es sich auch, daß deu Franzosen Werte von großem, monumentalen
Wurf so selten gelingen. Rietschel, Schilling und neuerdings Schayer haben uns
an einer ganzen Reihe wohlgelnngner Arbeiten gezeigt, daß sich Größe der Auf-
fassung mit einer feinen Durchbildung der Form und mit Grazie der Bewegung
vereinigen lassen. Die Franzosen kennen immer nur das eine ohne das andre.
Das sahe» wir auch in diesem Jahre an der eolossalen Gruppe von Barrias,
der Vertheidigung von Paris, dem einzigen monumentalen Werke französischen
Ursprungs, was ernstlich in Betracht kommen konnte: einer Personification der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/180>, abgerufen am 27.11.2024.