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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Stadt, von Trophäen und ihren Vertheidigern umgeben. Schwung, Pathos und
Bewegung fehlten der Gruppe nicht, aber das Ganze wirkte zu massig, zu plump,
weil die feinere Detaillirung der Formen fehlte. In den entgegengesetzten Fehler
war ein englischer Bildhauer Lord G o w e r verfallen, dessen Shnkcspeare-Monument
an übergroßer Zierlichkeit litt, unter welcher die monumentale Wirkuug verloren
ging. Es ist ein brunnenartiger Aufbau mit der Büste des Dichters als Krönung
des Ganzen und den Hauptgestalten seiner Dramen, Hamlet, Falstaff, Romeo u. f. w.
in der unteren Etage. Ging man ans das Einzelne ein, so fand mau überall
die karge Trockenheit, welche die englische Plastik charakterisirt und welche neben der
malerischen Fülle und Ausgiebigkeit der französischen Bildwerke doppelt hervor¬
trat. Zwei glückliche Treffer ans monumentalen Gebiete hatten dagegen zwei
auswärtige Bildhauer ausgestellt, der Belgier de Groot die Personification der
Arbeit, die höchst realistisch aufgefaßte Bronzcstatue eines Maschinenarbeiters für
ein Bahnhofsgebäude, und der Pole Antokolski, der sich offenbar nach den
Principien der Rauchschen Schule gebildet, eine Statue Peters des Großen.

In der Behandlung der Terraeotta haben die Franzosen eine Meister¬
schaft errungen, die in der ganzen Kunstgeschichte ihresgleichen sucht. Es ist-
jetzt Mode geworden, über den bemalten Terracottafigure" von Tanagra in
Wonne zu zerfließen. Wer aber kein blinder Anbeter alles dessen ist, was
ans dem "heiligen Boden von Hellas" an das Licht des 19. Jahrhunderts ge¬
zogen wird, sondern wer anch die altgriechischen Kunstwerke unter derselben
scharfen Lupe der Kritik betrachtet, mit welcher er die modernen zu analysiren
pflegt, der wird sein Entzücken dämpfen und Ehre geben, wem Ehre gebührt.
Auch die tanagräischen Töpfer haben sicherlich nicht nach eigenen Erfindungen,
sondern nach Modellen hervorragender Künstler gearbeitet; aber ihre Technik
war noch so wenig entwickelt, daß die Intentionen jener doch mir zu sehr
rohem Ausdruck gekommen sind. Beim Brennen sind viele dieser Figuren aus
ihren Proportionen gerathen, und die Behandlung des Faltenwurfs der Ge¬
wänder zeigt doch noch einen recht primitiven Standpunkt. Wie der Leser ge¬
sehen hat, gehöre ich nicht zu denjenigen, welche die französische Kunst mit
übermäßigem Wohlwollen betrachten. Aber die Billigkeit fordert es, daß man
ihnen Tcrracvttaarbeiten, insbesondere denjenigen mit dem zart hellrothen Ton,
eine unbedingte Bewunderung zolle, die einen Vergleich mit den Leistungen eines
anderen Volkes ausschließt.

Im allgemeinen ist das Durchschnittsniveau der französischen Bildhauer viel
höher als das der Maler. Die erster" folgen viel dichter den Spuren der
Antike als die letzteren denen der Großmeister der Renaissance. Es scheint,
daß die französische Kunstschule in Rom nach dieser Richtung hin auf die Bild¬
hauer einen sehr günstigen Einfluß ausübt, während die Maler so schnell als
möglich die elastischen Reminiscenzen abstreifen, um in den Strudel der Pariser
Atcliertraditioucu unterzutauchen. Unschöne Extravaganzen und die Sucht,


Stadt, von Trophäen und ihren Vertheidigern umgeben. Schwung, Pathos und
Bewegung fehlten der Gruppe nicht, aber das Ganze wirkte zu massig, zu plump,
weil die feinere Detaillirung der Formen fehlte. In den entgegengesetzten Fehler
war ein englischer Bildhauer Lord G o w e r verfallen, dessen Shnkcspeare-Monument
an übergroßer Zierlichkeit litt, unter welcher die monumentale Wirkuug verloren
ging. Es ist ein brunnenartiger Aufbau mit der Büste des Dichters als Krönung
des Ganzen und den Hauptgestalten seiner Dramen, Hamlet, Falstaff, Romeo u. f. w.
in der unteren Etage. Ging man ans das Einzelne ein, so fand mau überall
die karge Trockenheit, welche die englische Plastik charakterisirt und welche neben der
malerischen Fülle und Ausgiebigkeit der französischen Bildwerke doppelt hervor¬
trat. Zwei glückliche Treffer ans monumentalen Gebiete hatten dagegen zwei
auswärtige Bildhauer ausgestellt, der Belgier de Groot die Personification der
Arbeit, die höchst realistisch aufgefaßte Bronzcstatue eines Maschinenarbeiters für
ein Bahnhofsgebäude, und der Pole Antokolski, der sich offenbar nach den
Principien der Rauchschen Schule gebildet, eine Statue Peters des Großen.

In der Behandlung der Terraeotta haben die Franzosen eine Meister¬
schaft errungen, die in der ganzen Kunstgeschichte ihresgleichen sucht. Es ist-
jetzt Mode geworden, über den bemalten Terracottafigure» von Tanagra in
Wonne zu zerfließen. Wer aber kein blinder Anbeter alles dessen ist, was
ans dem „heiligen Boden von Hellas" an das Licht des 19. Jahrhunderts ge¬
zogen wird, sondern wer anch die altgriechischen Kunstwerke unter derselben
scharfen Lupe der Kritik betrachtet, mit welcher er die modernen zu analysiren
pflegt, der wird sein Entzücken dämpfen und Ehre geben, wem Ehre gebührt.
Auch die tanagräischen Töpfer haben sicherlich nicht nach eigenen Erfindungen,
sondern nach Modellen hervorragender Künstler gearbeitet; aber ihre Technik
war noch so wenig entwickelt, daß die Intentionen jener doch mir zu sehr
rohem Ausdruck gekommen sind. Beim Brennen sind viele dieser Figuren aus
ihren Proportionen gerathen, und die Behandlung des Faltenwurfs der Ge¬
wänder zeigt doch noch einen recht primitiven Standpunkt. Wie der Leser ge¬
sehen hat, gehöre ich nicht zu denjenigen, welche die französische Kunst mit
übermäßigem Wohlwollen betrachten. Aber die Billigkeit fordert es, daß man
ihnen Tcrracvttaarbeiten, insbesondere denjenigen mit dem zart hellrothen Ton,
eine unbedingte Bewunderung zolle, die einen Vergleich mit den Leistungen eines
anderen Volkes ausschließt.

Im allgemeinen ist das Durchschnittsniveau der französischen Bildhauer viel
höher als das der Maler. Die erster» folgen viel dichter den Spuren der
Antike als die letzteren denen der Großmeister der Renaissance. Es scheint,
daß die französische Kunstschule in Rom nach dieser Richtung hin auf die Bild¬
hauer einen sehr günstigen Einfluß ausübt, während die Maler so schnell als
möglich die elastischen Reminiscenzen abstreifen, um in den Strudel der Pariser
Atcliertraditioucu unterzutauchen. Unschöne Extravaganzen und die Sucht,


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[0181] Stadt, von Trophäen und ihren Vertheidigern umgeben. Schwung, Pathos und Bewegung fehlten der Gruppe nicht, aber das Ganze wirkte zu massig, zu plump, weil die feinere Detaillirung der Formen fehlte. In den entgegengesetzten Fehler war ein englischer Bildhauer Lord G o w e r verfallen, dessen Shnkcspeare-Monument an übergroßer Zierlichkeit litt, unter welcher die monumentale Wirkuug verloren ging. Es ist ein brunnenartiger Aufbau mit der Büste des Dichters als Krönung des Ganzen und den Hauptgestalten seiner Dramen, Hamlet, Falstaff, Romeo u. f. w. in der unteren Etage. Ging man ans das Einzelne ein, so fand mau überall die karge Trockenheit, welche die englische Plastik charakterisirt und welche neben der malerischen Fülle und Ausgiebigkeit der französischen Bildwerke doppelt hervor¬ trat. Zwei glückliche Treffer ans monumentalen Gebiete hatten dagegen zwei auswärtige Bildhauer ausgestellt, der Belgier de Groot die Personification der Arbeit, die höchst realistisch aufgefaßte Bronzcstatue eines Maschinenarbeiters für ein Bahnhofsgebäude, und der Pole Antokolski, der sich offenbar nach den Principien der Rauchschen Schule gebildet, eine Statue Peters des Großen. In der Behandlung der Terraeotta haben die Franzosen eine Meister¬ schaft errungen, die in der ganzen Kunstgeschichte ihresgleichen sucht. Es ist- jetzt Mode geworden, über den bemalten Terracottafigure» von Tanagra in Wonne zu zerfließen. Wer aber kein blinder Anbeter alles dessen ist, was ans dem „heiligen Boden von Hellas" an das Licht des 19. Jahrhunderts ge¬ zogen wird, sondern wer anch die altgriechischen Kunstwerke unter derselben scharfen Lupe der Kritik betrachtet, mit welcher er die modernen zu analysiren pflegt, der wird sein Entzücken dämpfen und Ehre geben, wem Ehre gebührt. Auch die tanagräischen Töpfer haben sicherlich nicht nach eigenen Erfindungen, sondern nach Modellen hervorragender Künstler gearbeitet; aber ihre Technik war noch so wenig entwickelt, daß die Intentionen jener doch mir zu sehr rohem Ausdruck gekommen sind. Beim Brennen sind viele dieser Figuren aus ihren Proportionen gerathen, und die Behandlung des Faltenwurfs der Ge¬ wänder zeigt doch noch einen recht primitiven Standpunkt. Wie der Leser ge¬ sehen hat, gehöre ich nicht zu denjenigen, welche die französische Kunst mit übermäßigem Wohlwollen betrachten. Aber die Billigkeit fordert es, daß man ihnen Tcrracvttaarbeiten, insbesondere denjenigen mit dem zart hellrothen Ton, eine unbedingte Bewunderung zolle, die einen Vergleich mit den Leistungen eines anderen Volkes ausschließt. Im allgemeinen ist das Durchschnittsniveau der französischen Bildhauer viel höher als das der Maler. Die erster» folgen viel dichter den Spuren der Antike als die letzteren denen der Großmeister der Renaissance. Es scheint, daß die französische Kunstschule in Rom nach dieser Richtung hin auf die Bild¬ hauer einen sehr günstigen Einfluß ausübt, während die Maler so schnell als möglich die elastischen Reminiscenzen abstreifen, um in den Strudel der Pariser Atcliertraditioucu unterzutauchen. Unschöne Extravaganzen und die Sucht,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/181>, abgerufen am 01.09.2024.