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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Der pariser Salon.

einen Theil von dem großen Friese für das Pantheon ausgestellt, der, von ver-
schiednen Künstlern ausgeführt, eine große Procession von Heiligen zum Gegen¬
stande hat. Blanc schildert den Triumphzug des Hi. Chlodwig, lauter Figuren
auf Goldgrund in der strengen, wahrhaft monumentalen Art der alten Floren¬
tiner, fast an Masaccio oder Filippo Lippi erinnernd. Das merkwürdigste an
diesem Gemälde ist jedenfalls, daß Blanc, auch hierin den alten Florentinern
folgend, den Heiligen der Geschichte die Züge der Heiligen der modernen Re¬
publik gegeben hat. Auf dem Körper eines Bischofs im Gefolge Chlodwigs sitzt
der Kopf Gmnbettas, hinter ihm steht Barthelemy Se. Hilaire, und an ihn reihen
sich einige radicale Deputirte, die gerade in der Mode sind. Den Schluß des
Zuges bildet ein Mönch, zu welchem gar der Komiker des Theure FraneMs,
Cvanelin, Modell gestanden hat.

Das zweite der in Rede stehenden Bilder ist zum Schmuck des Standes¬
amts in der Mairie des 19. Arrondissements bestimmt. Der Gedanke, diese
Räume, in welchen die wichtigsten Aete des Lebens meist in einer nüchternen,
geschäftsmäßigen Weise abgethan werden, durch die Kunst zu adeln und zu weihen,
verdient nicht nur höchste Anerkennung, sondern ist auch in Deutschland zur Nach¬
ahmung zu empfehlen, wo sich bekanntlich derartige Localitäten -- wenigstens
ist das in Berlin der Fall -- in einem beklagenswerth unwürdigen Zustande
befinde". Daß aber Henri Gervex, der Maler des Bildes, einer der talent¬
vollsten der jüngeren Schule, zum Gegenstande desselben die Civiltrauuug selbst
gewählt hat oder wählen mußte, finde ich nicht passend. In lebensgroßen Figuren
wird uns an der Wand vorgeführt, was sich mehrere male täglich im Saale
abspielt, der ganze Apparat einer modernen Pariser Hochzeit mit allem Glanz
und Flitter. Nehmen wir an, es zieht eine bescheidne oder gar ärmliche Hoch¬
zeit auf, und der Blick der Gäste fällt auf das pomphafte Tableau an der Wand:
die Folge wird eine gewisse Verstimmung sein, eine Regung des Mißbehagens
oder gar des Neides, und das Gegentheil vou dem ist erreicht, was die bildende
Kunst bezweckt. Wenn mau an diesem Prineip festhält, muß die Aula eines
Gymnasiums mit der Schilderung einer großen Schulprüfung, die Wand einer
Beerdignngshalle mit der Darstellung eines Begräbnisses geschmückt werden. In
Räumen dieser Art soll sich aber der Geist des Menschen über das Alltägliche
erheben, es soll eine ideale Stimmung über ihn kommen, und eine solche wird
durch Darstellungen aus dem gewöhnlichen Leben nicht hervorgerufen. Wenn
irgendwo, so sind hier allegorisch-einblematische oder historische Schildereien am
Ort, und drum hat Schützenberger einen viel passenderen Ton angeschlagen,
indem er für die Mairie von Rheims, zugleich anknüpfend an die Vergangenheit
der Stadt, das Ceremoniell einer altrömischen Hochzeit malte.

Das dritte der Bilder, die eine besondre Beachtung fordern, ist von dem
jungen Czechen Vaeslav Brozik gemalt, der im vorigen Jahre in Berlin für
ein schwächliches Anfängerbild zum allgemeinen Erstaunen die große goldne Medaille


Der pariser Salon.

einen Theil von dem großen Friese für das Pantheon ausgestellt, der, von ver-
schiednen Künstlern ausgeführt, eine große Procession von Heiligen zum Gegen¬
stande hat. Blanc schildert den Triumphzug des Hi. Chlodwig, lauter Figuren
auf Goldgrund in der strengen, wahrhaft monumentalen Art der alten Floren¬
tiner, fast an Masaccio oder Filippo Lippi erinnernd. Das merkwürdigste an
diesem Gemälde ist jedenfalls, daß Blanc, auch hierin den alten Florentinern
folgend, den Heiligen der Geschichte die Züge der Heiligen der modernen Re¬
publik gegeben hat. Auf dem Körper eines Bischofs im Gefolge Chlodwigs sitzt
der Kopf Gmnbettas, hinter ihm steht Barthelemy Se. Hilaire, und an ihn reihen
sich einige radicale Deputirte, die gerade in der Mode sind. Den Schluß des
Zuges bildet ein Mönch, zu welchem gar der Komiker des Theure FraneMs,
Cvanelin, Modell gestanden hat.

Das zweite der in Rede stehenden Bilder ist zum Schmuck des Standes¬
amts in der Mairie des 19. Arrondissements bestimmt. Der Gedanke, diese
Räume, in welchen die wichtigsten Aete des Lebens meist in einer nüchternen,
geschäftsmäßigen Weise abgethan werden, durch die Kunst zu adeln und zu weihen,
verdient nicht nur höchste Anerkennung, sondern ist auch in Deutschland zur Nach¬
ahmung zu empfehlen, wo sich bekanntlich derartige Localitäten — wenigstens
ist das in Berlin der Fall — in einem beklagenswerth unwürdigen Zustande
befinde». Daß aber Henri Gervex, der Maler des Bildes, einer der talent¬
vollsten der jüngeren Schule, zum Gegenstande desselben die Civiltrauuug selbst
gewählt hat oder wählen mußte, finde ich nicht passend. In lebensgroßen Figuren
wird uns an der Wand vorgeführt, was sich mehrere male täglich im Saale
abspielt, der ganze Apparat einer modernen Pariser Hochzeit mit allem Glanz
und Flitter. Nehmen wir an, es zieht eine bescheidne oder gar ärmliche Hoch¬
zeit auf, und der Blick der Gäste fällt auf das pomphafte Tableau an der Wand:
die Folge wird eine gewisse Verstimmung sein, eine Regung des Mißbehagens
oder gar des Neides, und das Gegentheil vou dem ist erreicht, was die bildende
Kunst bezweckt. Wenn mau an diesem Prineip festhält, muß die Aula eines
Gymnasiums mit der Schilderung einer großen Schulprüfung, die Wand einer
Beerdignngshalle mit der Darstellung eines Begräbnisses geschmückt werden. In
Räumen dieser Art soll sich aber der Geist des Menschen über das Alltägliche
erheben, es soll eine ideale Stimmung über ihn kommen, und eine solche wird
durch Darstellungen aus dem gewöhnlichen Leben nicht hervorgerufen. Wenn
irgendwo, so sind hier allegorisch-einblematische oder historische Schildereien am
Ort, und drum hat Schützenberger einen viel passenderen Ton angeschlagen,
indem er für die Mairie von Rheims, zugleich anknüpfend an die Vergangenheit
der Stadt, das Ceremoniell einer altrömischen Hochzeit malte.

Das dritte der Bilder, die eine besondre Beachtung fordern, ist von dem
jungen Czechen Vaeslav Brozik gemalt, der im vorigen Jahre in Berlin für
ein schwächliches Anfängerbild zum allgemeinen Erstaunen die große goldne Medaille


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[0179] Der pariser Salon. einen Theil von dem großen Friese für das Pantheon ausgestellt, der, von ver- schiednen Künstlern ausgeführt, eine große Procession von Heiligen zum Gegen¬ stande hat. Blanc schildert den Triumphzug des Hi. Chlodwig, lauter Figuren auf Goldgrund in der strengen, wahrhaft monumentalen Art der alten Floren¬ tiner, fast an Masaccio oder Filippo Lippi erinnernd. Das merkwürdigste an diesem Gemälde ist jedenfalls, daß Blanc, auch hierin den alten Florentinern folgend, den Heiligen der Geschichte die Züge der Heiligen der modernen Re¬ publik gegeben hat. Auf dem Körper eines Bischofs im Gefolge Chlodwigs sitzt der Kopf Gmnbettas, hinter ihm steht Barthelemy Se. Hilaire, und an ihn reihen sich einige radicale Deputirte, die gerade in der Mode sind. Den Schluß des Zuges bildet ein Mönch, zu welchem gar der Komiker des Theure FraneMs, Cvanelin, Modell gestanden hat. Das zweite der in Rede stehenden Bilder ist zum Schmuck des Standes¬ amts in der Mairie des 19. Arrondissements bestimmt. Der Gedanke, diese Räume, in welchen die wichtigsten Aete des Lebens meist in einer nüchternen, geschäftsmäßigen Weise abgethan werden, durch die Kunst zu adeln und zu weihen, verdient nicht nur höchste Anerkennung, sondern ist auch in Deutschland zur Nach¬ ahmung zu empfehlen, wo sich bekanntlich derartige Localitäten — wenigstens ist das in Berlin der Fall — in einem beklagenswerth unwürdigen Zustande befinde». Daß aber Henri Gervex, der Maler des Bildes, einer der talent¬ vollsten der jüngeren Schule, zum Gegenstande desselben die Civiltrauuug selbst gewählt hat oder wählen mußte, finde ich nicht passend. In lebensgroßen Figuren wird uns an der Wand vorgeführt, was sich mehrere male täglich im Saale abspielt, der ganze Apparat einer modernen Pariser Hochzeit mit allem Glanz und Flitter. Nehmen wir an, es zieht eine bescheidne oder gar ärmliche Hoch¬ zeit auf, und der Blick der Gäste fällt auf das pomphafte Tableau an der Wand: die Folge wird eine gewisse Verstimmung sein, eine Regung des Mißbehagens oder gar des Neides, und das Gegentheil vou dem ist erreicht, was die bildende Kunst bezweckt. Wenn mau an diesem Prineip festhält, muß die Aula eines Gymnasiums mit der Schilderung einer großen Schulprüfung, die Wand einer Beerdignngshalle mit der Darstellung eines Begräbnisses geschmückt werden. In Räumen dieser Art soll sich aber der Geist des Menschen über das Alltägliche erheben, es soll eine ideale Stimmung über ihn kommen, und eine solche wird durch Darstellungen aus dem gewöhnlichen Leben nicht hervorgerufen. Wenn irgendwo, so sind hier allegorisch-einblematische oder historische Schildereien am Ort, und drum hat Schützenberger einen viel passenderen Ton angeschlagen, indem er für die Mairie von Rheims, zugleich anknüpfend an die Vergangenheit der Stadt, das Ceremoniell einer altrömischen Hochzeit malte. Das dritte der Bilder, die eine besondre Beachtung fordern, ist von dem jungen Czechen Vaeslav Brozik gemalt, der im vorigen Jahre in Berlin für ein schwächliches Anfängerbild zum allgemeinen Erstaunen die große goldne Medaille

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/179>, abgerufen am 01.09.2024.