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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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glaubt an seine Doppelschuld. Er muß um so mehr bestürzt sein, als er über¬
zeugt war, daß das Geheimniß seiner Schuld sorgfältig gehütet worden sei und
er nicht glauben konnte, daß seine That Folgen schwerster Art nach sich ziehen
werde. Zu diesem tritt, daß das Volk, sittlich ergriffen, das Priesterthum voll
hierarchischer Gelüste, das Heer, durch den Meuchelmord des populärsten Feld¬
herrn entsetzt, gegen ihn auftreten, daß ihm mit einem Worte alle Macht ent¬
schwindet, da er sie am nothwendigsten brauchte. Die Königin wird ans die
Anklagebank gesetzt und kommt dein Urtheile zuvor, indem sie sich selbst richtet,
dem Könige wird die Krone von Priesterhand genommen und nur wie aus Gnade
auf den frühern, nunmehr geschändeten Platz gesetzt, furchtbar für deu Manu,
der von allein Anfange an den Schwerpunkt in der Gewalt gesucht und gefunden.

Die interessanteste Kritik über das "Weib des Urias" hat wohl Heinrich
Heine geschrieben; wir finden sie in einem Briefe vom October 1852. (Werke,
Band 21.) "Das Stück," schreibt Heine, "hat einen sehr bedeutenden Eindruck
auf mich gemacht, und ich prvguvstieire Ihnen eine schöne Zukunft auf diesem
Gebiete. Das Stück ist mit einem kühnen Verstände geschrieben und hat nur
den Fehler, daß es der ganzen deutschen Sentimentalität ins Gesicht schlägt.
Interessant war es mir, daß die Handlung eine solche, die fortwährend über die
Zwecke der Personen Hinalls wächst. Dies giebt dem Drama etwas Ueber-
raschendes, Dämonisches, und erinnert an Felsen, die, je weiter man geht, mit
neuen überraschenden Zacken hervorschießen. Ihre Batseba ist eine schöne, reine
Gestalt, mit dem keuschen Pinsel entworfen und im Gegensatz zu ihr ihr Gemahl,
der kalte Tyrann voll Energie und Geistesgegenwart, der er wirklich gewesen.
Im dritten Acte ist man wahrlich in die Wüste versetzt, am schönsten aber
scheinen mir die zwei letzten Acte gelungen zu sein. Wer solch ein Drama ge¬
schrieben, der mag sich freuen. Ueber die Bornirtheit Ihrer Recensenten ist nichts
zu sagen. Sie vermissen die patriarchalische Welt in Ihrem Stücke, welches
freilich kein biblisches im alten Sinne des Wortes genannt werden kann. Die
Weltanschauung darin nennen sie raffinirt. Als ob es eine Zeit gegeben hätte,
in der die Juden nicht raffinirt gewesen wären!"

So urtheilte Name. Aber die eigentlich gegen alles Ungeronnene streitende
Behandlung rief im allgemeinen kein günstiges Urtheil hervor. Dies verstimmte
zwar den Autor, brachte ihn aber vorerst von seinem Wege nicht ab. Nachdem
Wohl die moralische Seite seines Dramas vielfach, doch nicht die dramatische
""gegriffen worden war, wollte er mit einem Schauspiele hervortreten, mit all¬
gemein verständlicher Frage, das sich an die Bühnen wendete. Der Conflict
eines mittellos ins Leben geworfenen Talentes mit einer Zeit, die den Menschen
nach dem, was er besitzt/zu messen gewohnt ist. sollte sein Gegenstand sein.
.Die Welt des Geldes" wurde während eines Aufenthaltes am Gmündner See
^schrieben, und Meißner erlebte in Prag am Abend der ersten Aufführung den
denkbar größten Triumph. Friedrich Hanse, damals noch ein ganz junger Man..,


Ärenzboten III. 1331.

glaubt an seine Doppelschuld. Er muß um so mehr bestürzt sein, als er über¬
zeugt war, daß das Geheimniß seiner Schuld sorgfältig gehütet worden sei und
er nicht glauben konnte, daß seine That Folgen schwerster Art nach sich ziehen
werde. Zu diesem tritt, daß das Volk, sittlich ergriffen, das Priesterthum voll
hierarchischer Gelüste, das Heer, durch den Meuchelmord des populärsten Feld¬
herrn entsetzt, gegen ihn auftreten, daß ihm mit einem Worte alle Macht ent¬
schwindet, da er sie am nothwendigsten brauchte. Die Königin wird ans die
Anklagebank gesetzt und kommt dein Urtheile zuvor, indem sie sich selbst richtet,
dem Könige wird die Krone von Priesterhand genommen und nur wie aus Gnade
auf den frühern, nunmehr geschändeten Platz gesetzt, furchtbar für deu Manu,
der von allein Anfange an den Schwerpunkt in der Gewalt gesucht und gefunden.

Die interessanteste Kritik über das „Weib des Urias" hat wohl Heinrich
Heine geschrieben; wir finden sie in einem Briefe vom October 1852. (Werke,
Band 21.) „Das Stück," schreibt Heine, „hat einen sehr bedeutenden Eindruck
auf mich gemacht, und ich prvguvstieire Ihnen eine schöne Zukunft auf diesem
Gebiete. Das Stück ist mit einem kühnen Verstände geschrieben und hat nur
den Fehler, daß es der ganzen deutschen Sentimentalität ins Gesicht schlägt.
Interessant war es mir, daß die Handlung eine solche, die fortwährend über die
Zwecke der Personen Hinalls wächst. Dies giebt dem Drama etwas Ueber-
raschendes, Dämonisches, und erinnert an Felsen, die, je weiter man geht, mit
neuen überraschenden Zacken hervorschießen. Ihre Batseba ist eine schöne, reine
Gestalt, mit dem keuschen Pinsel entworfen und im Gegensatz zu ihr ihr Gemahl,
der kalte Tyrann voll Energie und Geistesgegenwart, der er wirklich gewesen.
Im dritten Acte ist man wahrlich in die Wüste versetzt, am schönsten aber
scheinen mir die zwei letzten Acte gelungen zu sein. Wer solch ein Drama ge¬
schrieben, der mag sich freuen. Ueber die Bornirtheit Ihrer Recensenten ist nichts
zu sagen. Sie vermissen die patriarchalische Welt in Ihrem Stücke, welches
freilich kein biblisches im alten Sinne des Wortes genannt werden kann. Die
Weltanschauung darin nennen sie raffinirt. Als ob es eine Zeit gegeben hätte,
in der die Juden nicht raffinirt gewesen wären!"

So urtheilte Name. Aber die eigentlich gegen alles Ungeronnene streitende
Behandlung rief im allgemeinen kein günstiges Urtheil hervor. Dies verstimmte
zwar den Autor, brachte ihn aber vorerst von seinem Wege nicht ab. Nachdem
Wohl die moralische Seite seines Dramas vielfach, doch nicht die dramatische
«"gegriffen worden war, wollte er mit einem Schauspiele hervortreten, mit all¬
gemein verständlicher Frage, das sich an die Bühnen wendete. Der Conflict
eines mittellos ins Leben geworfenen Talentes mit einer Zeit, die den Menschen
nach dem, was er besitzt/zu messen gewohnt ist. sollte sein Gegenstand sein.
.Die Welt des Geldes" wurde während eines Aufenthaltes am Gmündner See
^schrieben, und Meißner erlebte in Prag am Abend der ersten Aufführung den
denkbar größten Triumph. Friedrich Hanse, damals noch ein ganz junger Man..,


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[0169] glaubt an seine Doppelschuld. Er muß um so mehr bestürzt sein, als er über¬ zeugt war, daß das Geheimniß seiner Schuld sorgfältig gehütet worden sei und er nicht glauben konnte, daß seine That Folgen schwerster Art nach sich ziehen werde. Zu diesem tritt, daß das Volk, sittlich ergriffen, das Priesterthum voll hierarchischer Gelüste, das Heer, durch den Meuchelmord des populärsten Feld¬ herrn entsetzt, gegen ihn auftreten, daß ihm mit einem Worte alle Macht ent¬ schwindet, da er sie am nothwendigsten brauchte. Die Königin wird ans die Anklagebank gesetzt und kommt dein Urtheile zuvor, indem sie sich selbst richtet, dem Könige wird die Krone von Priesterhand genommen und nur wie aus Gnade auf den frühern, nunmehr geschändeten Platz gesetzt, furchtbar für deu Manu, der von allein Anfange an den Schwerpunkt in der Gewalt gesucht und gefunden. Die interessanteste Kritik über das „Weib des Urias" hat wohl Heinrich Heine geschrieben; wir finden sie in einem Briefe vom October 1852. (Werke, Band 21.) „Das Stück," schreibt Heine, „hat einen sehr bedeutenden Eindruck auf mich gemacht, und ich prvguvstieire Ihnen eine schöne Zukunft auf diesem Gebiete. Das Stück ist mit einem kühnen Verstände geschrieben und hat nur den Fehler, daß es der ganzen deutschen Sentimentalität ins Gesicht schlägt. Interessant war es mir, daß die Handlung eine solche, die fortwährend über die Zwecke der Personen Hinalls wächst. Dies giebt dem Drama etwas Ueber- raschendes, Dämonisches, und erinnert an Felsen, die, je weiter man geht, mit neuen überraschenden Zacken hervorschießen. Ihre Batseba ist eine schöne, reine Gestalt, mit dem keuschen Pinsel entworfen und im Gegensatz zu ihr ihr Gemahl, der kalte Tyrann voll Energie und Geistesgegenwart, der er wirklich gewesen. Im dritten Acte ist man wahrlich in die Wüste versetzt, am schönsten aber scheinen mir die zwei letzten Acte gelungen zu sein. Wer solch ein Drama ge¬ schrieben, der mag sich freuen. Ueber die Bornirtheit Ihrer Recensenten ist nichts zu sagen. Sie vermissen die patriarchalische Welt in Ihrem Stücke, welches freilich kein biblisches im alten Sinne des Wortes genannt werden kann. Die Weltanschauung darin nennen sie raffinirt. Als ob es eine Zeit gegeben hätte, in der die Juden nicht raffinirt gewesen wären!" So urtheilte Name. Aber die eigentlich gegen alles Ungeronnene streitende Behandlung rief im allgemeinen kein günstiges Urtheil hervor. Dies verstimmte zwar den Autor, brachte ihn aber vorerst von seinem Wege nicht ab. Nachdem Wohl die moralische Seite seines Dramas vielfach, doch nicht die dramatische «"gegriffen worden war, wollte er mit einem Schauspiele hervortreten, mit all¬ gemein verständlicher Frage, das sich an die Bühnen wendete. Der Conflict eines mittellos ins Leben geworfenen Talentes mit einer Zeit, die den Menschen nach dem, was er besitzt/zu messen gewohnt ist. sollte sein Gegenstand sein. .Die Welt des Geldes" wurde während eines Aufenthaltes am Gmündner See ^schrieben, und Meißner erlebte in Prag am Abend der ersten Aufführung den denkbar größten Triumph. Friedrich Hanse, damals noch ein ganz junger Man.., Ärenzboten III. 1331.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/169>, abgerufen am 01.09.2024.