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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die Entwicklung der Leudalitcit und das deutsche Kriegswesen in> frühen Mittelcilter,

hatte zu gewohnheitsinäßiger Beschränkung des Aufgebotsrechtes auf je einmal
im Jahre geführt, und dabei ließ es auch Karl bewerbe". Was aber die Aus¬
dehnung der Kriegszüge betraf, so zogen da schon Raum und Zeit natürliche
Grenzen. Ein Zug der Tolosaner oder Auvergnaten nach Sachsen, der Ala-
mannen oder Thüringe nach Spanien erforderte bei der damaligen Langsamkeit
der Heerbewegnngen mehr als ein Jahr; dergleichen konnte mau kaum einmal
verlangen, geschweige denn wiederholen, und so hatte sich denn eine bestimmte
Gewohnheit ausgebildet, das Aufgebot je nach dem Kriegsschauplatze zu wechseln.
Danach wurden die Heere der drei Haupttheile deS Reiches getrennt verwendet:
für den Austrasen (Ostfranken) war ein Zug uach Aquitanien oder Sachsen, für
den Burgunden oder Neustrier (Westfranken) ein Zug nach Spanien das äußerste,
was ihm zugemuthet wurde. In alledem handelte Karl ssormäum uM^ug-in
vmisustuäinkin, aber er ging über diese Erleichterungen noch hinaus, und end¬
lich verstand er sich sogar zu thatsächlichen Einschränkungen der Wehr¬
pflicht der Gemeinfreien.

In dein (/Mtulsre ^.Mönsg von 807, welches nach einer Hungersnoth er¬
lassen wurde, bestimmte der Kaiser, daß persönlicher Kriegsdienst nur von solchen
gefordert werden solle, deren Besitz 3 insmsi (Hufen) betrüge. Von denen, welche
weniger hätten, sollten immer so viele zusammentreten, daß die Gesammtheit
ihres Besitzes 3 Mausen ausmache, und dann einen unter sich ausrüsten und
ins Feld stellen; von den Leuten endlich ohne jedes Grundeigenthum, die aber
doch wenigstens bewegliches Vermögen im Werthe von 5 solidi besäßen, sollten
je fünf den sechsten durch eine Beisteuer in Geld zum Dienste unterstütze". Diese
Hilfsdienstleistungen nannte man das aäiutoi'inen. Vier Jahre später ging Karl
noch weiter. Das Ol>,xitu1g,rö as exsrvitu xroinovenclo vom Jahre 811 erhöht
das Mindestmaß des Grundbesitzes, dessen Eigenthümer persönlich dienen müssen,
von 3 auf 4 Mausen und gedenkt der Leute ohne alles Grundeigenthum gar
nicht mehr. Dennoch würde man irren, wenn man etwa in dieser Bestimmung
eine principielle Aenderung der gesetzlichen Grundlage erkennen und annehmen
wollte, daß seit diesen Reformen Karls des Großen der Heerdicnst rechtlich ans
einer Personallast eine Reallast geworden und an den Grundbesitz gebunden
worden sei. Die Tendenz dazu ist unleugbar vorhanden, aber perfeet geworden
ist sie nicht. Denn erstlich tragen jene Bestimmungen Karls nicht den Charakter
dauernder Gesetze, sondern es sind Instructionen für die königlichen Sendboten
(missi) und haben als solche nur beschränkte, örtlich wie zeitlich bedingte Geltung;
sodann aber lehren Capitulare späterer Könige, daß in solchen Reichsgebieten,
in denen das bewegliche Eigenthum eine etwas bedeutendere Rolle spielte als
im eigentlichen Frankenlande, also namentlich in Italien, auch das Mobiliar¬
vermögen zum Maßstabe der Kriegsdienstleistung genommen wurde. So setzt
noch das Aufgebot Ludwigs II. gegen Benevent (866) den Besitz des eigenen
Wergeldes als Bedingung der persönlichen Leistung fest, während von den Be-


Die Entwicklung der Leudalitcit und das deutsche Kriegswesen in> frühen Mittelcilter,

hatte zu gewohnheitsinäßiger Beschränkung des Aufgebotsrechtes auf je einmal
im Jahre geführt, und dabei ließ es auch Karl bewerbe». Was aber die Aus¬
dehnung der Kriegszüge betraf, so zogen da schon Raum und Zeit natürliche
Grenzen. Ein Zug der Tolosaner oder Auvergnaten nach Sachsen, der Ala-
mannen oder Thüringe nach Spanien erforderte bei der damaligen Langsamkeit
der Heerbewegnngen mehr als ein Jahr; dergleichen konnte mau kaum einmal
verlangen, geschweige denn wiederholen, und so hatte sich denn eine bestimmte
Gewohnheit ausgebildet, das Aufgebot je nach dem Kriegsschauplatze zu wechseln.
Danach wurden die Heere der drei Haupttheile deS Reiches getrennt verwendet:
für den Austrasen (Ostfranken) war ein Zug uach Aquitanien oder Sachsen, für
den Burgunden oder Neustrier (Westfranken) ein Zug nach Spanien das äußerste,
was ihm zugemuthet wurde. In alledem handelte Karl ssormäum uM^ug-in
vmisustuäinkin, aber er ging über diese Erleichterungen noch hinaus, und end¬
lich verstand er sich sogar zu thatsächlichen Einschränkungen der Wehr¬
pflicht der Gemeinfreien.

In dein (/Mtulsre ^.Mönsg von 807, welches nach einer Hungersnoth er¬
lassen wurde, bestimmte der Kaiser, daß persönlicher Kriegsdienst nur von solchen
gefordert werden solle, deren Besitz 3 insmsi (Hufen) betrüge. Von denen, welche
weniger hätten, sollten immer so viele zusammentreten, daß die Gesammtheit
ihres Besitzes 3 Mausen ausmache, und dann einen unter sich ausrüsten und
ins Feld stellen; von den Leuten endlich ohne jedes Grundeigenthum, die aber
doch wenigstens bewegliches Vermögen im Werthe von 5 solidi besäßen, sollten
je fünf den sechsten durch eine Beisteuer in Geld zum Dienste unterstütze«. Diese
Hilfsdienstleistungen nannte man das aäiutoi'inen. Vier Jahre später ging Karl
noch weiter. Das Ol>,xitu1g,rö as exsrvitu xroinovenclo vom Jahre 811 erhöht
das Mindestmaß des Grundbesitzes, dessen Eigenthümer persönlich dienen müssen,
von 3 auf 4 Mausen und gedenkt der Leute ohne alles Grundeigenthum gar
nicht mehr. Dennoch würde man irren, wenn man etwa in dieser Bestimmung
eine principielle Aenderung der gesetzlichen Grundlage erkennen und annehmen
wollte, daß seit diesen Reformen Karls des Großen der Heerdicnst rechtlich ans
einer Personallast eine Reallast geworden und an den Grundbesitz gebunden
worden sei. Die Tendenz dazu ist unleugbar vorhanden, aber perfeet geworden
ist sie nicht. Denn erstlich tragen jene Bestimmungen Karls nicht den Charakter
dauernder Gesetze, sondern es sind Instructionen für die königlichen Sendboten
(missi) und haben als solche nur beschränkte, örtlich wie zeitlich bedingte Geltung;
sodann aber lehren Capitulare späterer Könige, daß in solchen Reichsgebieten,
in denen das bewegliche Eigenthum eine etwas bedeutendere Rolle spielte als
im eigentlichen Frankenlande, also namentlich in Italien, auch das Mobiliar¬
vermögen zum Maßstabe der Kriegsdienstleistung genommen wurde. So setzt
noch das Aufgebot Ludwigs II. gegen Benevent (866) den Besitz des eigenen
Wergeldes als Bedingung der persönlichen Leistung fest, während von den Be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/154>, abgerufen am 25.11.2024.