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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal.

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Die Entwicklung der Feudalität und das deutsche Kriegswesen im frühen Mittelalter.

zuverlässige geübte Männer auch im Kriege verwendet wurden, versteht sich von
selbst, und so findet man denn die hos-rg, sowohl in der Umgebung des Königs
selbst als zu Geleitszwcckeu bei den großen Troßeolouncu des Heeres oft erwähnt.
Von der unfreien Herkunft dieser vno^karn wurde dabei ganz abgesehen, um
so leichter als sie auch in socialer Hinsicht durch ihren Einfluß als Beamte bald
genng eine bedeutende Stellung zwischen den vaW-M nndiles und den acker¬
bauenden Hörigen gewonnen hatten, die sich zum Theil auch auf die Ministerialen
der Vassallen übertrug.

Auf diesem Wege wurde also ein Theil der unfreien Hofdiener zu wasfen-
berechtigten Heergenossen, die oft sogar in bevorzugter Stellung dienten. Damit
aber ward die schon einmal, nämlich durch die Institutionen des mcruwiugischen
Comitates geschmälerte Bedeutung des Unterschiedes zwischen Freien und Unfreie"
aufs neue und zwar in sehr viel weiteren Kreisen als früher beeinträchtigt
und geschädigt. Die belehnten Aftcrvassallen bestehen allerdings wie die Kron-
vassallen wesentlich nur aus Freien; die Ministerialen dagegen sind aus einigen
Freien und vielen Hörigen gemischt. Da jedoch auch die letzteren, eben wegen
ihres Ministeriums, waffenberechtigt waren, so konnten sie dnrch Lehnscmpfaug,
wie er den sörvisirtss <zg,83,ti des Königs frühzeitig wurde, leicht zur Vassallitüt
emporsteigen, während unbelehnte Freie, wenn nicht rechtlich so doch thatsächlich,
nicht selten in die Klasse der Hörigen hinabsanken. Dadurch war der Werth
der alten Freiheit abermals verkümmert, und doch schickte Karl sich an, gerade
von den Gemeinfreien seines Reiches die ernstesten und schwersten Opfer zu be¬
gehren, um den Anforderungen genügen zu können, welche, seine großen politischen
Pläne an die Kriegskraft des Reiches erhoben. Und damit ist der zweite wichtige
Punkt der Reformversuche Karls des Großen berührt, den man, im Gegensatze
zu den eben geschilderten, die lehenrechtlichen Beziehungen der Kriegsleute be¬
treffende" Vorschriften und Einrichtungen, als den laudrechtlichcn bezeichnen
kann. Denn während die bisher erläuterte" Maßnahmen eine sachgemäße Ent¬
wicklung des Beneficmlwesens und der Ministerialität in: Auge hatten, be¬
schäftigen sich die folgenden Reformen mit den: Heerbann.

Der König befahl die langversäumte Aufstellung eines oaMuin, i'og'i"dro.ni,
einer persönlichen Stammrolle aller Freien; denn auf ihre Gesammtheit, auf
den unmittelbaren Heerbann wollte er vorzugsweise sein Kriegswesen begründen
und zwar nicht nur rechtlich, sonder" auch in Wirklichkeit. Jeder freie Mann
sollte de" Kriegsdienst persönlich leisten, die Ausrüstung auf eigene Kosten be¬
streikn und auf der Heerfahrt für seine Verpflegung sorgen. Die Ausstattung
mit Waffe" und Kleidern hatte für sechs Monat, der anzuführende Mundvor¬
rath auf el" Vierteljahr auszureichen. Wer beim Aufgebote fehlte, verfiel einer
harten Geldstrafe, die unerbittlich eingetrieben wurde. Jede Plünderung der
durchzogenen Landschaften, früher das beliebte Mittel, durch welches fränkische
Heere sich schadlos zu halten pflegten, war jetzt aufs strengste verboten und


Die Entwicklung der Feudalität und das deutsche Kriegswesen im frühen Mittelalter.

zuverlässige geübte Männer auch im Kriege verwendet wurden, versteht sich von
selbst, und so findet man denn die hos-rg, sowohl in der Umgebung des Königs
selbst als zu Geleitszwcckeu bei den großen Troßeolouncu des Heeres oft erwähnt.
Von der unfreien Herkunft dieser vno^karn wurde dabei ganz abgesehen, um
so leichter als sie auch in socialer Hinsicht durch ihren Einfluß als Beamte bald
genng eine bedeutende Stellung zwischen den vaW-M nndiles und den acker¬
bauenden Hörigen gewonnen hatten, die sich zum Theil auch auf die Ministerialen
der Vassallen übertrug.

Auf diesem Wege wurde also ein Theil der unfreien Hofdiener zu wasfen-
berechtigten Heergenossen, die oft sogar in bevorzugter Stellung dienten. Damit
aber ward die schon einmal, nämlich durch die Institutionen des mcruwiugischen
Comitates geschmälerte Bedeutung des Unterschiedes zwischen Freien und Unfreie»
aufs neue und zwar in sehr viel weiteren Kreisen als früher beeinträchtigt
und geschädigt. Die belehnten Aftcrvassallen bestehen allerdings wie die Kron-
vassallen wesentlich nur aus Freien; die Ministerialen dagegen sind aus einigen
Freien und vielen Hörigen gemischt. Da jedoch auch die letzteren, eben wegen
ihres Ministeriums, waffenberechtigt waren, so konnten sie dnrch Lehnscmpfaug,
wie er den sörvisirtss <zg,83,ti des Königs frühzeitig wurde, leicht zur Vassallitüt
emporsteigen, während unbelehnte Freie, wenn nicht rechtlich so doch thatsächlich,
nicht selten in die Klasse der Hörigen hinabsanken. Dadurch war der Werth
der alten Freiheit abermals verkümmert, und doch schickte Karl sich an, gerade
von den Gemeinfreien seines Reiches die ernstesten und schwersten Opfer zu be¬
gehren, um den Anforderungen genügen zu können, welche, seine großen politischen
Pläne an die Kriegskraft des Reiches erhoben. Und damit ist der zweite wichtige
Punkt der Reformversuche Karls des Großen berührt, den man, im Gegensatze
zu den eben geschilderten, die lehenrechtlichen Beziehungen der Kriegsleute be¬
treffende» Vorschriften und Einrichtungen, als den laudrechtlichcn bezeichnen
kann. Denn während die bisher erläuterte» Maßnahmen eine sachgemäße Ent¬
wicklung des Beneficmlwesens und der Ministerialität in: Auge hatten, be¬
schäftigen sich die folgenden Reformen mit den: Heerbann.

Der König befahl die langversäumte Aufstellung eines oaMuin, i'og'i«dro.ni,
einer persönlichen Stammrolle aller Freien; denn auf ihre Gesammtheit, auf
den unmittelbaren Heerbann wollte er vorzugsweise sein Kriegswesen begründen
und zwar nicht nur rechtlich, sonder» auch in Wirklichkeit. Jeder freie Mann
sollte de» Kriegsdienst persönlich leisten, die Ausrüstung auf eigene Kosten be¬
streikn und auf der Heerfahrt für seine Verpflegung sorgen. Die Ausstattung
mit Waffe» und Kleidern hatte für sechs Monat, der anzuführende Mundvor¬
rath auf el» Vierteljahr auszureichen. Wer beim Aufgebote fehlte, verfiel einer
harten Geldstrafe, die unerbittlich eingetrieben wurde. Jede Plünderung der
durchzogenen Landschaften, früher das beliebte Mittel, durch welches fränkische
Heere sich schadlos zu halten pflegten, war jetzt aufs strengste verboten und


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[0152] Die Entwicklung der Feudalität und das deutsche Kriegswesen im frühen Mittelalter. zuverlässige geübte Männer auch im Kriege verwendet wurden, versteht sich von selbst, und so findet man denn die hos-rg, sowohl in der Umgebung des Königs selbst als zu Geleitszwcckeu bei den großen Troßeolouncu des Heeres oft erwähnt. Von der unfreien Herkunft dieser vno^karn wurde dabei ganz abgesehen, um so leichter als sie auch in socialer Hinsicht durch ihren Einfluß als Beamte bald genng eine bedeutende Stellung zwischen den vaW-M nndiles und den acker¬ bauenden Hörigen gewonnen hatten, die sich zum Theil auch auf die Ministerialen der Vassallen übertrug. Auf diesem Wege wurde also ein Theil der unfreien Hofdiener zu wasfen- berechtigten Heergenossen, die oft sogar in bevorzugter Stellung dienten. Damit aber ward die schon einmal, nämlich durch die Institutionen des mcruwiugischen Comitates geschmälerte Bedeutung des Unterschiedes zwischen Freien und Unfreie» aufs neue und zwar in sehr viel weiteren Kreisen als früher beeinträchtigt und geschädigt. Die belehnten Aftcrvassallen bestehen allerdings wie die Kron- vassallen wesentlich nur aus Freien; die Ministerialen dagegen sind aus einigen Freien und vielen Hörigen gemischt. Da jedoch auch die letzteren, eben wegen ihres Ministeriums, waffenberechtigt waren, so konnten sie dnrch Lehnscmpfaug, wie er den sörvisirtss <zg,83,ti des Königs frühzeitig wurde, leicht zur Vassallitüt emporsteigen, während unbelehnte Freie, wenn nicht rechtlich so doch thatsächlich, nicht selten in die Klasse der Hörigen hinabsanken. Dadurch war der Werth der alten Freiheit abermals verkümmert, und doch schickte Karl sich an, gerade von den Gemeinfreien seines Reiches die ernstesten und schwersten Opfer zu be¬ gehren, um den Anforderungen genügen zu können, welche, seine großen politischen Pläne an die Kriegskraft des Reiches erhoben. Und damit ist der zweite wichtige Punkt der Reformversuche Karls des Großen berührt, den man, im Gegensatze zu den eben geschilderten, die lehenrechtlichen Beziehungen der Kriegsleute be¬ treffende» Vorschriften und Einrichtungen, als den laudrechtlichcn bezeichnen kann. Denn während die bisher erläuterte» Maßnahmen eine sachgemäße Ent¬ wicklung des Beneficmlwesens und der Ministerialität in: Auge hatten, be¬ schäftigen sich die folgenden Reformen mit den: Heerbann. Der König befahl die langversäumte Aufstellung eines oaMuin, i'og'i«dro.ni, einer persönlichen Stammrolle aller Freien; denn auf ihre Gesammtheit, auf den unmittelbaren Heerbann wollte er vorzugsweise sein Kriegswesen begründen und zwar nicht nur rechtlich, sonder» auch in Wirklichkeit. Jeder freie Mann sollte de» Kriegsdienst persönlich leisten, die Ausrüstung auf eigene Kosten be¬ streikn und auf der Heerfahrt für seine Verpflegung sorgen. Die Ausstattung mit Waffe» und Kleidern hatte für sechs Monat, der anzuführende Mundvor¬ rath auf el» Vierteljahr auszureichen. Wer beim Aufgebote fehlte, verfiel einer harten Geldstrafe, die unerbittlich eingetrieben wurde. Jede Plünderung der durchzogenen Landschaften, früher das beliebte Mittel, durch welches fränkische Heere sich schadlos zu halten pflegten, war jetzt aufs strengste verboten und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157968/152>, abgerufen am 01.09.2024.