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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Ein Jugendfreund Goethes.

Als Mitadministrator der Gelehrten-Buchhandlung hatte Hofrath Kretschmar*)
zwar usuwtiueww davon, er aber nichts als nieder gezogen. Ja er hatte
sogar das mütterliche Kapital, davon mir doch xlsno Ms einige Tausend zu¬
kamen, dem gedachten Baechcniten ohne weitere Sicherstellung anvertraut, und
da dieser s-v iillsstg-to starb, seine und meine Erbportion im Kretschmarschen
Creditweseu verloren. Hu^in xarvg, sAxiöntig, rsg'lor!"

Da Behrisch nie verheiratet war, so stand er nach dem Tode seiner Mutter
(1790) ziemlich vereinsamt, ein Umstand, der zur Entwicklung der natürlichen,
vielleicht ererbten Anlage zur Sonderbarkeit wesentlich beigetragen haben mag.
Mit seinem jüngsten Bruder hatte er schon zu Hause und in Leipzig wenig
harmonirt, in spätern Jahren wandte er sich ganz von ihm ab. Im Jahre 1799
hatte derselbe, wahrscheinlich durch Verwendung seines ältern Bruders, eine An¬
stellung als Schreiblehrer an der Dessauer Hauptschule erhalten (auch er hatte
eine vorzügliche Handschrift), der er jedoch schon im Jahre 1896 wieder ent¬
hoben wurde. Seit der Zeit lebte er kümmerlich von einer kleinen Pension und
von Privatunterricht zu Dessau (-j- 1825). Aeltre Personen erinnern sich seiner
noch, wie er in seinem von oben bis unten mit Blumen, Käfern und Schmetter¬
lingen gestickten Schlafrocke (er stickte selbst sehr gut und gab Unterricht in der
Stickerei) zum Spott der Leute spazieren zu gehen pflegte. Wilhelm Müller
scheint ihn in seiner Erzählung Debora in den: wunderlichen Marquis, der (wie
Behrisch) das Modell seines Ahnenschlosses mit sich umherführte, kopirt zu haben.

Behrisch starb den 21. October 1899 im zweiundsiebzigsten Lebensjahre.
In seinem Testamente war sein Bruder Heinrich als Haupterbe eingesetzt. Letztrer
hatte jedoch Bedenken, die Erbschaft ohne weiteres anzutreten. "Sollten eS,
schreibt er in einem bei den Gerichtsacten befindlichen Briefe vor Eröffnung des
Testaments an den Testamentsvollstrecker, die Formalitäten schlechterdings er¬
fordern, daß ich persönlich oder per in3uäg.tMuin der Eröffnung des Testamentes
beiwohnen müßte ... so erkühne ich mich vorher anzufragen, ob im Testamente
keine Verweise, Kränkungen, ehrenrührige Vorwürfe stehen, dergl. er mir zeit¬
lebens zu machen Freude hatte? denn im letztern Fall entsag' ich lieber der Erb¬
schaft, die ohnedem unbeträchtlich ist, als mir in Muv Sachen vorlesen zu lassen,
die er mir unaufhörlich rekapitulierte und seinen Umgang vermeiden ließen. Wäre
Liebe und Freundschaft seine Absicht gewesen, so hätte er mir bei seiner zu hohen
Pension und bei meiner acht Thaler Pension doch ein paar Thaler zufließen



*) Heinrich Behrisch int hier. Sein Bruder war, wie bemerkt, Mitadmiuistrator nicht
der Äelehrtm-Buchhandlung, sondern der Verlagskasse für Gelehrte, zwei zwar in Verbindung
stehende, jedoch verschiedne Unternehmungen, und zwar war er Mitadministrator nicht neben
Hofmed Kretschmar, sondern neben Hofrath Herrmann.
Ein Jugendfreund Goethes.

Als Mitadministrator der Gelehrten-Buchhandlung hatte Hofrath Kretschmar*)
zwar usuwtiueww davon, er aber nichts als nieder gezogen. Ja er hatte
sogar das mütterliche Kapital, davon mir doch xlsno Ms einige Tausend zu¬
kamen, dem gedachten Baechcniten ohne weitere Sicherstellung anvertraut, und
da dieser s-v iillsstg-to starb, seine und meine Erbportion im Kretschmarschen
Creditweseu verloren. Hu^in xarvg, sAxiöntig, rsg'lor!"

Da Behrisch nie verheiratet war, so stand er nach dem Tode seiner Mutter
(1790) ziemlich vereinsamt, ein Umstand, der zur Entwicklung der natürlichen,
vielleicht ererbten Anlage zur Sonderbarkeit wesentlich beigetragen haben mag.
Mit seinem jüngsten Bruder hatte er schon zu Hause und in Leipzig wenig
harmonirt, in spätern Jahren wandte er sich ganz von ihm ab. Im Jahre 1799
hatte derselbe, wahrscheinlich durch Verwendung seines ältern Bruders, eine An¬
stellung als Schreiblehrer an der Dessauer Hauptschule erhalten (auch er hatte
eine vorzügliche Handschrift), der er jedoch schon im Jahre 1896 wieder ent¬
hoben wurde. Seit der Zeit lebte er kümmerlich von einer kleinen Pension und
von Privatunterricht zu Dessau (-j- 1825). Aeltre Personen erinnern sich seiner
noch, wie er in seinem von oben bis unten mit Blumen, Käfern und Schmetter¬
lingen gestickten Schlafrocke (er stickte selbst sehr gut und gab Unterricht in der
Stickerei) zum Spott der Leute spazieren zu gehen pflegte. Wilhelm Müller
scheint ihn in seiner Erzählung Debora in den: wunderlichen Marquis, der (wie
Behrisch) das Modell seines Ahnenschlosses mit sich umherführte, kopirt zu haben.

Behrisch starb den 21. October 1899 im zweiundsiebzigsten Lebensjahre.
In seinem Testamente war sein Bruder Heinrich als Haupterbe eingesetzt. Letztrer
hatte jedoch Bedenken, die Erbschaft ohne weiteres anzutreten. „Sollten eS,
schreibt er in einem bei den Gerichtsacten befindlichen Briefe vor Eröffnung des
Testaments an den Testamentsvollstrecker, die Formalitäten schlechterdings er¬
fordern, daß ich persönlich oder per in3uäg.tMuin der Eröffnung des Testamentes
beiwohnen müßte ... so erkühne ich mich vorher anzufragen, ob im Testamente
keine Verweise, Kränkungen, ehrenrührige Vorwürfe stehen, dergl. er mir zeit¬
lebens zu machen Freude hatte? denn im letztern Fall entsag' ich lieber der Erb¬
schaft, die ohnedem unbeträchtlich ist, als mir in Muv Sachen vorlesen zu lassen,
die er mir unaufhörlich rekapitulierte und seinen Umgang vermeiden ließen. Wäre
Liebe und Freundschaft seine Absicht gewesen, so hätte er mir bei seiner zu hohen
Pension und bei meiner acht Thaler Pension doch ein paar Thaler zufließen



*) Heinrich Behrisch int hier. Sein Bruder war, wie bemerkt, Mitadmiuistrator nicht
der Äelehrtm-Buchhandlung, sondern der Verlagskasse für Gelehrte, zwei zwar in Verbindung
stehende, jedoch verschiedne Unternehmungen, und zwar war er Mitadministrator nicht neben
Hofmed Kretschmar, sondern neben Hofrath Herrmann.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/63>, abgerufen am 26.08.2024.