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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Gin Jugendfreund Goethes.

Wie sich Bchrisch in Dessau schon während seiner amtlichen Stellung bei
Hofe als Mitadministrator (neben Hofrath Herrmann) der "Verlagskasse für Ge¬
lehrte" -- eines Unternehmens, bei dem er allerdings einen nicht unbedeutenden
Theil seines Vermögens und des Vermögens seiner Mutter einbüßte -- auch
öffentlich noch nützlich zu machen suchte, so auch nach Auflösung seiner Hvf-
stelluug durch Ausübung der ihm als zuständiger Behörde von der fürstlichen
Nentkammer übertragnen "Beaufsichtigung der Dessauer Leihbibliotheken im In¬
teresse der Sittlichkeit und Jugendbildung." Auch bemühte er sich, strebsamen
Knaben und Jünglingen theils durch wirklichen Unterricht, theils durch be¬
lehrenden Umgang, ohne ein Honorar dafür anzunehmen, in ihrer Bildung
förderlich zu sein. Unter andern verdankte ihm der als Ghmuasialdirector zu
Wesel, wie als Begründer der "Rheinischen Musikzeituug" bekannt gewordne
Ludwig Friedrich Christian Bischoff die eigentliche Leitung seiner ersten Bil¬
dung.")

Behrischs äußere Erscheinung wird allgemein als sehr eigenthümlich, wenn
auch nicht als so auffallend wie die seines Bruders Heinrich bezeichnet. Sein
Gang war steif, seine Sprache pathetisch, in kurzen Sätzen und langsam, ,wie
wenn ein Lehrer einem Schüler in die Feder dictirt.' Seine Kleidung war nach
damaliger Mode sehr elegant (seidner Frack und Escarpins), überhaupt sein
Aeußeres stets würdevoll; daneben wird er nicht nur als sehr pedantisch, sondern
auch als eigensinnig und launenhaft geschildert, worunter sogar sein fürstlicher
Zögling gelegentlich zu leiden gehabt haben soll. Seine Handschrift hat, wie
schon Goethe hervorhebt, den echten sächsischen Charakter; sie ist sehr sauber und
zierlich, aber steif und unfrei. Für geschäftliche Dinge entwickelte er auch in
Dessau kein Talent. "Er hätte sich," schreibt sein Bruder, "da er bcmeluz
cour hatte und von seiner Mode, der musikalischen, dann vegetabilischen auf eine
minder kostbare Liebhaberei verfallen war, ein hübsches Kapitälchen sammeln
können: er hat aber mit dem Gelde nie umzugehen gewußt und ich glaube, daß
seines Geldversiegclns ungeachtet die Entsieglung oft genug stattgefunden hat.



S. 68. Reil irrt jedoch, wenn er sagt, Goethe habe Kaufmann löffeln wollen und habe ihn
deshalb nach Dessau geschickt. Kaufmann war auf dem Wege nach Dessau, ehe er uach Weimar
kam. Auch scheint die Bemerkung, daß Lnvater den Kraftapostel der Fürstin dringend empfohlen
habe, unbegründet. Reiches Material über Kaufmann bietet die Biographie desselben von
H. Diintzer in Raumers Histor. Taschenbuch, 18S9, S. 109 ff.
*) Vgl. K. Elzc a. a. O., wo hinzugefügt wird, daß Bchrisch dem jungen Bischofs in
seinem Testamente eine Partie Bücher und eine "similvrne" Taschenuhr vermachte. Bischoff
wurde als der Sohn eines fürstlichen Kammermusikus um 27. November 1794 zu Dessau
geboren und starb am 24. Februar 1867 zu Köln. Bon 1849 an privntisirte er in Bonn
und Köln. (Nekrolog in der Köln. Zeitung, 1. Mnrz 1867.)
Gin Jugendfreund Goethes.

Wie sich Bchrisch in Dessau schon während seiner amtlichen Stellung bei
Hofe als Mitadministrator (neben Hofrath Herrmann) der „Verlagskasse für Ge¬
lehrte" — eines Unternehmens, bei dem er allerdings einen nicht unbedeutenden
Theil seines Vermögens und des Vermögens seiner Mutter einbüßte — auch
öffentlich noch nützlich zu machen suchte, so auch nach Auflösung seiner Hvf-
stelluug durch Ausübung der ihm als zuständiger Behörde von der fürstlichen
Nentkammer übertragnen „Beaufsichtigung der Dessauer Leihbibliotheken im In¬
teresse der Sittlichkeit und Jugendbildung." Auch bemühte er sich, strebsamen
Knaben und Jünglingen theils durch wirklichen Unterricht, theils durch be¬
lehrenden Umgang, ohne ein Honorar dafür anzunehmen, in ihrer Bildung
förderlich zu sein. Unter andern verdankte ihm der als Ghmuasialdirector zu
Wesel, wie als Begründer der „Rheinischen Musikzeituug" bekannt gewordne
Ludwig Friedrich Christian Bischoff die eigentliche Leitung seiner ersten Bil¬
dung.")

Behrischs äußere Erscheinung wird allgemein als sehr eigenthümlich, wenn
auch nicht als so auffallend wie die seines Bruders Heinrich bezeichnet. Sein
Gang war steif, seine Sprache pathetisch, in kurzen Sätzen und langsam, ,wie
wenn ein Lehrer einem Schüler in die Feder dictirt.' Seine Kleidung war nach
damaliger Mode sehr elegant (seidner Frack und Escarpins), überhaupt sein
Aeußeres stets würdevoll; daneben wird er nicht nur als sehr pedantisch, sondern
auch als eigensinnig und launenhaft geschildert, worunter sogar sein fürstlicher
Zögling gelegentlich zu leiden gehabt haben soll. Seine Handschrift hat, wie
schon Goethe hervorhebt, den echten sächsischen Charakter; sie ist sehr sauber und
zierlich, aber steif und unfrei. Für geschäftliche Dinge entwickelte er auch in
Dessau kein Talent. „Er hätte sich," schreibt sein Bruder, „da er bcmeluz
cour hatte und von seiner Mode, der musikalischen, dann vegetabilischen auf eine
minder kostbare Liebhaberei verfallen war, ein hübsches Kapitälchen sammeln
können: er hat aber mit dem Gelde nie umzugehen gewußt und ich glaube, daß
seines Geldversiegclns ungeachtet die Entsieglung oft genug stattgefunden hat.



S. 68. Reil irrt jedoch, wenn er sagt, Goethe habe Kaufmann löffeln wollen und habe ihn
deshalb nach Dessau geschickt. Kaufmann war auf dem Wege nach Dessau, ehe er uach Weimar
kam. Auch scheint die Bemerkung, daß Lnvater den Kraftapostel der Fürstin dringend empfohlen
habe, unbegründet. Reiches Material über Kaufmann bietet die Biographie desselben von
H. Diintzer in Raumers Histor. Taschenbuch, 18S9, S. 109 ff.
*) Vgl. K. Elzc a. a. O., wo hinzugefügt wird, daß Bchrisch dem jungen Bischofs in
seinem Testamente eine Partie Bücher und eine „similvrne" Taschenuhr vermachte. Bischoff
wurde als der Sohn eines fürstlichen Kammermusikus um 27. November 1794 zu Dessau
geboren und starb am 24. Februar 1867 zu Köln. Bon 1849 an privntisirte er in Bonn
und Köln. (Nekrolog in der Köln. Zeitung, 1. Mnrz 1867.)
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[0062] Gin Jugendfreund Goethes. Wie sich Bchrisch in Dessau schon während seiner amtlichen Stellung bei Hofe als Mitadministrator (neben Hofrath Herrmann) der „Verlagskasse für Ge¬ lehrte" — eines Unternehmens, bei dem er allerdings einen nicht unbedeutenden Theil seines Vermögens und des Vermögens seiner Mutter einbüßte — auch öffentlich noch nützlich zu machen suchte, so auch nach Auflösung seiner Hvf- stelluug durch Ausübung der ihm als zuständiger Behörde von der fürstlichen Nentkammer übertragnen „Beaufsichtigung der Dessauer Leihbibliotheken im In¬ teresse der Sittlichkeit und Jugendbildung." Auch bemühte er sich, strebsamen Knaben und Jünglingen theils durch wirklichen Unterricht, theils durch be¬ lehrenden Umgang, ohne ein Honorar dafür anzunehmen, in ihrer Bildung förderlich zu sein. Unter andern verdankte ihm der als Ghmuasialdirector zu Wesel, wie als Begründer der „Rheinischen Musikzeituug" bekannt gewordne Ludwig Friedrich Christian Bischoff die eigentliche Leitung seiner ersten Bil¬ dung.") Behrischs äußere Erscheinung wird allgemein als sehr eigenthümlich, wenn auch nicht als so auffallend wie die seines Bruders Heinrich bezeichnet. Sein Gang war steif, seine Sprache pathetisch, in kurzen Sätzen und langsam, ,wie wenn ein Lehrer einem Schüler in die Feder dictirt.' Seine Kleidung war nach damaliger Mode sehr elegant (seidner Frack und Escarpins), überhaupt sein Aeußeres stets würdevoll; daneben wird er nicht nur als sehr pedantisch, sondern auch als eigensinnig und launenhaft geschildert, worunter sogar sein fürstlicher Zögling gelegentlich zu leiden gehabt haben soll. Seine Handschrift hat, wie schon Goethe hervorhebt, den echten sächsischen Charakter; sie ist sehr sauber und zierlich, aber steif und unfrei. Für geschäftliche Dinge entwickelte er auch in Dessau kein Talent. „Er hätte sich," schreibt sein Bruder, „da er bcmeluz cour hatte und von seiner Mode, der musikalischen, dann vegetabilischen auf eine minder kostbare Liebhaberei verfallen war, ein hübsches Kapitälchen sammeln können: er hat aber mit dem Gelde nie umzugehen gewußt und ich glaube, daß seines Geldversiegclns ungeachtet die Entsieglung oft genug stattgefunden hat. S. 68. Reil irrt jedoch, wenn er sagt, Goethe habe Kaufmann löffeln wollen und habe ihn deshalb nach Dessau geschickt. Kaufmann war auf dem Wege nach Dessau, ehe er uach Weimar kam. Auch scheint die Bemerkung, daß Lnvater den Kraftapostel der Fürstin dringend empfohlen habe, unbegründet. Reiches Material über Kaufmann bietet die Biographie desselben von H. Diintzer in Raumers Histor. Taschenbuch, 18S9, S. 109 ff. *) Vgl. K. Elzc a. a. O., wo hinzugefügt wird, daß Bchrisch dem jungen Bischofs in seinem Testamente eine Partie Bücher und eine „similvrne" Taschenuhr vermachte. Bischoff wurde als der Sohn eines fürstlichen Kammermusikus um 27. November 1794 zu Dessau geboren und starb am 24. Februar 1867 zu Köln. Bon 1849 an privntisirte er in Bonn und Köln. (Nekrolog in der Köln. Zeitung, 1. Mnrz 1867.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/62>, abgerufen am 26.08.2024.