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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Ein Jugendfreund Goethes

den Herren Collecteurs für denselben mit aufgeführt. Wahrscheinlich hatte er
in dieser Angelegenheit am 26. November 1773 an Wieland geschrieben. Die
Autwort des letztern vom 24. Januar 1774 ist noch erhalten. Dabei ist es,
wie K. Elze bemerkt, aus Behrischs bekannter Individualität erklärlich, daß sich
im "Teutschen Merkur" nichts von ihm findet, es müßte denn (was übrigens
kaum anzunehmen ist) das unbedeutende Bruchstück sein: "Etwas über die Sincser.
Aus einem Aufsatz des Herrn Hofrath B^" (1784, 3. Quartal, S. 30--35).

Auch Christoph Kaufmann, der bekannte Apostel des KraftgeniethumS, ist
hier zu erwähnen. Derselbe kam (1776) auf wiederholte Einladung Basedows
nach Dessau und wußte auch hier durch sein selbstbewußtes, prahlerisches Auf¬
treten die Köpfe zu verwirren. In den Städten, durch die er gezogen war,
hatte er verkündet, er gehe nach Dessau "als Repräsentant der Menschheit."
Mit mähnenartig fliegendem Haar, grüner Friesjacke und gleichem Beinkleid,
den Hals und die Brust offen, den naturwüchsigen Knotenstock in der Hand --
so stolzirte er in den Straßen umher, so erschien er bei Hofe. Das Philanthropin
beschuldigte er der Schwärmerei und Ueberspannung, und allerorten zog er
donnernd über dasselbe los. Als ihn Basedow bei seiner Ankunft bat, doch
wenigstens eine kurze Zeit zu schweigen, bis er sich über alles unterrichtet, schlug
er mit der Fällst auf den Tisch und schrie, nun sehe er, daß es wahr sei, was
jedermann ihm versichert habe, man wolle allen Leuten Fesseln anlegen; das
leide er aber nicht, frei sei er, frei wolle er bleiben und sagen, wem und was
er wolle. Selbst der Fürst ließ sich von diesem Menschen anfangs so verblenden,
daß er von ihm eine Hebung des jetzt schon sinkenden Philanthropins erwartete,
und auch die Fürstin empfing den rohen eingebildeten, damals dreinndzwnnzig-
jührigen Burschen. Den 4. November finden wir ihn an der fürstlichen Tafel
und den 3. December fährt er mit dem Fürsten dein Herzog Karl August und
Goethe bis Holzweissig entgegen. Darauf scheint er sich auf kurze Zeit uach
Darrustadt begeben zu haben, von wo er jedoch schon im Monat Mürz 1777
nach Dessau zurückkehrte. Den 11. März erscheint er mit Baron von Lhncker,
dessen Frau und einem jungen Russen Chwastow wieder bei Hofe, den 21. Mürz
folgt er dem Fürsten nach Wörlitz, den 2. April verabschiedet er sich in Wörlitz
lind reist endlich den 3. April früh mit Chwastow ab. Der Prinz Hans Jürge,
ein Bruder des Fürsten, Herr v. Erdmnnnsdorff und Vehrisch hatten, wie Reil
bemerkt (a. n. O. S. 70), nicht länger mit Kaufmann Verkehren mögen und den
Fürsten so lange gedrängt, bis dieser ihn gehen hieß. Behrisch koar überhaupt,
wie hier bemerkt werden darf, dem damaligen Gcnicireiben gründlich abhold."')



*) Bgl. des Verf. Aufsatz: G. H, v. BerenhorstS TageSbemerkmiflen in den Mieth. de?
Vereins f. Aus. Gesch. u. A. I. 19N ff., >,"d F. Reil, Leop. Friedr. Franz u. s. w., 1845,
Grenzten I>. >881. 8
Ein Jugendfreund Goethes

den Herren Collecteurs für denselben mit aufgeführt. Wahrscheinlich hatte er
in dieser Angelegenheit am 26. November 1773 an Wieland geschrieben. Die
Autwort des letztern vom 24. Januar 1774 ist noch erhalten. Dabei ist es,
wie K. Elze bemerkt, aus Behrischs bekannter Individualität erklärlich, daß sich
im „Teutschen Merkur" nichts von ihm findet, es müßte denn (was übrigens
kaum anzunehmen ist) das unbedeutende Bruchstück sein: „Etwas über die Sincser.
Aus einem Aufsatz des Herrn Hofrath B^" (1784, 3. Quartal, S. 30—35).

Auch Christoph Kaufmann, der bekannte Apostel des KraftgeniethumS, ist
hier zu erwähnen. Derselbe kam (1776) auf wiederholte Einladung Basedows
nach Dessau und wußte auch hier durch sein selbstbewußtes, prahlerisches Auf¬
treten die Köpfe zu verwirren. In den Städten, durch die er gezogen war,
hatte er verkündet, er gehe nach Dessau „als Repräsentant der Menschheit."
Mit mähnenartig fliegendem Haar, grüner Friesjacke und gleichem Beinkleid,
den Hals und die Brust offen, den naturwüchsigen Knotenstock in der Hand —
so stolzirte er in den Straßen umher, so erschien er bei Hofe. Das Philanthropin
beschuldigte er der Schwärmerei und Ueberspannung, und allerorten zog er
donnernd über dasselbe los. Als ihn Basedow bei seiner Ankunft bat, doch
wenigstens eine kurze Zeit zu schweigen, bis er sich über alles unterrichtet, schlug
er mit der Fällst auf den Tisch und schrie, nun sehe er, daß es wahr sei, was
jedermann ihm versichert habe, man wolle allen Leuten Fesseln anlegen; das
leide er aber nicht, frei sei er, frei wolle er bleiben und sagen, wem und was
er wolle. Selbst der Fürst ließ sich von diesem Menschen anfangs so verblenden,
daß er von ihm eine Hebung des jetzt schon sinkenden Philanthropins erwartete,
und auch die Fürstin empfing den rohen eingebildeten, damals dreinndzwnnzig-
jührigen Burschen. Den 4. November finden wir ihn an der fürstlichen Tafel
und den 3. December fährt er mit dem Fürsten dein Herzog Karl August und
Goethe bis Holzweissig entgegen. Darauf scheint er sich auf kurze Zeit uach
Darrustadt begeben zu haben, von wo er jedoch schon im Monat Mürz 1777
nach Dessau zurückkehrte. Den 11. März erscheint er mit Baron von Lhncker,
dessen Frau und einem jungen Russen Chwastow wieder bei Hofe, den 21. Mürz
folgt er dem Fürsten nach Wörlitz, den 2. April verabschiedet er sich in Wörlitz
lind reist endlich den 3. April früh mit Chwastow ab. Der Prinz Hans Jürge,
ein Bruder des Fürsten, Herr v. Erdmnnnsdorff und Vehrisch hatten, wie Reil
bemerkt (a. n. O. S. 70), nicht länger mit Kaufmann Verkehren mögen und den
Fürsten so lange gedrängt, bis dieser ihn gehen hieß. Behrisch koar überhaupt,
wie hier bemerkt werden darf, dem damaligen Gcnicireiben gründlich abhold."')



*) Bgl. des Verf. Aufsatz: G. H, v. BerenhorstS TageSbemerkmiflen in den Mieth. de?
Vereins f. Aus. Gesch. u. A. I. 19N ff., >,»d F. Reil, Leop. Friedr. Franz u. s. w., 1845,
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[0061] Ein Jugendfreund Goethes den Herren Collecteurs für denselben mit aufgeführt. Wahrscheinlich hatte er in dieser Angelegenheit am 26. November 1773 an Wieland geschrieben. Die Autwort des letztern vom 24. Januar 1774 ist noch erhalten. Dabei ist es, wie K. Elze bemerkt, aus Behrischs bekannter Individualität erklärlich, daß sich im „Teutschen Merkur" nichts von ihm findet, es müßte denn (was übrigens kaum anzunehmen ist) das unbedeutende Bruchstück sein: „Etwas über die Sincser. Aus einem Aufsatz des Herrn Hofrath B^" (1784, 3. Quartal, S. 30—35). Auch Christoph Kaufmann, der bekannte Apostel des KraftgeniethumS, ist hier zu erwähnen. Derselbe kam (1776) auf wiederholte Einladung Basedows nach Dessau und wußte auch hier durch sein selbstbewußtes, prahlerisches Auf¬ treten die Köpfe zu verwirren. In den Städten, durch die er gezogen war, hatte er verkündet, er gehe nach Dessau „als Repräsentant der Menschheit." Mit mähnenartig fliegendem Haar, grüner Friesjacke und gleichem Beinkleid, den Hals und die Brust offen, den naturwüchsigen Knotenstock in der Hand — so stolzirte er in den Straßen umher, so erschien er bei Hofe. Das Philanthropin beschuldigte er der Schwärmerei und Ueberspannung, und allerorten zog er donnernd über dasselbe los. Als ihn Basedow bei seiner Ankunft bat, doch wenigstens eine kurze Zeit zu schweigen, bis er sich über alles unterrichtet, schlug er mit der Fällst auf den Tisch und schrie, nun sehe er, daß es wahr sei, was jedermann ihm versichert habe, man wolle allen Leuten Fesseln anlegen; das leide er aber nicht, frei sei er, frei wolle er bleiben und sagen, wem und was er wolle. Selbst der Fürst ließ sich von diesem Menschen anfangs so verblenden, daß er von ihm eine Hebung des jetzt schon sinkenden Philanthropins erwartete, und auch die Fürstin empfing den rohen eingebildeten, damals dreinndzwnnzig- jührigen Burschen. Den 4. November finden wir ihn an der fürstlichen Tafel und den 3. December fährt er mit dem Fürsten dein Herzog Karl August und Goethe bis Holzweissig entgegen. Darauf scheint er sich auf kurze Zeit uach Darrustadt begeben zu haben, von wo er jedoch schon im Monat Mürz 1777 nach Dessau zurückkehrte. Den 11. März erscheint er mit Baron von Lhncker, dessen Frau und einem jungen Russen Chwastow wieder bei Hofe, den 21. Mürz folgt er dem Fürsten nach Wörlitz, den 2. April verabschiedet er sich in Wörlitz lind reist endlich den 3. April früh mit Chwastow ab. Der Prinz Hans Jürge, ein Bruder des Fürsten, Herr v. Erdmnnnsdorff und Vehrisch hatten, wie Reil bemerkt (a. n. O. S. 70), nicht länger mit Kaufmann Verkehren mögen und den Fürsten so lange gedrängt, bis dieser ihn gehen hieß. Behrisch koar überhaupt, wie hier bemerkt werden darf, dem damaligen Gcnicireiben gründlich abhold."') *) Bgl. des Verf. Aufsatz: G. H, v. BerenhorstS TageSbemerkmiflen in den Mieth. de? Vereins f. Aus. Gesch. u. A. I. 19N ff., >,»d F. Reil, Leop. Friedr. Franz u. s. w., 1845, Grenzten I>. >881. 8

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/61>, abgerufen am 26.08.2024.