Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.Paul Heyse, führte Enthüllung eines Geheimnisses, eines Frevels von ehedem. Indeß kannte Als Hcyses beste dramatische Dichtungen, die nach unsrer Empfindung bleiben Paul Heyse, führte Enthüllung eines Geheimnisses, eines Frevels von ehedem. Indeß kannte Als Hcyses beste dramatische Dichtungen, die nach unsrer Empfindung bleiben <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0487" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150059"/> <fw type="header" place="top"> Paul Heyse,</fw><lb/> <p xml:id="ID_1638" prev="#ID_1637"> führte Enthüllung eines Geheimnisses, eines Frevels von ehedem. Indeß kannte<lb/> alle Welt den Mythus, auf dem sich die soph Mische Tragödie aufbaut, die<lb/> ganze dramatische Spannung der Hörer und Zuschauer konnte sich nur auf die<lb/> trotzige Willensstarrheit richten, mit welcher Oedipus die Enthüllung der eignen<lb/> furchtbaren Schuld erzwingt. Im modernen Drama, in dem der Dichter die<lb/> Fabel erfindet, bleibt jedes ftärkre Hereinragen der Vergangenheit mißlich und<lb/> nun vollends ein Hereinragen wie hier, wo Heloise Armand zwischen den Marquis<lb/> von Beauprs, ihren Vater und den Grafen Philipp d'Aubigny, ihren Geliebten<lb/> gestellt erscheint, wo ihr ganzes Verhältniß zu den Straßburger Guillotine-<lb/> Priestern nur aus ihrer Vergangenheit erklärt und erträglich gemacht werden<lb/> kann und wir diese Vergangenheit nur erzählt und in einigen letzten Nachzuckungen<lb/> vorgeführt bekommen! Hier mag man in der That von Verwechslungen der<lb/> dramatischen und der Nomanmvglichkeiten sprechen, aber keine Consequenzen für<lb/> das gesammte Schaffen des Dichters daraus ziehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1639" next="#ID_1640"> Als Hcyses beste dramatische Dichtungen, die nach unsrer Empfindung bleiben<lb/> und dereinst volles Zeugniß von der Eigenart seines Talents ablegen werden,<lb/> müssen wir zwei Schöpfungen betrachten, die man schließlich wieder als vollkommen<lb/> gegensätzliche, die beiden Richtungen seiner Entwicklung charakterisirende, in beiden<lb/> Richtungen aber das Höchste erreichende Werke betrachten darf. Das Schauspiel<lb/> „Hans Lange" repräsentirt die Frische und Stärke der Theilnahme unsers Dichters<lb/> am realen Leben, in ihm ist alles, Voraussetzung, Aufbau, Charakteristik, Grund¬<lb/> zug und Detaillirung nicht nur von dramatischer Schlagkraft, sondern auch von<lb/> der Lust des Dichters an der Fülle des Daseins durchdrungen, das „novellistische"<lb/> Element auf die Andeutung eines Verhältnisses zwischen der Herzogin und dem Hof¬<lb/> marschall Massow eingeschränkt, die Zeichnung der Gestalten mit einem heitern Be¬<lb/> hagen durchgeführt und einzelne Höhepunkte des Dramas von jener stärksten Wir¬<lb/> kung, die unvergeßlich ist. Dahin gehören vor allem der Schluß des zweiten Actes,<lb/> die große Scene zwischen Massow, Hans Lange und Herzog Vugslaff und dann<lb/> zwischen den beiden letztern allein, der Schluß des dritten Actes mit dem vermeint¬<lb/> lichen drohenden Verrathe des erbitterten Henning und der plötzlichen Wendung<lb/> dnrch diesen, der Schluß des fünften Actes mit der Versöhnung zwischen Mutter<lb/> und Sohn. Alles athmet kräftiges Leben, selbst der bei Heyse seltne Humor kommt<lb/> zu seinem Recht. Diese vcrtrunknen pommerschen Junker, die im rechten Moment<lb/> doch das Rechte thun, dieser Bauer Hans Lange mit seiner sprichwörtlichen<lb/> Volksweisheit und seiner Bauernpfiffigkeit, welcher sich selbst in der Stunde der<lb/> Gefahr nicht rühren und die Tochter und das Erbe ablisten läßt, dieser jugend¬<lb/> liche Herzogssohn, der das Zeug und den besten Vorsatz hat ein ganzer Mann<lb/> zu werden und doch in gewissen Zügen den prinzlichen Schlingel nie verleugnet,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0487]
Paul Heyse,
führte Enthüllung eines Geheimnisses, eines Frevels von ehedem. Indeß kannte
alle Welt den Mythus, auf dem sich die soph Mische Tragödie aufbaut, die
ganze dramatische Spannung der Hörer und Zuschauer konnte sich nur auf die
trotzige Willensstarrheit richten, mit welcher Oedipus die Enthüllung der eignen
furchtbaren Schuld erzwingt. Im modernen Drama, in dem der Dichter die
Fabel erfindet, bleibt jedes ftärkre Hereinragen der Vergangenheit mißlich und
nun vollends ein Hereinragen wie hier, wo Heloise Armand zwischen den Marquis
von Beauprs, ihren Vater und den Grafen Philipp d'Aubigny, ihren Geliebten
gestellt erscheint, wo ihr ganzes Verhältniß zu den Straßburger Guillotine-
Priestern nur aus ihrer Vergangenheit erklärt und erträglich gemacht werden
kann und wir diese Vergangenheit nur erzählt und in einigen letzten Nachzuckungen
vorgeführt bekommen! Hier mag man in der That von Verwechslungen der
dramatischen und der Nomanmvglichkeiten sprechen, aber keine Consequenzen für
das gesammte Schaffen des Dichters daraus ziehen.
Als Hcyses beste dramatische Dichtungen, die nach unsrer Empfindung bleiben
und dereinst volles Zeugniß von der Eigenart seines Talents ablegen werden,
müssen wir zwei Schöpfungen betrachten, die man schließlich wieder als vollkommen
gegensätzliche, die beiden Richtungen seiner Entwicklung charakterisirende, in beiden
Richtungen aber das Höchste erreichende Werke betrachten darf. Das Schauspiel
„Hans Lange" repräsentirt die Frische und Stärke der Theilnahme unsers Dichters
am realen Leben, in ihm ist alles, Voraussetzung, Aufbau, Charakteristik, Grund¬
zug und Detaillirung nicht nur von dramatischer Schlagkraft, sondern auch von
der Lust des Dichters an der Fülle des Daseins durchdrungen, das „novellistische"
Element auf die Andeutung eines Verhältnisses zwischen der Herzogin und dem Hof¬
marschall Massow eingeschränkt, die Zeichnung der Gestalten mit einem heitern Be¬
hagen durchgeführt und einzelne Höhepunkte des Dramas von jener stärksten Wir¬
kung, die unvergeßlich ist. Dahin gehören vor allem der Schluß des zweiten Actes,
die große Scene zwischen Massow, Hans Lange und Herzog Vugslaff und dann
zwischen den beiden letztern allein, der Schluß des dritten Actes mit dem vermeint¬
lichen drohenden Verrathe des erbitterten Henning und der plötzlichen Wendung
dnrch diesen, der Schluß des fünften Actes mit der Versöhnung zwischen Mutter
und Sohn. Alles athmet kräftiges Leben, selbst der bei Heyse seltne Humor kommt
zu seinem Recht. Diese vcrtrunknen pommerschen Junker, die im rechten Moment
doch das Rechte thun, dieser Bauer Hans Lange mit seiner sprichwörtlichen
Volksweisheit und seiner Bauernpfiffigkeit, welcher sich selbst in der Stunde der
Gefahr nicht rühren und die Tochter und das Erbe ablisten läßt, dieser jugend¬
liche Herzogssohn, der das Zeug und den besten Vorsatz hat ein ganzer Mann
zu werden und doch in gewissen Zügen den prinzlichen Schlingel nie verleugnet,
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |