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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Die lvcihrungsfrago in England.

davon, daß diese Berufung denn doch etwas komisch erscheint, wenn man bedenkt,
daß die doch auch nicht unpraktischen Amerikaner und die in allen mehr technischen
Fragen der Politik oft bewunderungswürdig praktischen Franzosen in der Mehr¬
zahl für die Doppelwährung Partei ergriffen haben.

Wenn aber durch Verbreitung der noch fehlenden Kenntniß über das Wesen
der verschiednen Währnngssysteme eine allgemeine Sinnesänderung in England
nicht zu erreichen wäre, und wenn ohne England die andern Staaten einen
bimetallistischen Vertrag für unmöglich halten sollten, also much kein Dritter sür
England die Kastanien aus dem Feuer holen würde, wenn mit einem Worte
den extremen Freunden der Goldwährung der Wille geschähe, dann würde das
eintreten, was letztre zwar immer als leeres Schreckgebilde hinzustellen versuchten,
was aber jeder Unterrichtete nnter solchen Umständen kommen sah, ohne daß
es Sir Louis Mallet, der Vertreter Indiens, auf der jetzigen Pariser Conferenz
officiell in Aussicht zu stellen brauchte: England wird versuchen, in Indien die
Goldwährung einzuführen, mindestens aber die Ausmünzung der Rupien sistiren
oder doch stark einschränken, um den Werth der Rupien auf etwa ^ Pfund
(in Gold) zu bringen, weil Indien das Fortbestehen ähnlicher Verhältnisse wie
der heutigen nicht ertragen kann.

Vielleicht sindet sich Gelegenheit, später einmal näher auf die verschiednen
Vorschläge einzugehen, welche in England und Indien zu diesen: Zwecke schon
gemacht worden sind. Ohne weitre Ausführungen aber dürfte für jeden Leser
folgendes klar sein: Das Silber würde dann weiter rapid im Preise sinken, alle
Uebel der jetzigen Situation würden sich verschlimmern, der Verkehr mit den
Silberländern würde vollständig gelähmt werden. Man denke sich nnr in die
Situation. In Europa wird nach dem Scheitern des Bimetallismus kein Silber
mehr ausgeprägt, die Vereinigten Staaten heben die Bland-Bill auf, wodurch
jährlich 100 Millionen Mark für den Silbermarkt überschüssig werden; das
müßte schon jetzt den Edelmetallmarkt in einen wahren Veitstanz versetzen. Wenn
dann noch die "unbeschränkte Absorptionsfähigkeit" Indiens für Silber aufhörte,
wenn dem Silber der letzte Zufluchtsort versperrt würde, das letzte Rettungs¬
mittel der Goldwährungsfreunde versagte, in Europa ein fast werthloses Credit¬
geld in ungeheuren Massen circulirte, während das Gold durch den Uebergang
der Vereinigten Staaten und Indiens zur Goldwährung immer knapper und
knapper würde, dann würde gewiß der ganze Kontinent, vor allem aber Eng¬
land selbst zu einer energischen Silberpvlitik sich aufraffen"-).



*) Mit welcher Unkenntlich in Deutschland das Währungsproblem von großen, ange¬
sehenen Zeitungen behandelt wird, geht aus den Bemerkungen der National-Zeitung zu den
Reden des indischen und amerikanischen Vertreters hervor, welche beide bei Nichtanncchme
Die lvcihrungsfrago in England.

davon, daß diese Berufung denn doch etwas komisch erscheint, wenn man bedenkt,
daß die doch auch nicht unpraktischen Amerikaner und die in allen mehr technischen
Fragen der Politik oft bewunderungswürdig praktischen Franzosen in der Mehr¬
zahl für die Doppelwährung Partei ergriffen haben.

Wenn aber durch Verbreitung der noch fehlenden Kenntniß über das Wesen
der verschiednen Währnngssysteme eine allgemeine Sinnesänderung in England
nicht zu erreichen wäre, und wenn ohne England die andern Staaten einen
bimetallistischen Vertrag für unmöglich halten sollten, also much kein Dritter sür
England die Kastanien aus dem Feuer holen würde, wenn mit einem Worte
den extremen Freunden der Goldwährung der Wille geschähe, dann würde das
eintreten, was letztre zwar immer als leeres Schreckgebilde hinzustellen versuchten,
was aber jeder Unterrichtete nnter solchen Umständen kommen sah, ohne daß
es Sir Louis Mallet, der Vertreter Indiens, auf der jetzigen Pariser Conferenz
officiell in Aussicht zu stellen brauchte: England wird versuchen, in Indien die
Goldwährung einzuführen, mindestens aber die Ausmünzung der Rupien sistiren
oder doch stark einschränken, um den Werth der Rupien auf etwa ^ Pfund
(in Gold) zu bringen, weil Indien das Fortbestehen ähnlicher Verhältnisse wie
der heutigen nicht ertragen kann.

Vielleicht sindet sich Gelegenheit, später einmal näher auf die verschiednen
Vorschläge einzugehen, welche in England und Indien zu diesen: Zwecke schon
gemacht worden sind. Ohne weitre Ausführungen aber dürfte für jeden Leser
folgendes klar sein: Das Silber würde dann weiter rapid im Preise sinken, alle
Uebel der jetzigen Situation würden sich verschlimmern, der Verkehr mit den
Silberländern würde vollständig gelähmt werden. Man denke sich nnr in die
Situation. In Europa wird nach dem Scheitern des Bimetallismus kein Silber
mehr ausgeprägt, die Vereinigten Staaten heben die Bland-Bill auf, wodurch
jährlich 100 Millionen Mark für den Silbermarkt überschüssig werden; das
müßte schon jetzt den Edelmetallmarkt in einen wahren Veitstanz versetzen. Wenn
dann noch die „unbeschränkte Absorptionsfähigkeit" Indiens für Silber aufhörte,
wenn dem Silber der letzte Zufluchtsort versperrt würde, das letzte Rettungs¬
mittel der Goldwährungsfreunde versagte, in Europa ein fast werthloses Credit¬
geld in ungeheuren Massen circulirte, während das Gold durch den Uebergang
der Vereinigten Staaten und Indiens zur Goldwährung immer knapper und
knapper würde, dann würde gewiß der ganze Kontinent, vor allem aber Eng¬
land selbst zu einer energischen Silberpvlitik sich aufraffen"-).



*) Mit welcher Unkenntlich in Deutschland das Währungsproblem von großen, ange¬
sehenen Zeitungen behandelt wird, geht aus den Bemerkungen der National-Zeitung zu den
Reden des indischen und amerikanischen Vertreters hervor, welche beide bei Nichtanncchme
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[0481] Die lvcihrungsfrago in England. davon, daß diese Berufung denn doch etwas komisch erscheint, wenn man bedenkt, daß die doch auch nicht unpraktischen Amerikaner und die in allen mehr technischen Fragen der Politik oft bewunderungswürdig praktischen Franzosen in der Mehr¬ zahl für die Doppelwährung Partei ergriffen haben. Wenn aber durch Verbreitung der noch fehlenden Kenntniß über das Wesen der verschiednen Währnngssysteme eine allgemeine Sinnesänderung in England nicht zu erreichen wäre, und wenn ohne England die andern Staaten einen bimetallistischen Vertrag für unmöglich halten sollten, also much kein Dritter sür England die Kastanien aus dem Feuer holen würde, wenn mit einem Worte den extremen Freunden der Goldwährung der Wille geschähe, dann würde das eintreten, was letztre zwar immer als leeres Schreckgebilde hinzustellen versuchten, was aber jeder Unterrichtete nnter solchen Umständen kommen sah, ohne daß es Sir Louis Mallet, der Vertreter Indiens, auf der jetzigen Pariser Conferenz officiell in Aussicht zu stellen brauchte: England wird versuchen, in Indien die Goldwährung einzuführen, mindestens aber die Ausmünzung der Rupien sistiren oder doch stark einschränken, um den Werth der Rupien auf etwa ^ Pfund (in Gold) zu bringen, weil Indien das Fortbestehen ähnlicher Verhältnisse wie der heutigen nicht ertragen kann. Vielleicht sindet sich Gelegenheit, später einmal näher auf die verschiednen Vorschläge einzugehen, welche in England und Indien zu diesen: Zwecke schon gemacht worden sind. Ohne weitre Ausführungen aber dürfte für jeden Leser folgendes klar sein: Das Silber würde dann weiter rapid im Preise sinken, alle Uebel der jetzigen Situation würden sich verschlimmern, der Verkehr mit den Silberländern würde vollständig gelähmt werden. Man denke sich nnr in die Situation. In Europa wird nach dem Scheitern des Bimetallismus kein Silber mehr ausgeprägt, die Vereinigten Staaten heben die Bland-Bill auf, wodurch jährlich 100 Millionen Mark für den Silbermarkt überschüssig werden; das müßte schon jetzt den Edelmetallmarkt in einen wahren Veitstanz versetzen. Wenn dann noch die „unbeschränkte Absorptionsfähigkeit" Indiens für Silber aufhörte, wenn dem Silber der letzte Zufluchtsort versperrt würde, das letzte Rettungs¬ mittel der Goldwährungsfreunde versagte, in Europa ein fast werthloses Credit¬ geld in ungeheuren Massen circulirte, während das Gold durch den Uebergang der Vereinigten Staaten und Indiens zur Goldwährung immer knapper und knapper würde, dann würde gewiß der ganze Kontinent, vor allem aber Eng¬ land selbst zu einer energischen Silberpvlitik sich aufraffen"-). *) Mit welcher Unkenntlich in Deutschland das Währungsproblem von großen, ange¬ sehenen Zeitungen behandelt wird, geht aus den Bemerkungen der National-Zeitung zu den Reden des indischen und amerikanischen Vertreters hervor, welche beide bei Nichtanncchme

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/481>, abgerufen am 23.07.2024.