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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Die Mährnngsfragc in England.

wcgung der Preise und der Geschäfte nicht zu stören sei und daß die zeitweiligen
Unzuträglichkeiten des Wechseleurses fiir die Käufer in den Ländern mit Silber-
Währung ein besonders empfindlicher Fall der mit dem Handel verknüpften
Schwierigkeiten seien, bei denen man sich wie sonst durch Geschäftsbedingungeil
helfen müsse. So wird hier natürlich genannt, was doch hauptsächlich durch
Gesetze geschaffen worden ist und durch Gesetze auch wieder beseitigt werden kann,
und dem hilflosen Einzelnen aufgebürdet, was wiederum nur der Staat und die
Gesetzgebung zu heben vermag -- ganz jener staatsscheuen Theorie entsprechend,
welche nach dem Sitz dieser Handelskammer ihren Namen trägt.*) Aber diese
eine Niederlage des Bimetallismus wurde bald durch neue Eroberungen mehr
als ausgeglichen. Neben Mr. Williamson, einem großen Liverpools Kaufmann,
der zugleich Parlamentsmitglied ist, sprachen sich für Doppelwährung noch aus
MeCulloch, ein bekannter Londoner Bankier und Mr. Samuel Smith (Liver¬
pool). Die hervorragendsten Kalifleute und Bankiers der Londoner City er¬
kannten in ihrem dem englischen Premierminister 1879 überreichten Memoire
die Gefahren der fortschreitenden Dcmonetisation des Silbers an, und von der
Universität zu Oxford wurde in demselben Jahre eine bimetallistische Schrift
von Walter E. Smith mit dem Cobden-Preise gekrönt. Mr. Gibbs, früherer
Gouverneur der Bank von England, einer der drei englischen Abgeordneten zur
Pariser Münzconferenz von 1878, welche in ihrem Berichte die Doppelwährung
noch eine "utopistische Unmöglichkeit" (an utovmn imxossioilit/) nannten, be¬
kannte in einer Brochüre offen seine Bekehrung zum Bimetallismus. Der gegen¬
wärtige Gouverneur der Bank von England, Grenfell, ist Bimetallist. Alis
Glasgow lief für die Doppelwährung eine Petition angesehener Kaufleute ein,
deren Unterzeichner ein Capital von 300 Mill. Pfund repräsentieren. Nehme
man hierzu noch die große Zahl von Einsendungen in bimetallistischem Sinn,
welche die Times in den letzten Wochen abdruckte, so wird man nicht leugnen
können, daß die "utopistische" Lehre, und zwar außerhalb der Narrenhäuser,
immer mehr Anhänger wirbt, welche den Kampf gegen eingewurzelte Vorurtheile
und gegen hergebrachte Unwissenheit mit Energie und mit entschiednen Talent
führen. Es vollzieht sich eben in England ein Umschwung der Meinungen, welcher
es so blinden Anhängern der alleinseligmachenden Goldwährung wie Herrn Bcim-
berger vielleicht bald unmöglich machen wird, sich zur Stütze ihrer Behaupt¬
ungen auf die Autorität der praktischen Engländer zu berufen, ganz abgesehen



*) Nach einer Bemerkung der Berliner Börsen-Zeitung vom 10. Mai 1881 wäre die
Manchester-Handelskammer jetzt für Bimetallismus. Mir ist von einer solchen Sinnesänderung
nichts bekannt geworden, ich fühle mich aber doch verpflichtet, die Notiz hier wenigstens zu
erwähnen.
Die Mährnngsfragc in England.

wcgung der Preise und der Geschäfte nicht zu stören sei und daß die zeitweiligen
Unzuträglichkeiten des Wechseleurses fiir die Käufer in den Ländern mit Silber-
Währung ein besonders empfindlicher Fall der mit dem Handel verknüpften
Schwierigkeiten seien, bei denen man sich wie sonst durch Geschäftsbedingungeil
helfen müsse. So wird hier natürlich genannt, was doch hauptsächlich durch
Gesetze geschaffen worden ist und durch Gesetze auch wieder beseitigt werden kann,
und dem hilflosen Einzelnen aufgebürdet, was wiederum nur der Staat und die
Gesetzgebung zu heben vermag — ganz jener staatsscheuen Theorie entsprechend,
welche nach dem Sitz dieser Handelskammer ihren Namen trägt.*) Aber diese
eine Niederlage des Bimetallismus wurde bald durch neue Eroberungen mehr
als ausgeglichen. Neben Mr. Williamson, einem großen Liverpools Kaufmann,
der zugleich Parlamentsmitglied ist, sprachen sich für Doppelwährung noch aus
MeCulloch, ein bekannter Londoner Bankier und Mr. Samuel Smith (Liver¬
pool). Die hervorragendsten Kalifleute und Bankiers der Londoner City er¬
kannten in ihrem dem englischen Premierminister 1879 überreichten Memoire
die Gefahren der fortschreitenden Dcmonetisation des Silbers an, und von der
Universität zu Oxford wurde in demselben Jahre eine bimetallistische Schrift
von Walter E. Smith mit dem Cobden-Preise gekrönt. Mr. Gibbs, früherer
Gouverneur der Bank von England, einer der drei englischen Abgeordneten zur
Pariser Münzconferenz von 1878, welche in ihrem Berichte die Doppelwährung
noch eine „utopistische Unmöglichkeit" (an utovmn imxossioilit/) nannten, be¬
kannte in einer Brochüre offen seine Bekehrung zum Bimetallismus. Der gegen¬
wärtige Gouverneur der Bank von England, Grenfell, ist Bimetallist. Alis
Glasgow lief für die Doppelwährung eine Petition angesehener Kaufleute ein,
deren Unterzeichner ein Capital von 300 Mill. Pfund repräsentieren. Nehme
man hierzu noch die große Zahl von Einsendungen in bimetallistischem Sinn,
welche die Times in den letzten Wochen abdruckte, so wird man nicht leugnen
können, daß die „utopistische" Lehre, und zwar außerhalb der Narrenhäuser,
immer mehr Anhänger wirbt, welche den Kampf gegen eingewurzelte Vorurtheile
und gegen hergebrachte Unwissenheit mit Energie und mit entschiednen Talent
führen. Es vollzieht sich eben in England ein Umschwung der Meinungen, welcher
es so blinden Anhängern der alleinseligmachenden Goldwährung wie Herrn Bcim-
berger vielleicht bald unmöglich machen wird, sich zur Stütze ihrer Behaupt¬
ungen auf die Autorität der praktischen Engländer zu berufen, ganz abgesehen



*) Nach einer Bemerkung der Berliner Börsen-Zeitung vom 10. Mai 1881 wäre die
Manchester-Handelskammer jetzt für Bimetallismus. Mir ist von einer solchen Sinnesänderung
nichts bekannt geworden, ich fühle mich aber doch verpflichtet, die Notiz hier wenigstens zu
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/480>, abgerufen am 23.07.2024.