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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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versetzt, einen ehemaligen PrvtLgs aufgeben zu müssen, über dessen Reden im
"Wagnerverein" er früher, als Förster die antisemitischen Krallen noch in den
Rvckärmeln verbürgen hielt, mit Eifer, Fleiß und Lobeserhebungen referirt hatte.
Jetzt ist ihm Dr. Förster der Inbegriff aller Satanskünste, der größte Schädiger
und Feind der guten d. h. der Wagnersache.

Mit Förster bemächtigten sich auch seine Kampfgenossen, Dr. Henriei, Herr
Liebcrmann von Sonnenberg und selbst Herr Rüppel, nach der Schilderung des
"Börsencouriers" eine der schwärzesten Persönlichkeiten unsres Zeitalters, des
heiligen Bayreuther Mysteriums, um es unter die Menge zu bringen, und es
ist wirklich die Annahme nicht von der Hand zu weisen, daß die Agitationen
und Vortrüge dieser Männer, denen allen, man mag von ihnen halten, was man
will, die Gabe des Volksredners in reichem Maße zur Verfügung steht, von
starkem Einfluß auf die Wagnerbewegung gewesen ist. Dabei denken wir nicht
so sehr an die vielen Tausende, welche ihren Versammlungen persönlich beiwohnen,
als an die noch größere Zahl derer, welche nur die Berichte über dieselben in
den Zeitungen lesen und sie im stillen gut heißen, ohne sich vorsichtiger Weise
selbst in einer Bewegung zu exponiren, vou der man noch gar nicht weiß, wie
sie ablaufen kann, wenn die erste Hitze verraucht sein wird. Wenn der "Börscn-
cvurier" in seinem letzten Ziele nur der Sache Wagners dienen will, so thut
er Unrecht, Bundesgenossen, die ihm sonst so odios sind, zurückzuweisen. Es ist
doch nicht zu unterschätzen, wenn Herr Rüppel in seiner "Ostendzeitung," die,
wie der Name besagt, die Culturträgerin für den äußersten Osten Berlins sein
soll und deren Einfluß gewiß noch bis Friedrichsberg und Lichtenberg reicht,
in begeisterten Worten den Bewohnern jener sonst so vernachlässigten Gegend
die Schönheit und Großartigkeit des Nibelungenringes kund thut.

Man sieht also, daß über den streitenden Parteien ein höheres steht, in
welchem sie sich friedlich die Hände reichen könnten, wenn sie wollten. Ab und
zu gießt freilich der Meister selbst einen Tropfen Oel in Feuer, wobei er sich
allerdings diplomatischer benimmt, als es früher seine Gewohnheit war. So
konnte neulich aus einem Artikel Wagners in den "Bayreuther Blättern," welcher
kurz vor den Nibelungenaufführungen in Berlin erschien, zugleich eine Verur-
theilung der antisemitischen Bewegung und eine neue Absage gegen das Juden-
thum herausgelesen werden, ein Doppelsinn, der dann auch von den Blättern
der verschiednen Parteien fructifieirt worden ist.

So ungefähr hatte sich die Wagnerbewegung in ihren äußerlich erkennbaren
Zügen gestaltet, als die Aufführungen des Nibelungenringes im Berliner Vietoria-
theater ihren Anfang nahmen. Wagner selbst hatte seinen Besuch zugesagt, und
einige Tage früher war er schon durch seinen Kometen, Franz Liszt, angekündigt


versetzt, einen ehemaligen PrvtLgs aufgeben zu müssen, über dessen Reden im
„Wagnerverein" er früher, als Förster die antisemitischen Krallen noch in den
Rvckärmeln verbürgen hielt, mit Eifer, Fleiß und Lobeserhebungen referirt hatte.
Jetzt ist ihm Dr. Förster der Inbegriff aller Satanskünste, der größte Schädiger
und Feind der guten d. h. der Wagnersache.

Mit Förster bemächtigten sich auch seine Kampfgenossen, Dr. Henriei, Herr
Liebcrmann von Sonnenberg und selbst Herr Rüppel, nach der Schilderung des
„Börsencouriers" eine der schwärzesten Persönlichkeiten unsres Zeitalters, des
heiligen Bayreuther Mysteriums, um es unter die Menge zu bringen, und es
ist wirklich die Annahme nicht von der Hand zu weisen, daß die Agitationen
und Vortrüge dieser Männer, denen allen, man mag von ihnen halten, was man
will, die Gabe des Volksredners in reichem Maße zur Verfügung steht, von
starkem Einfluß auf die Wagnerbewegung gewesen ist. Dabei denken wir nicht
so sehr an die vielen Tausende, welche ihren Versammlungen persönlich beiwohnen,
als an die noch größere Zahl derer, welche nur die Berichte über dieselben in
den Zeitungen lesen und sie im stillen gut heißen, ohne sich vorsichtiger Weise
selbst in einer Bewegung zu exponiren, vou der man noch gar nicht weiß, wie
sie ablaufen kann, wenn die erste Hitze verraucht sein wird. Wenn der „Börscn-
cvurier" in seinem letzten Ziele nur der Sache Wagners dienen will, so thut
er Unrecht, Bundesgenossen, die ihm sonst so odios sind, zurückzuweisen. Es ist
doch nicht zu unterschätzen, wenn Herr Rüppel in seiner „Ostendzeitung," die,
wie der Name besagt, die Culturträgerin für den äußersten Osten Berlins sein
soll und deren Einfluß gewiß noch bis Friedrichsberg und Lichtenberg reicht,
in begeisterten Worten den Bewohnern jener sonst so vernachlässigten Gegend
die Schönheit und Großartigkeit des Nibelungenringes kund thut.

Man sieht also, daß über den streitenden Parteien ein höheres steht, in
welchem sie sich friedlich die Hände reichen könnten, wenn sie wollten. Ab und
zu gießt freilich der Meister selbst einen Tropfen Oel in Feuer, wobei er sich
allerdings diplomatischer benimmt, als es früher seine Gewohnheit war. So
konnte neulich aus einem Artikel Wagners in den „Bayreuther Blättern," welcher
kurz vor den Nibelungenaufführungen in Berlin erschien, zugleich eine Verur-
theilung der antisemitischen Bewegung und eine neue Absage gegen das Juden-
thum herausgelesen werden, ein Doppelsinn, der dann auch von den Blättern
der verschiednen Parteien fructifieirt worden ist.

So ungefähr hatte sich die Wagnerbewegung in ihren äußerlich erkennbaren
Zügen gestaltet, als die Aufführungen des Nibelungenringes im Berliner Vietoria-
theater ihren Anfang nahmen. Wagner selbst hatte seinen Besuch zugesagt, und
einige Tage früher war er schon durch seinen Kometen, Franz Liszt, angekündigt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/458>, abgerufen am 23.07.2024.