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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Friedrichs dos Großen erster ZVaffengcmg.

sich zu England halten. Ein sich vorbereitender Krieg zwischen diesen beiden
Großmächten schien eS nothwendig zu machen, daß die eine oder die andre Preußens
Bundesgenossenschaft suche und sich von diesem natürlich den Preis dafür vor¬
schreiben lasse. Als aber keine in der jülichschen Sucecssionsfrage für die guten
Rechte Preußens einzutreten sich verpflichten wollte, ließ Friedrich diese Sache
als aussichtslos fallen.

Es liegt nahe zu fragen, inwieweit ihn schon damals -- Ende August 1740 --
der Hinblick ans Schlesien zu dieser Wandlung bestimmt habe. Gewiß ist, daß ihm
von Frankreich Andeutungen gemacht wurden, es könnten, wenn mit Kaiser
Karl VI. der Mannsstamm der Habsburger erlösche, Verwicklungen eintreten,
aus denen auch Preußen seinen Vortheil ziehen könne, und daß er sich eifrig
bemüht hat, Frankreichs Absichten für diese Eventualität zu erforschen; was konnte
ihm näher liegen, als für diesen Fall an die alten Ansprüche seines Hauses auf
Schlesien zu denken? Indeß lag dieser Fall damals in sehr unsichrer Ferne,
Karl VI. war ein gesunder, kräftiger Maun von 55 Jahren. Kein Mensch konnte
ahnen, daß er binnen zwei Monaten eine Leiche sein würde. Nun neigt Droysen
aus mancherlei Gründen allerdings zu der Meinung, Friedrich habe sich ohne
den Todesfall abzuwarten zum Angriff entschlossen, aber Grnnhagen vermag die
Beweise dafür nicht stichhaltig zu finden und tritt der ältern Ansicht Rankes
bei, daß ihn erst die Nachricht vor dem nach kurzer Krankheit am 20. Oel. 1740
erfolgten Tode des Kaisers zum Handeln bestimmt habe. Jetzt aber war sein
Entschluß sofort gefaßt; zwei Tage nach Empfang der Nachricht eröffnete er dem
Feldmarschall Schwerin und dem Minister Podewils, daß er die Absicht habe,
die günstige Lage, in der er sich befände, zur Erwerbung von Schlesien zu be¬
nutzen, entweder durch friedliche Unterhandlung mit Maria Theresia und für
das Angebot sie gegen die ihrer Monarchie drohenden Gefahren thatkräftig zu
unterstützen, oder durch Krieg in Verbindung mit den Gegnern derselben; jeden¬
falls wolle er Schlesien sofort selbständig besetzen, um im Besitze desselben mit
größrer Aussicht auf Erfolg verhandeln zu können. Das war also sein eigenster
persönlicher Entschluß; erst nachdem er ihn gefaßt, berief er den Feldherrn und
den Minister, um über die Mittel und Wege zu seiner Durchführung zu berathen.
Trotz ihrer Abmahnung von dem sofortigen Angriff blieb er dabei. Wie charakte¬
ristisch, wenn er am 1. November an Podewils schreibt: "Ich gebe Ihnen ein
Problem zu lösen. Wenn man im Vortheil ist, soll man sich desselben bedienen
oder nicht? Ich bin bereit mit meinen Truppen und allem; wenn ich mir das
zu nutze mache, wird man sagen, daß ich das Geschick habe, mich der Ueber-
legenheit zu bedienen, welche ich meinen Nachbarn gegenüber besitze." Während
er jetzt Frankreich und England gegenüber darauf bedacht war, sich freie Hand


Friedrichs dos Großen erster ZVaffengcmg.

sich zu England halten. Ein sich vorbereitender Krieg zwischen diesen beiden
Großmächten schien eS nothwendig zu machen, daß die eine oder die andre Preußens
Bundesgenossenschaft suche und sich von diesem natürlich den Preis dafür vor¬
schreiben lasse. Als aber keine in der jülichschen Sucecssionsfrage für die guten
Rechte Preußens einzutreten sich verpflichten wollte, ließ Friedrich diese Sache
als aussichtslos fallen.

Es liegt nahe zu fragen, inwieweit ihn schon damals — Ende August 1740 —
der Hinblick ans Schlesien zu dieser Wandlung bestimmt habe. Gewiß ist, daß ihm
von Frankreich Andeutungen gemacht wurden, es könnten, wenn mit Kaiser
Karl VI. der Mannsstamm der Habsburger erlösche, Verwicklungen eintreten,
aus denen auch Preußen seinen Vortheil ziehen könne, und daß er sich eifrig
bemüht hat, Frankreichs Absichten für diese Eventualität zu erforschen; was konnte
ihm näher liegen, als für diesen Fall an die alten Ansprüche seines Hauses auf
Schlesien zu denken? Indeß lag dieser Fall damals in sehr unsichrer Ferne,
Karl VI. war ein gesunder, kräftiger Maun von 55 Jahren. Kein Mensch konnte
ahnen, daß er binnen zwei Monaten eine Leiche sein würde. Nun neigt Droysen
aus mancherlei Gründen allerdings zu der Meinung, Friedrich habe sich ohne
den Todesfall abzuwarten zum Angriff entschlossen, aber Grnnhagen vermag die
Beweise dafür nicht stichhaltig zu finden und tritt der ältern Ansicht Rankes
bei, daß ihn erst die Nachricht vor dem nach kurzer Krankheit am 20. Oel. 1740
erfolgten Tode des Kaisers zum Handeln bestimmt habe. Jetzt aber war sein
Entschluß sofort gefaßt; zwei Tage nach Empfang der Nachricht eröffnete er dem
Feldmarschall Schwerin und dem Minister Podewils, daß er die Absicht habe,
die günstige Lage, in der er sich befände, zur Erwerbung von Schlesien zu be¬
nutzen, entweder durch friedliche Unterhandlung mit Maria Theresia und für
das Angebot sie gegen die ihrer Monarchie drohenden Gefahren thatkräftig zu
unterstützen, oder durch Krieg in Verbindung mit den Gegnern derselben; jeden¬
falls wolle er Schlesien sofort selbständig besetzen, um im Besitze desselben mit
größrer Aussicht auf Erfolg verhandeln zu können. Das war also sein eigenster
persönlicher Entschluß; erst nachdem er ihn gefaßt, berief er den Feldherrn und
den Minister, um über die Mittel und Wege zu seiner Durchführung zu berathen.
Trotz ihrer Abmahnung von dem sofortigen Angriff blieb er dabei. Wie charakte¬
ristisch, wenn er am 1. November an Podewils schreibt: „Ich gebe Ihnen ein
Problem zu lösen. Wenn man im Vortheil ist, soll man sich desselben bedienen
oder nicht? Ich bin bereit mit meinen Truppen und allem; wenn ich mir das
zu nutze mache, wird man sagen, daß ich das Geschick habe, mich der Ueber-
legenheit zu bedienen, welche ich meinen Nachbarn gegenüber besitze." Während
er jetzt Frankreich und England gegenüber darauf bedacht war, sich freie Hand


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[0439] Friedrichs dos Großen erster ZVaffengcmg. sich zu England halten. Ein sich vorbereitender Krieg zwischen diesen beiden Großmächten schien eS nothwendig zu machen, daß die eine oder die andre Preußens Bundesgenossenschaft suche und sich von diesem natürlich den Preis dafür vor¬ schreiben lasse. Als aber keine in der jülichschen Sucecssionsfrage für die guten Rechte Preußens einzutreten sich verpflichten wollte, ließ Friedrich diese Sache als aussichtslos fallen. Es liegt nahe zu fragen, inwieweit ihn schon damals — Ende August 1740 — der Hinblick ans Schlesien zu dieser Wandlung bestimmt habe. Gewiß ist, daß ihm von Frankreich Andeutungen gemacht wurden, es könnten, wenn mit Kaiser Karl VI. der Mannsstamm der Habsburger erlösche, Verwicklungen eintreten, aus denen auch Preußen seinen Vortheil ziehen könne, und daß er sich eifrig bemüht hat, Frankreichs Absichten für diese Eventualität zu erforschen; was konnte ihm näher liegen, als für diesen Fall an die alten Ansprüche seines Hauses auf Schlesien zu denken? Indeß lag dieser Fall damals in sehr unsichrer Ferne, Karl VI. war ein gesunder, kräftiger Maun von 55 Jahren. Kein Mensch konnte ahnen, daß er binnen zwei Monaten eine Leiche sein würde. Nun neigt Droysen aus mancherlei Gründen allerdings zu der Meinung, Friedrich habe sich ohne den Todesfall abzuwarten zum Angriff entschlossen, aber Grnnhagen vermag die Beweise dafür nicht stichhaltig zu finden und tritt der ältern Ansicht Rankes bei, daß ihn erst die Nachricht vor dem nach kurzer Krankheit am 20. Oel. 1740 erfolgten Tode des Kaisers zum Handeln bestimmt habe. Jetzt aber war sein Entschluß sofort gefaßt; zwei Tage nach Empfang der Nachricht eröffnete er dem Feldmarschall Schwerin und dem Minister Podewils, daß er die Absicht habe, die günstige Lage, in der er sich befände, zur Erwerbung von Schlesien zu be¬ nutzen, entweder durch friedliche Unterhandlung mit Maria Theresia und für das Angebot sie gegen die ihrer Monarchie drohenden Gefahren thatkräftig zu unterstützen, oder durch Krieg in Verbindung mit den Gegnern derselben; jeden¬ falls wolle er Schlesien sofort selbständig besetzen, um im Besitze desselben mit größrer Aussicht auf Erfolg verhandeln zu können. Das war also sein eigenster persönlicher Entschluß; erst nachdem er ihn gefaßt, berief er den Feldherrn und den Minister, um über die Mittel und Wege zu seiner Durchführung zu berathen. Trotz ihrer Abmahnung von dem sofortigen Angriff blieb er dabei. Wie charakte¬ ristisch, wenn er am 1. November an Podewils schreibt: „Ich gebe Ihnen ein Problem zu lösen. Wenn man im Vortheil ist, soll man sich desselben bedienen oder nicht? Ich bin bereit mit meinen Truppen und allem; wenn ich mir das zu nutze mache, wird man sagen, daß ich das Geschick habe, mich der Ueber- legenheit zu bedienen, welche ich meinen Nachbarn gegenüber besitze." Während er jetzt Frankreich und England gegenüber darauf bedacht war, sich freie Hand

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/439>, abgerufen am 23.07.2024.