Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.j)aut Heyse, jener ersten Münchner Jahre an (das citirte "Feenkind" selbst, die prächtig Wenn es ein Recht der Kritik ist, dergleichen Nichtttbereiustiinmungen der j)aut Heyse, jener ersten Münchner Jahre an (das citirte „Feenkind" selbst, die prächtig Wenn es ein Recht der Kritik ist, dergleichen Nichtttbereiustiinmungen der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0427" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149999"/> <fw type="header" place="top"> j)aut Heyse,</fw><lb/> <p xml:id="ID_1429" prev="#ID_1428"> jener ersten Münchner Jahre an (das citirte „Feenkind" selbst, die prächtig<lb/> frische und überaus anmuthige „Hochzeitsreise nach dem Walchensee/' das inter¬<lb/> essante Bruchstück eines Romans in Versen „Schlechte Gesellschaft" erwiesen<lb/> späterhin zur Genüge, mit wie frischem Blut und wie sprühenden! Leben sich die<lb/> altehrwürdigen classischen Formen erfüllen lassen), sondern die Zuversicht, daß<lb/> der Poet jeder Fabel die tiefste und höchste Wirkung abgewinnen könne. In<lb/> dieser Zuversicht sind auch einzelne der minder glücklichen dramatischen Werke<lb/> Hehseö geschaffen worden. Das Schauspiel „Ludwig der Baier" (1864) ist eine<lb/> gute Prcwe davon. Es war nur natürlich, daß in den Kreisen der Münchner<lb/> Dichter der Wunsch lebte, der bairischen Geschichte, der stattlichen Ahnenreihe<lb/> des knnstbeschirmcnden Königs dramatische Handlungen und Gestalten abzu¬<lb/> ringen, Und man hätte sich noch dazu auf das vorige Jahrhundert berufen<lb/> dürfe», wo die Babo, Törring, Nagel u. a. einem höchst energischen und wirk¬<lb/> samen Anlauf zum patriotischen Vaierdranm genommen hatten. In Bezug auf<lb/> frische Genredarstelluug, auf Wiedergabe des eigenthümlichen, naiv herzlichen<lb/> Verkehrs zwischen Fürstenhaus und Volk gerade in diesem Lande konnte sich<lb/> Heyses Drama mit den ältern Dramatikern wohl messen und hatte natürlich manches<lb/> vor ihnen voraus. Was ihm abging in diesem wie in manchem cihulicheu Falle,<lb/> war die ganze innere Hingabe, die „gutmüthige ins Reale verliebte Beschränkt¬<lb/> heit," wie Goethe sie nannte, der unbedingte Glaube an das gerade dargestellte<lb/> Stück Welt, Heyse besaß und besitzt diese „Beschränktheit, hinter der das Ab¬<lb/> solute verborgen liegt" natürlich, wie sie jeder wirkliche Dichter besitzt, aber sie<lb/> richtet sich bei ihm auf andre Motive und Gestalten, Lebensznstüude und Situa¬<lb/> tionen, als die in diesem patriotischen Drama vorgeführten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1430" next="#ID_1431"> Wenn es ein Recht der Kritik ist, dergleichen Nichtttbereiustiinmungen der<lb/> innersten Natur eines Dichters und seiner gelegentlichen Stoffwahl zu betonen,<lb/> so hat man sich freilich wohl zu hüten, hierbei auch nur im geringsten den äußern<lb/> Erfolg poetischer Werke in Anschlag zu bringen, oder die Stvffwahl bloß auf<lb/> einzelne sofort in die Augen springende Momente zu prüfen. Wir sagten früher,<lb/> daß auch die Preistragödie „Die Sabinerinnen" (1858) den zum Akademismus<lb/> hinüberneigenden Werken unsers Dichters hinzugerechnet werden dürfe. Und doch<lb/> ist nichts gewisser, als daß Heyse in dieser Tragödie mit innerstem, ja leiden¬<lb/> schaftlichem Antheil ein Lieblingsthema- den Kampf der sich sträubenden, die Ge¬<lb/> walt der Liebe zunächst als feindliche Macht empfindenden Jungfräulichkeit und<lb/> das tragische Verhängniß dargestellt hat, das daraus erwächst, wenn sich das<lb/> Weib wider die Natur entscheidet. Wie der Stoff liegt, muß hier der uralte und ewig<lb/> neue Conflict dem Dichter in urfrischer Stärke und Herbheit — gleichsam noch<lb/> mit seinem Erdgeruch erschienen sein — die ganze Gestaltung der Sabinerinnen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0427]
j)aut Heyse,
jener ersten Münchner Jahre an (das citirte „Feenkind" selbst, die prächtig
frische und überaus anmuthige „Hochzeitsreise nach dem Walchensee/' das inter¬
essante Bruchstück eines Romans in Versen „Schlechte Gesellschaft" erwiesen
späterhin zur Genüge, mit wie frischem Blut und wie sprühenden! Leben sich die
altehrwürdigen classischen Formen erfüllen lassen), sondern die Zuversicht, daß
der Poet jeder Fabel die tiefste und höchste Wirkung abgewinnen könne. In
dieser Zuversicht sind auch einzelne der minder glücklichen dramatischen Werke
Hehseö geschaffen worden. Das Schauspiel „Ludwig der Baier" (1864) ist eine
gute Prcwe davon. Es war nur natürlich, daß in den Kreisen der Münchner
Dichter der Wunsch lebte, der bairischen Geschichte, der stattlichen Ahnenreihe
des knnstbeschirmcnden Königs dramatische Handlungen und Gestalten abzu¬
ringen, Und man hätte sich noch dazu auf das vorige Jahrhundert berufen
dürfe», wo die Babo, Törring, Nagel u. a. einem höchst energischen und wirk¬
samen Anlauf zum patriotischen Vaierdranm genommen hatten. In Bezug auf
frische Genredarstelluug, auf Wiedergabe des eigenthümlichen, naiv herzlichen
Verkehrs zwischen Fürstenhaus und Volk gerade in diesem Lande konnte sich
Heyses Drama mit den ältern Dramatikern wohl messen und hatte natürlich manches
vor ihnen voraus. Was ihm abging in diesem wie in manchem cihulicheu Falle,
war die ganze innere Hingabe, die „gutmüthige ins Reale verliebte Beschränkt¬
heit," wie Goethe sie nannte, der unbedingte Glaube an das gerade dargestellte
Stück Welt, Heyse besaß und besitzt diese „Beschränktheit, hinter der das Ab¬
solute verborgen liegt" natürlich, wie sie jeder wirkliche Dichter besitzt, aber sie
richtet sich bei ihm auf andre Motive und Gestalten, Lebensznstüude und Situa¬
tionen, als die in diesem patriotischen Drama vorgeführten.
Wenn es ein Recht der Kritik ist, dergleichen Nichtttbereiustiinmungen der
innersten Natur eines Dichters und seiner gelegentlichen Stoffwahl zu betonen,
so hat man sich freilich wohl zu hüten, hierbei auch nur im geringsten den äußern
Erfolg poetischer Werke in Anschlag zu bringen, oder die Stvffwahl bloß auf
einzelne sofort in die Augen springende Momente zu prüfen. Wir sagten früher,
daß auch die Preistragödie „Die Sabinerinnen" (1858) den zum Akademismus
hinüberneigenden Werken unsers Dichters hinzugerechnet werden dürfe. Und doch
ist nichts gewisser, als daß Heyse in dieser Tragödie mit innerstem, ja leiden¬
schaftlichem Antheil ein Lieblingsthema- den Kampf der sich sträubenden, die Ge¬
walt der Liebe zunächst als feindliche Macht empfindenden Jungfräulichkeit und
das tragische Verhängniß dargestellt hat, das daraus erwächst, wenn sich das
Weib wider die Natur entscheidet. Wie der Stoff liegt, muß hier der uralte und ewig
neue Conflict dem Dichter in urfrischer Stärke und Herbheit — gleichsam noch
mit seinem Erdgeruch erschienen sein — die ganze Gestaltung der Sabinerinnen
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