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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Paul Heyse.

in der Jugend Drang" singt, begegnen, war bei ihm von Hans aus in bessrer
Schule als es in der Regel der Fall ist. Dem Sprachfertigen, sprachkundigen,
welcher als Fachstudium mit allem Ernst die romanische Philologie betrieb, blieb
mancherlei Stammeln und Stottern erspart, auf gewisse Ziele konnte er mit kecker
Sicherheit losgehen. Daran fehlt es in den frühesten seiner "Novellen in Versen",
jenen als "Hermen" (1854) zuerst gesammelten Dichtungen nicht, "Arica," "Die
Brüder" und ähnliche Gedichte verrathen ein entschiednes Uebergewicht der Freude
an der reinen und glänzenden sin "Arica" sogar an der schwierigen Form der
"Spenserstcmze") über die Theilnahme am Inhalt, Freilich machte sich, wo der
Stoff günstig und dein eben reifenden Naturell des jugendlichen Dichters adäquat
war, wie in "Margherita Spolentina," schon ein leidenschaftlicher Zug, ein Au-
schauungsvermögen geltend, das nur dem tiefern und entwicklungsfähigen Talent
eigenthümlich ist und wohl von jenen in Anschlag gebracht wurde, die ein wenig
vorzeitig auf Heyse als eine Hoffnung der deutschen Poesie hinwiesen. Die
Dichtungen, welche in den Jahren 1852--1854, zum Theil als Früchte der ersten
Jtalicnreise, entstanden (unter ihnen die poetische Erzählung "Michel Angelo
Buonarotti," das reizende kleine Gedicht "Die Furie," in dem ein Element köst¬
lichen Humors waltet, die erste Sammlung der "Novellen" mit vier in sich
grundverschiedueu Prosaerzählungeu, darunter "Am Tiberufer" und "L'Arrabicita,"
das dramatische Gedicht "Meleager") waren so entscheidende Talentproben, daß
schon damals klar ward, die poetische Production sei der eigentliche Beruf
Paul Heyscs. Daß der Dichter sich tapfer mit jeder äußern Nothwendigkeit,
die ihm andre Pflichten auferlegt Hütte, abgefunden haben und dabei sich selbst
treu geblieben sein würde, können nnr jene in Dentschlnud nie mangelnden
Neidhämmel in Zweifel ziehen, welche in der frühen Berufung Hehses nach
München, als jüngstes Mitglied jenes Kreises, den König Max II. von
Baiern um sich bildete, die Erklärung seiner andauernden, beinahe immer gleich
frischen und eigentlich nie erlahmenden Leistungsfähigkeit erblicken. Gewiß ist,
daß der junge Schriftsteller, dem eS solchergestalt in seltner Weise gegönnt
ward, seiner Kunst zu leben und den naturgemäß neben der Schaffenslust eine
freudige Zuversichtlichkeit erfüllen mußte, glücklich genug angelegt und ernst
genug zur Selbstprüfung gestimmt war, um neue größre Anläufe zu nehmen
und sich einigen Fesseln rasch zu entwinden, mit denen ihn sein bisheriger Ent¬
wicklungsgang und die neue, vielbeueidete Situation, in der er sich fand, be¬
lastet hatten.

Von einem akademischen Dichter im engern Sinne des Wortes, einem solchen,
welcher, der lebendigen Phantasie, der Leidenschaft und Empfindung wie des
Auges für die Welt und ihre Erscheinungen entbehrend, Erfindungen variirt,


Paul Heyse.

in der Jugend Drang" singt, begegnen, war bei ihm von Hans aus in bessrer
Schule als es in der Regel der Fall ist. Dem Sprachfertigen, sprachkundigen,
welcher als Fachstudium mit allem Ernst die romanische Philologie betrieb, blieb
mancherlei Stammeln und Stottern erspart, auf gewisse Ziele konnte er mit kecker
Sicherheit losgehen. Daran fehlt es in den frühesten seiner „Novellen in Versen",
jenen als „Hermen" (1854) zuerst gesammelten Dichtungen nicht, „Arica," „Die
Brüder" und ähnliche Gedichte verrathen ein entschiednes Uebergewicht der Freude
an der reinen und glänzenden sin „Arica" sogar an der schwierigen Form der
„Spenserstcmze") über die Theilnahme am Inhalt, Freilich machte sich, wo der
Stoff günstig und dein eben reifenden Naturell des jugendlichen Dichters adäquat
war, wie in „Margherita Spolentina," schon ein leidenschaftlicher Zug, ein Au-
schauungsvermögen geltend, das nur dem tiefern und entwicklungsfähigen Talent
eigenthümlich ist und wohl von jenen in Anschlag gebracht wurde, die ein wenig
vorzeitig auf Heyse als eine Hoffnung der deutschen Poesie hinwiesen. Die
Dichtungen, welche in den Jahren 1852—1854, zum Theil als Früchte der ersten
Jtalicnreise, entstanden (unter ihnen die poetische Erzählung „Michel Angelo
Buonarotti," das reizende kleine Gedicht „Die Furie," in dem ein Element köst¬
lichen Humors waltet, die erste Sammlung der „Novellen" mit vier in sich
grundverschiedueu Prosaerzählungeu, darunter „Am Tiberufer" und „L'Arrabicita,"
das dramatische Gedicht „Meleager") waren so entscheidende Talentproben, daß
schon damals klar ward, die poetische Production sei der eigentliche Beruf
Paul Heyscs. Daß der Dichter sich tapfer mit jeder äußern Nothwendigkeit,
die ihm andre Pflichten auferlegt Hütte, abgefunden haben und dabei sich selbst
treu geblieben sein würde, können nnr jene in Dentschlnud nie mangelnden
Neidhämmel in Zweifel ziehen, welche in der frühen Berufung Hehses nach
München, als jüngstes Mitglied jenes Kreises, den König Max II. von
Baiern um sich bildete, die Erklärung seiner andauernden, beinahe immer gleich
frischen und eigentlich nie erlahmenden Leistungsfähigkeit erblicken. Gewiß ist,
daß der junge Schriftsteller, dem eS solchergestalt in seltner Weise gegönnt
ward, seiner Kunst zu leben und den naturgemäß neben der Schaffenslust eine
freudige Zuversichtlichkeit erfüllen mußte, glücklich genug angelegt und ernst
genug zur Selbstprüfung gestimmt war, um neue größre Anläufe zu nehmen
und sich einigen Fesseln rasch zu entwinden, mit denen ihn sein bisheriger Ent¬
wicklungsgang und die neue, vielbeueidete Situation, in der er sich fand, be¬
lastet hatten.

Von einem akademischen Dichter im engern Sinne des Wortes, einem solchen,
welcher, der lebendigen Phantasie, der Leidenschaft und Empfindung wie des
Auges für die Welt und ihre Erscheinungen entbehrend, Erfindungen variirt,


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[0374] Paul Heyse. in der Jugend Drang" singt, begegnen, war bei ihm von Hans aus in bessrer Schule als es in der Regel der Fall ist. Dem Sprachfertigen, sprachkundigen, welcher als Fachstudium mit allem Ernst die romanische Philologie betrieb, blieb mancherlei Stammeln und Stottern erspart, auf gewisse Ziele konnte er mit kecker Sicherheit losgehen. Daran fehlt es in den frühesten seiner „Novellen in Versen", jenen als „Hermen" (1854) zuerst gesammelten Dichtungen nicht, „Arica," „Die Brüder" und ähnliche Gedichte verrathen ein entschiednes Uebergewicht der Freude an der reinen und glänzenden sin „Arica" sogar an der schwierigen Form der „Spenserstcmze") über die Theilnahme am Inhalt, Freilich machte sich, wo der Stoff günstig und dein eben reifenden Naturell des jugendlichen Dichters adäquat war, wie in „Margherita Spolentina," schon ein leidenschaftlicher Zug, ein Au- schauungsvermögen geltend, das nur dem tiefern und entwicklungsfähigen Talent eigenthümlich ist und wohl von jenen in Anschlag gebracht wurde, die ein wenig vorzeitig auf Heyse als eine Hoffnung der deutschen Poesie hinwiesen. Die Dichtungen, welche in den Jahren 1852—1854, zum Theil als Früchte der ersten Jtalicnreise, entstanden (unter ihnen die poetische Erzählung „Michel Angelo Buonarotti," das reizende kleine Gedicht „Die Furie," in dem ein Element köst¬ lichen Humors waltet, die erste Sammlung der „Novellen" mit vier in sich grundverschiedueu Prosaerzählungeu, darunter „Am Tiberufer" und „L'Arrabicita," das dramatische Gedicht „Meleager") waren so entscheidende Talentproben, daß schon damals klar ward, die poetische Production sei der eigentliche Beruf Paul Heyscs. Daß der Dichter sich tapfer mit jeder äußern Nothwendigkeit, die ihm andre Pflichten auferlegt Hütte, abgefunden haben und dabei sich selbst treu geblieben sein würde, können nnr jene in Dentschlnud nie mangelnden Neidhämmel in Zweifel ziehen, welche in der frühen Berufung Hehses nach München, als jüngstes Mitglied jenes Kreises, den König Max II. von Baiern um sich bildete, die Erklärung seiner andauernden, beinahe immer gleich frischen und eigentlich nie erlahmenden Leistungsfähigkeit erblicken. Gewiß ist, daß der junge Schriftsteller, dem eS solchergestalt in seltner Weise gegönnt ward, seiner Kunst zu leben und den naturgemäß neben der Schaffenslust eine freudige Zuversichtlichkeit erfüllen mußte, glücklich genug angelegt und ernst genug zur Selbstprüfung gestimmt war, um neue größre Anläufe zu nehmen und sich einigen Fesseln rasch zu entwinden, mit denen ihn sein bisheriger Ent¬ wicklungsgang und die neue, vielbeueidete Situation, in der er sich fand, be¬ lastet hatten. Von einem akademischen Dichter im engern Sinne des Wortes, einem solchen, welcher, der lebendigen Phantasie, der Leidenschaft und Empfindung wie des Auges für die Welt und ihre Erscheinungen entbehrend, Erfindungen variirt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/374>, abgerufen am 22.07.2024.