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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Lalderon.

diensten gezwungen; der treue Don Juan harrt bei ihm aus und sucht ihm alle
nur mögliche Erleichterung in seinem harten Loose zu verschaffen, Vou ergreifender
Wirkung ist die Begegnung des edeln Sclaven mit der Königstochter, für die
ihm aufgetragen war, Blumen zu holen, und die hochpoetische Vergleichung, die
in diesem Gespräch zwischen Blumen, Sternen und Menschenleben angestellt wird,
Mulcys Dankbarkeit gegen den unglücklichen Prinzen verlangt sich in Thaten zu
äußern und will ein Schiff zur Flucht bereit halten, der König indeß, dessen
Argwohn erwacht, macht Muley verantwortlich dafür, daß Fernando nicht ent¬
komme. In seinem Conflict zwischen Dankbarkeit und Gehorsam mahnt ihn der
stolze Portugiese, Pflicht und Ehre der Freundschaft voranzustellen und giebt
ihm die Zusicherung, er als sein Freund werde sich selbst bewachen und, falls
ihm von andrer Seite die Mittel zur Rettung geboten würden, aus Rücksicht
auf Muleys Ehre sie zurückweisen. Trotzdem sehen wir Muley im dritten Acte
darauf bedacht, das Interesse des Prinzen nach allen Kräften wahrzunehmen;
er bittet den König um Milderung seines Zustands, freilich umsonst, da der
König erwiedert, daß der Infant ja sein Loos in der eignen Hand habe. Es
werden zwei Gesandte gemeldet, vom König von Marokko und von Portugals
Herrscher, hinter denen sich indeß die beiden Monarchen selbst verbergen. Alfonso,
der neue portugiesische König, bietet an Ceutas Statt das reichste Lösegeld für
den Infanten, der König von Fez besteht aber auf der Uebergnbe CeutaS, worauf
ihm Alfonso den Krieg erklärt. Tarudante bricht mit Phönix, seiner Braut,
auf, der Muley das Geleit geben muß. Den Infanten, der nunmehr alles
Schutzes bar ist, finden wir in der nächsten Scene auf einer Straße von Fez
wieder, durch Hunger und Entbehrung entkräftet und den mit Tarudante und
Phönix vorüberziehenden König um ein Almosen auflesend; hinreißend ist diese
Rede, in der das menschliche Erbarmen als die Zierde jeder Religion gefeiert,
auf die Nähe von Tod und Leben in einem der genialsten Vergleiche zwischen
Wiege und Sarg hingewiesen wird und in der zum Schlüsse der stolze Sinn,
den der edle Dulder in all dem Elend bewahrt, in seiner ganzen Größe wahr¬
haft dithyrambisch durchbricht. Der König, wiewohl erstaunt ob solcher Sinnes¬
art, bleibt- unerschütterlich und räth ihm an, erst Mitleid mit sich selbst zu haben,
dann werde er auch ihn rühren. Doch schon zu spät: als der treue Don Juan
mit Speise zu ihm kommt, fühlt der Infant das Nahen des Todes und bittet
nnr noch, ihn in seinem Ordenskleide zu bestatten. In der nächsten Scene rückt
Alfonso mit Heeresmacht zu seiner Befreiung heran. Mit seinem Ordcnsmantel
angethan, die brennende Fackel in der Hand, erscheint der todte Infant den
Seinen -- wohl eine der großartigsten Geistererscheinnngcn, die je über die Bühne
gegangen -- und führt das Heer zum Siege. Ans der Stadtmauer gewahren


Lalderon.

diensten gezwungen; der treue Don Juan harrt bei ihm aus und sucht ihm alle
nur mögliche Erleichterung in seinem harten Loose zu verschaffen, Vou ergreifender
Wirkung ist die Begegnung des edeln Sclaven mit der Königstochter, für die
ihm aufgetragen war, Blumen zu holen, und die hochpoetische Vergleichung, die
in diesem Gespräch zwischen Blumen, Sternen und Menschenleben angestellt wird,
Mulcys Dankbarkeit gegen den unglücklichen Prinzen verlangt sich in Thaten zu
äußern und will ein Schiff zur Flucht bereit halten, der König indeß, dessen
Argwohn erwacht, macht Muley verantwortlich dafür, daß Fernando nicht ent¬
komme. In seinem Conflict zwischen Dankbarkeit und Gehorsam mahnt ihn der
stolze Portugiese, Pflicht und Ehre der Freundschaft voranzustellen und giebt
ihm die Zusicherung, er als sein Freund werde sich selbst bewachen und, falls
ihm von andrer Seite die Mittel zur Rettung geboten würden, aus Rücksicht
auf Muleys Ehre sie zurückweisen. Trotzdem sehen wir Muley im dritten Acte
darauf bedacht, das Interesse des Prinzen nach allen Kräften wahrzunehmen;
er bittet den König um Milderung seines Zustands, freilich umsonst, da der
König erwiedert, daß der Infant ja sein Loos in der eignen Hand habe. Es
werden zwei Gesandte gemeldet, vom König von Marokko und von Portugals
Herrscher, hinter denen sich indeß die beiden Monarchen selbst verbergen. Alfonso,
der neue portugiesische König, bietet an Ceutas Statt das reichste Lösegeld für
den Infanten, der König von Fez besteht aber auf der Uebergnbe CeutaS, worauf
ihm Alfonso den Krieg erklärt. Tarudante bricht mit Phönix, seiner Braut,
auf, der Muley das Geleit geben muß. Den Infanten, der nunmehr alles
Schutzes bar ist, finden wir in der nächsten Scene auf einer Straße von Fez
wieder, durch Hunger und Entbehrung entkräftet und den mit Tarudante und
Phönix vorüberziehenden König um ein Almosen auflesend; hinreißend ist diese
Rede, in der das menschliche Erbarmen als die Zierde jeder Religion gefeiert,
auf die Nähe von Tod und Leben in einem der genialsten Vergleiche zwischen
Wiege und Sarg hingewiesen wird und in der zum Schlüsse der stolze Sinn,
den der edle Dulder in all dem Elend bewahrt, in seiner ganzen Größe wahr¬
haft dithyrambisch durchbricht. Der König, wiewohl erstaunt ob solcher Sinnes¬
art, bleibt- unerschütterlich und räth ihm an, erst Mitleid mit sich selbst zu haben,
dann werde er auch ihn rühren. Doch schon zu spät: als der treue Don Juan
mit Speise zu ihm kommt, fühlt der Infant das Nahen des Todes und bittet
nnr noch, ihn in seinem Ordenskleide zu bestatten. In der nächsten Scene rückt
Alfonso mit Heeresmacht zu seiner Befreiung heran. Mit seinem Ordcnsmantel
angethan, die brennende Fackel in der Hand, erscheint der todte Infant den
Seinen — wohl eine der großartigsten Geistererscheinnngcn, die je über die Bühne
gegangen — und führt das Heer zum Siege. Ans der Stadtmauer gewahren


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[0276] Lalderon. diensten gezwungen; der treue Don Juan harrt bei ihm aus und sucht ihm alle nur mögliche Erleichterung in seinem harten Loose zu verschaffen, Vou ergreifender Wirkung ist die Begegnung des edeln Sclaven mit der Königstochter, für die ihm aufgetragen war, Blumen zu holen, und die hochpoetische Vergleichung, die in diesem Gespräch zwischen Blumen, Sternen und Menschenleben angestellt wird, Mulcys Dankbarkeit gegen den unglücklichen Prinzen verlangt sich in Thaten zu äußern und will ein Schiff zur Flucht bereit halten, der König indeß, dessen Argwohn erwacht, macht Muley verantwortlich dafür, daß Fernando nicht ent¬ komme. In seinem Conflict zwischen Dankbarkeit und Gehorsam mahnt ihn der stolze Portugiese, Pflicht und Ehre der Freundschaft voranzustellen und giebt ihm die Zusicherung, er als sein Freund werde sich selbst bewachen und, falls ihm von andrer Seite die Mittel zur Rettung geboten würden, aus Rücksicht auf Muleys Ehre sie zurückweisen. Trotzdem sehen wir Muley im dritten Acte darauf bedacht, das Interesse des Prinzen nach allen Kräften wahrzunehmen; er bittet den König um Milderung seines Zustands, freilich umsonst, da der König erwiedert, daß der Infant ja sein Loos in der eignen Hand habe. Es werden zwei Gesandte gemeldet, vom König von Marokko und von Portugals Herrscher, hinter denen sich indeß die beiden Monarchen selbst verbergen. Alfonso, der neue portugiesische König, bietet an Ceutas Statt das reichste Lösegeld für den Infanten, der König von Fez besteht aber auf der Uebergnbe CeutaS, worauf ihm Alfonso den Krieg erklärt. Tarudante bricht mit Phönix, seiner Braut, auf, der Muley das Geleit geben muß. Den Infanten, der nunmehr alles Schutzes bar ist, finden wir in der nächsten Scene auf einer Straße von Fez wieder, durch Hunger und Entbehrung entkräftet und den mit Tarudante und Phönix vorüberziehenden König um ein Almosen auflesend; hinreißend ist diese Rede, in der das menschliche Erbarmen als die Zierde jeder Religion gefeiert, auf die Nähe von Tod und Leben in einem der genialsten Vergleiche zwischen Wiege und Sarg hingewiesen wird und in der zum Schlüsse der stolze Sinn, den der edle Dulder in all dem Elend bewahrt, in seiner ganzen Größe wahr¬ haft dithyrambisch durchbricht. Der König, wiewohl erstaunt ob solcher Sinnes¬ art, bleibt- unerschütterlich und räth ihm an, erst Mitleid mit sich selbst zu haben, dann werde er auch ihn rühren. Doch schon zu spät: als der treue Don Juan mit Speise zu ihm kommt, fühlt der Infant das Nahen des Todes und bittet nnr noch, ihn in seinem Ordenskleide zu bestatten. In der nächsten Scene rückt Alfonso mit Heeresmacht zu seiner Befreiung heran. Mit seinem Ordcnsmantel angethan, die brennende Fackel in der Hand, erscheint der todte Infant den Seinen — wohl eine der großartigsten Geistererscheinnngcn, die je über die Bühne gegangen — und führt das Heer zum Siege. Ans der Stadtmauer gewahren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/276>, abgerufen am 01.10.2024.