Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.Politische Briefe. eine Majorität, die doch Morgen nach Hause geht und die, anstatt den öffent¬ So ist denn keine Aussicht vorhanden, daß wir sobald den Geschäftsmodns Politische Briefe. eine Majorität, die doch Morgen nach Hause geht und die, anstatt den öffent¬ So ist denn keine Aussicht vorhanden, daß wir sobald den Geschäftsmodns <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0257" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149829"/> <fw type="header" place="top"> Politische Briefe.</fw><lb/> <p xml:id="ID_897" prev="#ID_896"> eine Majorität, die doch Morgen nach Hause geht und die, anstatt den öffent¬<lb/> lichen Geist zu lenken und zu reifen, vielmehr seinen unreifen Stimmungen und<lb/> Idolen lauscht, um ihre Mandate wieder zu bekommen. Es ist ein ganz falsches<lb/> Bvrurthcil, daß eine Regierung ein auf lange gewähltes Parlament, abgesehen<lb/> natürlich von Fällen dringender Noth, lieber bei jedem geringen Anlaß nach<lb/> Hanse schicken als sich mit ihm vertragen werde.</p><lb/> <p xml:id="ID_898" next="#ID_899"> So ist denn keine Aussicht vorhanden, daß wir sobald den Geschäftsmodns<lb/> erhalten, den Fürst Bismarck erstrebt, um auch nnr die formale Unbeholfenheit<lb/> und Ohnmacht unsres Parlamentarismus loszuwerden. Aber wenn wir und<lb/> wenn die Negierung vor den Idolen, welche jenen GeschüftsmoduS verhindern,<lb/> respectvoll umkehren wollte, weil es die Idole unsrer Parlamentarier sind, so<lb/> möchte man doch an allem deutschen Parlamentarismus verzweifeln über die<lb/> Sterilität und Gedankenlosigkeit, welche dermaßen an ihre» Idolen erstickt, daß<lb/> sie auch nicht den leichtesten, zweckmäßigsten Ausweg finden kann, sondern immer bei<lb/> dem allerschädlichsten stehen bleibe» muß. Es ist wahrhaft niederdrückend zu sehe»,<lb/> daß ein Mann wie Bennigsen sich zum Fürsprecher der jährliche» Berufung des<lb/> Reichstags im October macht. Wir habe» vorhin die Nachtheile dieser Ein¬<lb/> richtung vom Standpunkte des Reichstags bezeichnet, welche bereits dazu geführt<lb/> haben, die Einrichtung zu verlassen. Aber es ist ein barbarischer Leichtsinn oder<lb/> Stumpfsinn, garnicht einmal daran zu denken, daß die RegiernngSmitglieder, von:<lb/> Kaiser und König bis zu den Staatsseeretären, Ministern und Räthen, auch eine<lb/> Menschenclasse sind, die einer Arbeitszeit bedürfen für den schwierigsten Theil<lb/> ihrer Aufgabe, einer solchen Arbeitszeit, wo sie von keinen Parlamenten gestört<lb/> werden. Diese Arbeitszeit muß der Herbst sein, und darum müssen die Monate<lb/> September bis December einschließlich von allen Parlamentssitzungen freigemacht<lb/> werden. Herr Eugen Richter bemüht sich natürlich zu verbreiten, der Reichs¬<lb/> kanzler wolle diese Monate frei haben, um in Varzin und Friedrichsruh täglich<lb/> auf die Jagd zu gehen. Wer mag Herrn Eugen Richter widerlegen? Aber<lb/> jeder ernsthafte und anständige Mensch, wenn er seine Gedanke» auf diese Seite<lb/> der Sache gerichtet hat, wird seinen Widerspruch aufgeben. Es handelt sich nicht<lb/> um den Reichskanzler allein, sondern uni die Gesammtheit des höhern Beamten-<lb/> thums. Um die Herbstmonate frei zu machen, mich freilich mit beschwerlicher<lb/> Mühe ein Fehler verbessert werden, den uns die Camphanseuschc Talentlosigkeit<lb/> bescheert hat. Bei der Verlegung des Budgetjahres hat man, sich lächerlicher¬<lb/> weise auch hier an das englische Vorbild klammernd, das Jahr mit dem 1. April<lb/> beginnen lassen. Für die deutschen Verhältnisse paßt nur der 1. Juli. Dann<lb/> mag der Reichstag, wenn er einmal jährlich tagen muß, sein Budget von Januar<lb/> bis März, der Landtag das seinige von April bis Juni berathen. Dagegen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0257]
Politische Briefe.
eine Majorität, die doch Morgen nach Hause geht und die, anstatt den öffent¬
lichen Geist zu lenken und zu reifen, vielmehr seinen unreifen Stimmungen und
Idolen lauscht, um ihre Mandate wieder zu bekommen. Es ist ein ganz falsches
Bvrurthcil, daß eine Regierung ein auf lange gewähltes Parlament, abgesehen
natürlich von Fällen dringender Noth, lieber bei jedem geringen Anlaß nach
Hanse schicken als sich mit ihm vertragen werde.
So ist denn keine Aussicht vorhanden, daß wir sobald den Geschäftsmodns
erhalten, den Fürst Bismarck erstrebt, um auch nnr die formale Unbeholfenheit
und Ohnmacht unsres Parlamentarismus loszuwerden. Aber wenn wir und
wenn die Negierung vor den Idolen, welche jenen GeschüftsmoduS verhindern,
respectvoll umkehren wollte, weil es die Idole unsrer Parlamentarier sind, so
möchte man doch an allem deutschen Parlamentarismus verzweifeln über die
Sterilität und Gedankenlosigkeit, welche dermaßen an ihre» Idolen erstickt, daß
sie auch nicht den leichtesten, zweckmäßigsten Ausweg finden kann, sondern immer bei
dem allerschädlichsten stehen bleibe» muß. Es ist wahrhaft niederdrückend zu sehe»,
daß ein Mann wie Bennigsen sich zum Fürsprecher der jährliche» Berufung des
Reichstags im October macht. Wir habe» vorhin die Nachtheile dieser Ein¬
richtung vom Standpunkte des Reichstags bezeichnet, welche bereits dazu geführt
haben, die Einrichtung zu verlassen. Aber es ist ein barbarischer Leichtsinn oder
Stumpfsinn, garnicht einmal daran zu denken, daß die RegiernngSmitglieder, von:
Kaiser und König bis zu den Staatsseeretären, Ministern und Räthen, auch eine
Menschenclasse sind, die einer Arbeitszeit bedürfen für den schwierigsten Theil
ihrer Aufgabe, einer solchen Arbeitszeit, wo sie von keinen Parlamenten gestört
werden. Diese Arbeitszeit muß der Herbst sein, und darum müssen die Monate
September bis December einschließlich von allen Parlamentssitzungen freigemacht
werden. Herr Eugen Richter bemüht sich natürlich zu verbreiten, der Reichs¬
kanzler wolle diese Monate frei haben, um in Varzin und Friedrichsruh täglich
auf die Jagd zu gehen. Wer mag Herrn Eugen Richter widerlegen? Aber
jeder ernsthafte und anständige Mensch, wenn er seine Gedanke» auf diese Seite
der Sache gerichtet hat, wird seinen Widerspruch aufgeben. Es handelt sich nicht
um den Reichskanzler allein, sondern uni die Gesammtheit des höhern Beamten-
thums. Um die Herbstmonate frei zu machen, mich freilich mit beschwerlicher
Mühe ein Fehler verbessert werden, den uns die Camphanseuschc Talentlosigkeit
bescheert hat. Bei der Verlegung des Budgetjahres hat man, sich lächerlicher¬
weise auch hier an das englische Vorbild klammernd, das Jahr mit dem 1. April
beginnen lassen. Für die deutschen Verhältnisse paßt nur der 1. Juli. Dann
mag der Reichstag, wenn er einmal jährlich tagen muß, sein Budget von Januar
bis März, der Landtag das seinige von April bis Juni berathen. Dagegen
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