Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.Politische Briefe. der Sessionen 6 Monate anstatt 7 und darüber betragen würde. Mit der zwei¬ Politische Briefe. der Sessionen 6 Monate anstatt 7 und darüber betragen würde. Mit der zwei¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0256" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149828"/> <fw type="header" place="top"> Politische Briefe.</fw><lb/> <p xml:id="ID_896" prev="#ID_895" next="#ID_897"> der Sessionen 6 Monate anstatt 7 und darüber betragen würde. Mit der zwei¬<lb/> jährigen Budgetperiode hängt die Verlängerung der Legislaturperioden um je<lb/> ein Jahr zusammen. Es ist unglmiblich, daß man selbst hiervon Gefahren be¬<lb/> fürchtet, während die kurzen Legislaturperioden eine Hauptursache der Schwäche<lb/> des deutschen Parlamentarismus sind. Auch der Reichskanzler ist nicht für die<lb/> lange Legislaturperiode, von deren Einführung die Stärke des englischen Parla¬<lb/> ments datirt, womit natürlich nicht gesagt ist, daß diese Stärke nicht noch andre<lb/> Gründe habe. Nur daß diese Gründe erst mit der siebenjährigen Legislatur¬<lb/> periode zur Geltung gekommen sind und zur Geltung kommen konnten. Obwohl<lb/> unsre Liberalen wissen oder wenigstens wissen könnten, daß der Reichskanzler nur<lb/> aus einer auf der Hand liegenden technischen Rücksicht den Legislaturperioden<lb/> ein Jahr zulegen will, fürchten sie doch, die Hinausschicbung des Wählvcrgnügeus<lb/> um ein Jahr werde die Parlamentsmacht schädigen und werde zu diesem Zwecke<lb/> erstrebt. Bei dieser Verblendung muß man an des Engländers Baco glückliche Be¬<lb/> obachtung der Ursachen geistiger Unbeholfenheit denken. Zwischen die lebendigen<lb/> Dinge und das menschliche Begreifen derselben drängen sich nach Baco immer¬<lb/> fort die Vorurtheile, die er Idole nennt. Er unterscheidet drei Classen: iäolu,<lb/> tlrsiM, ielols, t'vri, iciolA tribus ot spsous. Die iÄols. tus^tri sind die Ein¬<lb/> bildungen, welche aus der falschen Deutung der Thatsachen auf dem großen<lb/> Schauplatze der Welt entspringen. Die Einbildung, daß Deutschland deeapitirt<lb/> sei, wenn sein Reichstag nicht alljährlich wie die großen Parlamente in Eng¬<lb/> land und Frankreich zusammentrete, ist ein iclolum tuo^tri. Die ickols. ton sind<lb/> die Münzen, welche bei dem Verkehr der Mittelmäßigkeit auf dem Markte des<lb/> Lebens für die Durchschnittsmenschen geprägt und von ihnen für Geld gehalten<lb/> werden. Die Einbildung, daß unser Reichstag, der über eine Menge wichtiger<lb/> Nativnalangelegenheiten nichts zu sagen hat, das deutsche Vollparlament sei,<lb/> welches doch nur in der Zusammenfassung des Reichstags mit dem preußischen<lb/> Landtage, wenn nicht mit allen Landtagen, zu finden wäre, ist ein iclolum tori.<lb/> Die iäols, tribu» se «poens sind die Einbildungen, welche aus den natürlichen<lb/> Schwächen der menschlichen Gattung lMoas) und des einzelnen Individuums<lb/> (spsvos, Höhle, nennt Baco sehr ant den Grund der individuellen Schranken,<lb/> weil er etwas Verborgnes ist) entspringe». Ein iclolum ti'imrs ist die Ein¬<lb/> bildung, ein Parlament oder überhaupt ein Mandatar sei desto stärker, je öfter<lb/> ihm sein Mandat erneuert werden müsse. Die von diesem Idol besessenen meinen<lb/> freilich, die längere Legislaturperiode setze die Regierung in den Stand, eine<lb/> ergebene Majorität länger zu behalten. Sie können natürlich nicht begreifen,<lb/> daß eine Negierung mehr Ursache hat, sich um die dauernde Uebereinstimmung mit<lb/> einer Majorität zu bemühen, wenn der Erfolg der Mühe lohnt. Was nützt aber</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0256]
Politische Briefe.
der Sessionen 6 Monate anstatt 7 und darüber betragen würde. Mit der zwei¬
jährigen Budgetperiode hängt die Verlängerung der Legislaturperioden um je
ein Jahr zusammen. Es ist unglmiblich, daß man selbst hiervon Gefahren be¬
fürchtet, während die kurzen Legislaturperioden eine Hauptursache der Schwäche
des deutschen Parlamentarismus sind. Auch der Reichskanzler ist nicht für die
lange Legislaturperiode, von deren Einführung die Stärke des englischen Parla¬
ments datirt, womit natürlich nicht gesagt ist, daß diese Stärke nicht noch andre
Gründe habe. Nur daß diese Gründe erst mit der siebenjährigen Legislatur¬
periode zur Geltung gekommen sind und zur Geltung kommen konnten. Obwohl
unsre Liberalen wissen oder wenigstens wissen könnten, daß der Reichskanzler nur
aus einer auf der Hand liegenden technischen Rücksicht den Legislaturperioden
ein Jahr zulegen will, fürchten sie doch, die Hinausschicbung des Wählvcrgnügeus
um ein Jahr werde die Parlamentsmacht schädigen und werde zu diesem Zwecke
erstrebt. Bei dieser Verblendung muß man an des Engländers Baco glückliche Be¬
obachtung der Ursachen geistiger Unbeholfenheit denken. Zwischen die lebendigen
Dinge und das menschliche Begreifen derselben drängen sich nach Baco immer¬
fort die Vorurtheile, die er Idole nennt. Er unterscheidet drei Classen: iäolu,
tlrsiM, ielols, t'vri, iciolA tribus ot spsous. Die iÄols. tus^tri sind die Ein¬
bildungen, welche aus der falschen Deutung der Thatsachen auf dem großen
Schauplatze der Welt entspringen. Die Einbildung, daß Deutschland deeapitirt
sei, wenn sein Reichstag nicht alljährlich wie die großen Parlamente in Eng¬
land und Frankreich zusammentrete, ist ein iclolum tuo^tri. Die ickols. ton sind
die Münzen, welche bei dem Verkehr der Mittelmäßigkeit auf dem Markte des
Lebens für die Durchschnittsmenschen geprägt und von ihnen für Geld gehalten
werden. Die Einbildung, daß unser Reichstag, der über eine Menge wichtiger
Nativnalangelegenheiten nichts zu sagen hat, das deutsche Vollparlament sei,
welches doch nur in der Zusammenfassung des Reichstags mit dem preußischen
Landtage, wenn nicht mit allen Landtagen, zu finden wäre, ist ein iclolum tori.
Die iäols, tribu» se «poens sind die Einbildungen, welche aus den natürlichen
Schwächen der menschlichen Gattung lMoas) und des einzelnen Individuums
(spsvos, Höhle, nennt Baco sehr ant den Grund der individuellen Schranken,
weil er etwas Verborgnes ist) entspringe». Ein iclolum ti'imrs ist die Ein¬
bildung, ein Parlament oder überhaupt ein Mandatar sei desto stärker, je öfter
ihm sein Mandat erneuert werden müsse. Die von diesem Idol besessenen meinen
freilich, die längere Legislaturperiode setze die Regierung in den Stand, eine
ergebene Majorität länger zu behalten. Sie können natürlich nicht begreifen,
daß eine Negierung mehr Ursache hat, sich um die dauernde Uebereinstimmung mit
einer Majorität zu bemühen, wenn der Erfolg der Mühe lohnt. Was nützt aber
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