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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Lin Ingondstenild Goethes.

und pro rostri8: griechisch, lateinisch, französisch ward hier zum höchsten Ennny
der Damen dispensirt und während dem, daß der Aelteste nbsolvirte, zitterten
die Nachstehenden -- ,daß Libanon bebt' und Hermon erzittert'!' Die Anwesenden
poknlirten den arten Rheinwein aus goldenen oder vergoldeten Bechern; den"
daran war wie an andern Humpen im großen Büffet kein Mangel. Ueberhaupt
herrschte in Naunhof viel Rittersitte; die Knappen mußten bügel- und schußfcst,
das beste Roß bey Gewittern immer gesattelt, das Gewehr allzeit geladen seyn:
wir übten uns mit Armbrüsten meistens alle Sonntage: die Hanptglokke ward
bey Mittags- und Abendtafel angezogen. Die Eingänge waren mit spanischen
Reutern und großen mit Eisen beschlagenen Thorwegen versehen und vier mächtige
Mvlosse bewachten die äußern und innern Eingänge, lieber dem Portal deS
Schlosses stunden die Horazianischm Worte mit goldenen Buchstaben: ^inanömlil
tvHus et äomns etc", eine prophetische Moral, die an mir pünktlich mein ganzes
Leben hindurch eintraf und auch meines Vaters Symbol war. , . Nichts that
eine so kräftige Wirkung auf meinen Bater als eine Hvrazianischc Ode, und
Homz war daher für mich der Elektrophor wider alle Wetter der Trübsal; Parade-,
Zug-, Streit-, Acker- und Steckenpferd. Wer mit dieser Egidc bewafnet war,
glich dem nuverwundbaren Achill, und wer den Horaz verstand, von dem präsnmirte
mein Vater, daß er alles verstünde..." Eines Tages sagte der Vater zum
Hofmeister: "Herr Magister, Sie müssen die Jungens uicht so viel hernmhanzen
lassen und sie besser in Disciplin halten. Des Tages eine Stunde, das ist genug.
Ueberhaupt scharf halten, scharf: die Karwntsche muß nie aus Ihren Händen
kommen: die Jungens haben zu viel Freiheit. Der Wolf hat immer was mit
den andern vor. Ich habe so zugehört: er bildet sich ein, Kammerherr zu sein,
weil er die Manschetten doppelt trägt und da machts ihm der Heinrich gleich
nach. Solche Fratzen spielen immer Komödien und können den Donat noch nicht
recht. Wie heißt äunwxat, a, van'do, Heinrich?" Heinrich erwiedert: "Non elivr
xüro, "lnntnxg.ro gehört in die erste Conjugation." "Ja clrmtaxnarre! fährt der
Vater aufgebracht fort, dacht ichs doch, daß der Narr so antworten würde. Da
schreib den Anschlag ab. Daß er ans den Abend fertig ist, sonst heißt's e-Mrö!"
und dabei schlägt der Vater dem Sohne den Anschlag deS Gutes Naunhof um
die Ohren, indem er noch weiter vor sich hinbrnmmt: "So ein Flegel von Junge,
weiß nicht, was änntaxat ist und ist schon sechs Jahre alt" . . . Der ältere
Bruder hatte nach Heinrichs Aufzeichnungen nicht nur dnrch seine Jahre, sondern
auch durch die leichtere Mitwissenschaft um die nusgclassnen Streiche der andern
ein Uebergewicht über sie, und so gewöhnte sich Wolfgang schon im väterlichen
Hause eine Art Führerschaft an, in der sich -- nach des Bruders Auffassung --
nicht selten ein rücksichtsloser Egoismus geltend machte.


Lin Ingondstenild Goethes.

und pro rostri8: griechisch, lateinisch, französisch ward hier zum höchsten Ennny
der Damen dispensirt und während dem, daß der Aelteste nbsolvirte, zitterten
die Nachstehenden — ,daß Libanon bebt' und Hermon erzittert'!' Die Anwesenden
poknlirten den arten Rheinwein aus goldenen oder vergoldeten Bechern; den»
daran war wie an andern Humpen im großen Büffet kein Mangel. Ueberhaupt
herrschte in Naunhof viel Rittersitte; die Knappen mußten bügel- und schußfcst,
das beste Roß bey Gewittern immer gesattelt, das Gewehr allzeit geladen seyn:
wir übten uns mit Armbrüsten meistens alle Sonntage: die Hanptglokke ward
bey Mittags- und Abendtafel angezogen. Die Eingänge waren mit spanischen
Reutern und großen mit Eisen beschlagenen Thorwegen versehen und vier mächtige
Mvlosse bewachten die äußern und innern Eingänge, lieber dem Portal deS
Schlosses stunden die Horazianischm Worte mit goldenen Buchstaben: ^inanömlil
tvHus et äomns etc», eine prophetische Moral, die an mir pünktlich mein ganzes
Leben hindurch eintraf und auch meines Vaters Symbol war. , . Nichts that
eine so kräftige Wirkung auf meinen Bater als eine Hvrazianischc Ode, und
Homz war daher für mich der Elektrophor wider alle Wetter der Trübsal; Parade-,
Zug-, Streit-, Acker- und Steckenpferd. Wer mit dieser Egidc bewafnet war,
glich dem nuverwundbaren Achill, und wer den Horaz verstand, von dem präsnmirte
mein Vater, daß er alles verstünde..." Eines Tages sagte der Vater zum
Hofmeister: „Herr Magister, Sie müssen die Jungens uicht so viel hernmhanzen
lassen und sie besser in Disciplin halten. Des Tages eine Stunde, das ist genug.
Ueberhaupt scharf halten, scharf: die Karwntsche muß nie aus Ihren Händen
kommen: die Jungens haben zu viel Freiheit. Der Wolf hat immer was mit
den andern vor. Ich habe so zugehört: er bildet sich ein, Kammerherr zu sein,
weil er die Manschetten doppelt trägt und da machts ihm der Heinrich gleich
nach. Solche Fratzen spielen immer Komödien und können den Donat noch nicht
recht. Wie heißt äunwxat, a, van'do, Heinrich?" Heinrich erwiedert: „Non elivr
xüro, «lnntnxg.ro gehört in die erste Conjugation." „Ja clrmtaxnarre! fährt der
Vater aufgebracht fort, dacht ichs doch, daß der Narr so antworten würde. Da
schreib den Anschlag ab. Daß er ans den Abend fertig ist, sonst heißt's e-Mrö!"
und dabei schlägt der Vater dem Sohne den Anschlag deS Gutes Naunhof um
die Ohren, indem er noch weiter vor sich hinbrnmmt: „So ein Flegel von Junge,
weiß nicht, was änntaxat ist und ist schon sechs Jahre alt" . . . Der ältere
Bruder hatte nach Heinrichs Aufzeichnungen nicht nur dnrch seine Jahre, sondern
auch durch die leichtere Mitwissenschaft um die nusgclassnen Streiche der andern
ein Uebergewicht über sie, und so gewöhnte sich Wolfgang schon im väterlichen
Hause eine Art Führerschaft an, in der sich — nach des Bruders Auffassung —
nicht selten ein rücksichtsloser Egoismus geltend machte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/19>, abgerufen am 23.07.2024.