Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.Lin Jugendfreund Goethes,
") Der Geheimdcmth von Göthe schrieb jüngst eine bürgerliche Epopee: Hermann und Dorothea betitelt, und gab sie einem Freunde, der uach Berlin reiste, mit dem Auftrage, sie einem Buchhändler zu zeigen, und dessen Gebot zu erwarten. Zugleich gab er ihm einen versiegelten Zettel, welcher den Preis enthielt, für den das Manuscript sogleich erlassen werden sollte, und bat, ihn nicht eher, als nach angehörten Gebote des Buchhändlers zu cröfueu. Herr Vieweg bot dem Freunde 1000 Rthlr. in Gold; der Freund öfnete den Zettel, fand darinnen die Summe von tausend Rthlrn. als Kaufpreis bestimmt, und überlieferte dem Buchhändler das Manuseript. Dieses enthält 2000 Verse. Es kömmt also auf jeden Vers ein halber Thaler, ohne das große Agio des Goldes in Anschlag zu bringen. **) Der Buchhändler Göschen in Leipzig ist gesonnen, Klopstocks Schriften ebenso prächtig
gedruckt als Wielands Werke herauszugeben, verlangt aber, daß W. Klopstock die Dunkel¬ heiten, die in einigen seiner Oden obwalten, durch einen Commentar ausheilen soll, wovon der Dichter die Nothwendigkeit nicht eingestehen will. Lin Jugendfreund Goethes,
") Der Geheimdcmth von Göthe schrieb jüngst eine bürgerliche Epopee: Hermann und Dorothea betitelt, und gab sie einem Freunde, der uach Berlin reiste, mit dem Auftrage, sie einem Buchhändler zu zeigen, und dessen Gebot zu erwarten. Zugleich gab er ihm einen versiegelten Zettel, welcher den Preis enthielt, für den das Manuscript sogleich erlassen werden sollte, und bat, ihn nicht eher, als nach angehörten Gebote des Buchhändlers zu cröfueu. Herr Vieweg bot dem Freunde 1000 Rthlr. in Gold; der Freund öfnete den Zettel, fand darinnen die Summe von tausend Rthlrn. als Kaufpreis bestimmt, und überlieferte dem Buchhändler das Manuseript. Dieses enthält 2000 Verse. Es kömmt also auf jeden Vers ein halber Thaler, ohne das große Agio des Goldes in Anschlag zu bringen. **) Der Buchhändler Göschen in Leipzig ist gesonnen, Klopstocks Schriften ebenso prächtig
gedruckt als Wielands Werke herauszugeben, verlangt aber, daß W. Klopstock die Dunkel¬ heiten, die in einigen seiner Oden obwalten, durch einen Commentar ausheilen soll, wovon der Dichter die Nothwendigkeit nicht eingestehen will. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0167" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149739"/> <fw type="header" place="top"> Lin Jugendfreund Goethes,</fw><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_18" type="poem"> <l> Gelänge mir der Epos so wie Göthen*),<lb/> Der unnachahmlich schön die wackern Bürger malt,<lb/> Den Vieweg, ehe dann die andern mehr noch böten,<lb/> Für jeden Pinselstrich des Thalers Hälfte zahlt;<lb/> Ich eilte gleich mit meinen Kinde<lb/> Entzückt zu dir, und stolz auf solches Angebinde.<lb/></l> <l> Entschwänge sich, wie Klopstocks Genius**),<lb/> Mein Geist dem niedern, Wvlkcnkreise,<lb/> Und streifte bald den Syrius<lb/> Und bald deu großen Bär auf nngebrochncm Gleise,<lb/> Ich wagte heute uoch die Reise,<lb/> Und eine Ode oltre dein.<lb/> Wo nach des Meisters Weise<lb/> Metaphern kühn sich an Metaphern reih'u,<lb/> Und die Allegorie zum heil'gen Räthsel weih'n,<lb/> Das, von der Wortfügung verworfnem Garn enthüllet,<lb/> Die Seele mit Bewund'rung füllet.<lb/></l> <l> Ich aber hebe mich nur schwer,<lb/> Und Schwindel faßt mich in der Höhe.<lb/> Wenn in der Einbildung ich mich nur schwebend sehe,<lb/> Erscheint mir Iearus und sein fatales Meer.<lb/> Auch lang' ich uicht zum Maler der Geschichte;<lb/> Den Menschen treu zu schildern, welche Kunst!<lb/> Ein Thierstück allenfalls — zu dieser Art Gedichte<lb/> Verleihe die Muse mir vielleicht ein wenig Gunst.<lb/> Doch sollte mir auch jetzt ein solches Stück gelingen,<lb/> Ich dürft' es Heuer dir nicht bringen;<lb/> Denn eben, denk' ich, ists ein Jahr,<lb/> Daß ich den Pfau, die Aelster, und den Staar<lb/> Auf einem Stück zusammenbrachte,<lb/> Und dir des Schwätzers Bild zum Festgeschenke machte.<lb/></l> <l> So »rag dann, ohne mehr zu reimen,<lb/> Für heute die Empfindung keimen,</l> </lg> </quote><lb/> <note xml:id="FID_39" place="foot"> ") Der Geheimdcmth von Göthe schrieb jüngst eine bürgerliche Epopee: Hermann und<lb/> Dorothea betitelt, und gab sie einem Freunde, der uach Berlin reiste, mit dem Auftrage,<lb/> sie einem Buchhändler zu zeigen, und dessen Gebot zu erwarten. Zugleich gab er ihm einen<lb/> versiegelten Zettel, welcher den Preis enthielt, für den das Manuscript sogleich erlassen werden<lb/> sollte, und bat, ihn nicht eher, als nach angehörten Gebote des Buchhändlers zu cröfueu.<lb/> Herr Vieweg bot dem Freunde 1000 Rthlr. in Gold; der Freund öfnete den Zettel, fand<lb/> darinnen die Summe von tausend Rthlrn. als Kaufpreis bestimmt, und überlieferte dem<lb/> Buchhändler das Manuseript. Dieses enthält 2000 Verse. Es kömmt also auf jeden Vers<lb/> ein halber Thaler, ohne das große Agio des Goldes in Anschlag zu bringen.</note><lb/> <note xml:id="FID_40" place="foot"> **) Der Buchhändler Göschen in Leipzig ist gesonnen, Klopstocks Schriften ebenso prächtig<lb/> gedruckt als Wielands Werke herauszugeben, verlangt aber, daß W. Klopstock die Dunkel¬<lb/> heiten, die in einigen seiner Oden obwalten, durch einen Commentar ausheilen soll, wovon<lb/> der Dichter die Nothwendigkeit nicht eingestehen will.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0167]
Lin Jugendfreund Goethes,
Gelänge mir der Epos so wie Göthen*),
Der unnachahmlich schön die wackern Bürger malt,
Den Vieweg, ehe dann die andern mehr noch böten,
Für jeden Pinselstrich des Thalers Hälfte zahlt;
Ich eilte gleich mit meinen Kinde
Entzückt zu dir, und stolz auf solches Angebinde.
Entschwänge sich, wie Klopstocks Genius**),
Mein Geist dem niedern, Wvlkcnkreise,
Und streifte bald den Syrius
Und bald deu großen Bär auf nngebrochncm Gleise,
Ich wagte heute uoch die Reise,
Und eine Ode oltre dein.
Wo nach des Meisters Weise
Metaphern kühn sich an Metaphern reih'u,
Und die Allegorie zum heil'gen Räthsel weih'n,
Das, von der Wortfügung verworfnem Garn enthüllet,
Die Seele mit Bewund'rung füllet.
Ich aber hebe mich nur schwer,
Und Schwindel faßt mich in der Höhe.
Wenn in der Einbildung ich mich nur schwebend sehe,
Erscheint mir Iearus und sein fatales Meer.
Auch lang' ich uicht zum Maler der Geschichte;
Den Menschen treu zu schildern, welche Kunst!
Ein Thierstück allenfalls — zu dieser Art Gedichte
Verleihe die Muse mir vielleicht ein wenig Gunst.
Doch sollte mir auch jetzt ein solches Stück gelingen,
Ich dürft' es Heuer dir nicht bringen;
Denn eben, denk' ich, ists ein Jahr,
Daß ich den Pfau, die Aelster, und den Staar
Auf einem Stück zusammenbrachte,
Und dir des Schwätzers Bild zum Festgeschenke machte.
So »rag dann, ohne mehr zu reimen,
Für heute die Empfindung keimen,
") Der Geheimdcmth von Göthe schrieb jüngst eine bürgerliche Epopee: Hermann und
Dorothea betitelt, und gab sie einem Freunde, der uach Berlin reiste, mit dem Auftrage,
sie einem Buchhändler zu zeigen, und dessen Gebot zu erwarten. Zugleich gab er ihm einen
versiegelten Zettel, welcher den Preis enthielt, für den das Manuscript sogleich erlassen werden
sollte, und bat, ihn nicht eher, als nach angehörten Gebote des Buchhändlers zu cröfueu.
Herr Vieweg bot dem Freunde 1000 Rthlr. in Gold; der Freund öfnete den Zettel, fand
darinnen die Summe von tausend Rthlrn. als Kaufpreis bestimmt, und überlieferte dem
Buchhändler das Manuseript. Dieses enthält 2000 Verse. Es kömmt also auf jeden Vers
ein halber Thaler, ohne das große Agio des Goldes in Anschlag zu bringen.
**) Der Buchhändler Göschen in Leipzig ist gesonnen, Klopstocks Schriften ebenso prächtig
gedruckt als Wielands Werke herauszugeben, verlangt aber, daß W. Klopstock die Dunkel¬
heiten, die in einigen seiner Oden obwalten, durch einen Commentar ausheilen soll, wovon
der Dichter die Nothwendigkeit nicht eingestehen will.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |