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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Gin Jugendfreund Goethes.

übrigens unbedeutenden und durchaus gelegentlichen Productes heißt eS: "Dessau
hat vielleicht noch nie einen Cirkel gesehen, der so viel Anmuth, Talente, Kenntnisse
und Geschmack in sich faßte und sich so lebhaft und so schuldlos zugleich vergnügte.
Vielleicht duldet's ihn auch nicht lauge. Dann darf ich, der zuweilen eine Lücke
desselben ausfüllte, doch sagen- Auch ich war in Arkadien!"

Mittwoch, den 26. December (Vorabend des Geburtstages des Erbprinzen
Friedrich) 1793 wurde auf dem neuen Hof-Theater zum ersten Male aufgeführt:
"Bathmendi, Oper in drei Auszügen vom Hofmed Behrisch, Musik vom Freiherrn
vou Lichtenstein." Vor der Aufführung wurde zur Einweihung der Bühne ein
Prolog von Madame Mittel gesprochen; ob Behrisch auch diesen Prolog geschrieben,
ist uicht nachzuweisen. Die Dichtung Bathmendi, welche mit der Musik LichtensteinS
in Dessau wiederholt zur Aufführung gelaugte und auch in Leipzig und Wien dem
Publicum vorgeführt wurde, dürfte Behrischs umfangreichste Arbeit gewesen sein.
Deu Stoff hatte der Dichter einer Erzählung Florians (LMwemli, nouvellv persimv)
entlehnt, denselben jedoch frei behandelt. Da Bathmendi eine Oper mit Dialog
war und uur noch ein auf der Großherzoglichen Bibliothek zu Weimar befindliches
"Arienbuch" davou vorhanden zu sein scheint, so ist es gewagt, über den Werth
des ganzen Werkes des Dichters zu urtheilen. Ein Korrespondent schreibt darüber
im "Teutschen Merkur" (1801, II, 228 ff.) nach der Aufführung in Wien (Mai 1801),
nachdem er hervorgehoben, wie schwer es einem Componisten sei, dort neben Gluck,
Salieri, Mozart, Winter und andern großen Meistern mit Erfolg aufzutreten:
"Hiezu kommen noch Eigenschaften des Stückes, die nie verstatten werden, daß es
hier bedeutendes Glück machen kann. Man will hier durchaus viel und überraschende
Handlung; das Sujet ist aber leer daran und etwas schleppend. Man will durch¬
aus, daß die Stadttheater (ganz verschieden vou deu Vorstädten) Anstand und Ge¬
schmack nicht verletzen, und Manches in dieser Oper, besonders die Seene, wo die
Schulknaben vom Schulmeister umhergetrieben werden, lief ein wenig stark dagegen
an." Deu jüngsten von vier Brüdern, welche der Dichter auftreten läßt, den Dichter
Satter, behandelt er als lustige Person, die allerhand literarische Seitenhiebe aus¬
zutheilen hat. Wir theilen nachstehend eine "Arie" mit, die uns an Behrischs
Abneigung gegen das Geniewcseu erinnert.


Das Genie erblicket Dinge,
Die kein andres Auge sieht.
Eine Feder ist die Klinge,
Die es im Gefechte zieht;
Tintenströme läßt es fließen,
Aber wo sie sich ergießen,
Da genießt das Publicum.
Rasend steigt eS in der Ode
Bis zum Göttersitz hinauf,
Und bei eines Hündchens Tode
Löst es sich in Thränen aus.

Gin Jugendfreund Goethes.

übrigens unbedeutenden und durchaus gelegentlichen Productes heißt eS: „Dessau
hat vielleicht noch nie einen Cirkel gesehen, der so viel Anmuth, Talente, Kenntnisse
und Geschmack in sich faßte und sich so lebhaft und so schuldlos zugleich vergnügte.
Vielleicht duldet's ihn auch nicht lauge. Dann darf ich, der zuweilen eine Lücke
desselben ausfüllte, doch sagen- Auch ich war in Arkadien!"

Mittwoch, den 26. December (Vorabend des Geburtstages des Erbprinzen
Friedrich) 1793 wurde auf dem neuen Hof-Theater zum ersten Male aufgeführt:
„Bathmendi, Oper in drei Auszügen vom Hofmed Behrisch, Musik vom Freiherrn
vou Lichtenstein." Vor der Aufführung wurde zur Einweihung der Bühne ein
Prolog von Madame Mittel gesprochen; ob Behrisch auch diesen Prolog geschrieben,
ist uicht nachzuweisen. Die Dichtung Bathmendi, welche mit der Musik LichtensteinS
in Dessau wiederholt zur Aufführung gelaugte und auch in Leipzig und Wien dem
Publicum vorgeführt wurde, dürfte Behrischs umfangreichste Arbeit gewesen sein.
Deu Stoff hatte der Dichter einer Erzählung Florians (LMwemli, nouvellv persimv)
entlehnt, denselben jedoch frei behandelt. Da Bathmendi eine Oper mit Dialog
war und uur noch ein auf der Großherzoglichen Bibliothek zu Weimar befindliches
„Arienbuch" davou vorhanden zu sein scheint, so ist es gewagt, über den Werth
des ganzen Werkes des Dichters zu urtheilen. Ein Korrespondent schreibt darüber
im „Teutschen Merkur" (1801, II, 228 ff.) nach der Aufführung in Wien (Mai 1801),
nachdem er hervorgehoben, wie schwer es einem Componisten sei, dort neben Gluck,
Salieri, Mozart, Winter und andern großen Meistern mit Erfolg aufzutreten:
„Hiezu kommen noch Eigenschaften des Stückes, die nie verstatten werden, daß es
hier bedeutendes Glück machen kann. Man will hier durchaus viel und überraschende
Handlung; das Sujet ist aber leer daran und etwas schleppend. Man will durch¬
aus, daß die Stadttheater (ganz verschieden vou deu Vorstädten) Anstand und Ge¬
schmack nicht verletzen, und Manches in dieser Oper, besonders die Seene, wo die
Schulknaben vom Schulmeister umhergetrieben werden, lief ein wenig stark dagegen
an." Deu jüngsten von vier Brüdern, welche der Dichter auftreten läßt, den Dichter
Satter, behandelt er als lustige Person, die allerhand literarische Seitenhiebe aus¬
zutheilen hat. Wir theilen nachstehend eine „Arie" mit, die uns an Behrischs
Abneigung gegen das Geniewcseu erinnert.


Das Genie erblicket Dinge,
Die kein andres Auge sieht.
Eine Feder ist die Klinge,
Die es im Gefechte zieht;
Tintenströme läßt es fließen,
Aber wo sie sich ergießen,
Da genießt das Publicum.
Rasend steigt eS in der Ode
Bis zum Göttersitz hinauf,
Und bei eines Hündchens Tode
Löst es sich in Thränen aus.

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[0161] Gin Jugendfreund Goethes. übrigens unbedeutenden und durchaus gelegentlichen Productes heißt eS: „Dessau hat vielleicht noch nie einen Cirkel gesehen, der so viel Anmuth, Talente, Kenntnisse und Geschmack in sich faßte und sich so lebhaft und so schuldlos zugleich vergnügte. Vielleicht duldet's ihn auch nicht lauge. Dann darf ich, der zuweilen eine Lücke desselben ausfüllte, doch sagen- Auch ich war in Arkadien!" Mittwoch, den 26. December (Vorabend des Geburtstages des Erbprinzen Friedrich) 1793 wurde auf dem neuen Hof-Theater zum ersten Male aufgeführt: „Bathmendi, Oper in drei Auszügen vom Hofmed Behrisch, Musik vom Freiherrn vou Lichtenstein." Vor der Aufführung wurde zur Einweihung der Bühne ein Prolog von Madame Mittel gesprochen; ob Behrisch auch diesen Prolog geschrieben, ist uicht nachzuweisen. Die Dichtung Bathmendi, welche mit der Musik LichtensteinS in Dessau wiederholt zur Aufführung gelaugte und auch in Leipzig und Wien dem Publicum vorgeführt wurde, dürfte Behrischs umfangreichste Arbeit gewesen sein. Deu Stoff hatte der Dichter einer Erzählung Florians (LMwemli, nouvellv persimv) entlehnt, denselben jedoch frei behandelt. Da Bathmendi eine Oper mit Dialog war und uur noch ein auf der Großherzoglichen Bibliothek zu Weimar befindliches „Arienbuch" davou vorhanden zu sein scheint, so ist es gewagt, über den Werth des ganzen Werkes des Dichters zu urtheilen. Ein Korrespondent schreibt darüber im „Teutschen Merkur" (1801, II, 228 ff.) nach der Aufführung in Wien (Mai 1801), nachdem er hervorgehoben, wie schwer es einem Componisten sei, dort neben Gluck, Salieri, Mozart, Winter und andern großen Meistern mit Erfolg aufzutreten: „Hiezu kommen noch Eigenschaften des Stückes, die nie verstatten werden, daß es hier bedeutendes Glück machen kann. Man will hier durchaus viel und überraschende Handlung; das Sujet ist aber leer daran und etwas schleppend. Man will durch¬ aus, daß die Stadttheater (ganz verschieden vou deu Vorstädten) Anstand und Ge¬ schmack nicht verletzen, und Manches in dieser Oper, besonders die Seene, wo die Schulknaben vom Schulmeister umhergetrieben werden, lief ein wenig stark dagegen an." Deu jüngsten von vier Brüdern, welche der Dichter auftreten läßt, den Dichter Satter, behandelt er als lustige Person, die allerhand literarische Seitenhiebe aus¬ zutheilen hat. Wir theilen nachstehend eine „Arie" mit, die uns an Behrischs Abneigung gegen das Geniewcseu erinnert. Das Genie erblicket Dinge, Die kein andres Auge sieht. Eine Feder ist die Klinge, Die es im Gefechte zieht; Tintenströme läßt es fließen, Aber wo sie sich ergießen, Da genießt das Publicum. Rasend steigt eS in der Ode Bis zum Göttersitz hinauf, Und bei eines Hündchens Tode Löst es sich in Thränen aus.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/161>, abgerufen am 22.07.2024.