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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Spanien Und das Hans Oesterreich.

kostspielige Politik, verhängnißvolle Behandlung des überseeischen Spaniens be¬
reits in der Blüthezeit des Landes stark in Entwicklung begriffen waren, so
werden wir nicht mit Pedregal übereinstimmen, wenn er behauptet, die Fürsten
fremder Dynastie allein hatten, indem sie alle jene Fehler in noch stürkerm Maße
als Ferdinand besaßen, den Verfall des Landes verschuldet. Er behauptet dies
aber um so mehr, als diese Fürsten ja auch die freiheitlichen Rechte der Spanier
nach und nach unterdrückt oder wenigstens gar nicht beachtet hätten. Dieser Vor-
wurf ist gerecht: allerdings haben die Cortes seit Carl V. immer mehr an Be¬
deutung eingebüßt; aber wer die Geschichte Spaniens im 15. Jahrhundert bei
Lafuente gelesen, der wird wissen, daß die Bedeutung dieser Versammlung schon
unter Heinrich IV. von Castilien zu schwinden begann. Auch war der Gang
der Dinge bei der Umwandlung des mittelalterlichen Staates in den modernen
ein ganz natürlicher. Ferdinand und Jsabella brachen die Uebermacht der Großen,
zum Theil unterstützt durch die Cortes. Carl und Philipp bedienten sich des
Adels, um die Stüdtevertretung zu schwächen. Dieser verhängnißvolle Fehler,
der jener denkwürdigen Versammlung nnr das Recht ließ, Bittschriften an den
Herrscher zu richten, hat sich schwer gerächt; denn die vielen kvtieiong", welche
die Cortes an Philipp II. gerichtet haben, beweisen, daß manches in Spanien
gewiß besser gewesen wäre, wenn jene Männer größern Einfluß gehabt hätten.
Die finanziellen Verhältnisse würden sich gehoben haben, die Inquisition hätte
nicht solche Macht erlangen können, wenn Philipp II. die oft so heilsamen Vor¬
schläge der Cortes befolgt hätte. So aber antwortete er nur in starrer Ver¬
blendung kurz: ^. esto vos rsLponäellios, quo ne> ocmvisiuz Imosr novscliiä!

Mit Recht wird denn auch Philipp II. von Pedregal als derjenige hinge¬
stellt, der am meisten geschadet. Aber wir fragen: schadete er, weil er als Fürst
aus fremder burgundisch-deutscher Dynastie sein Volk und dessen Bedürfnisse nicht
verstand oder weil er als glaubensstolzer, intoleranter Spanier sich alles, die
Körper wie die Geister seiner Unterthanen unterwerfen wollte? Wir ersparen
uns die Antwort.

Wenn wir also Pedregal darin Recht geben, daß der Verfall, dessen An¬
fänge schon in Ferdinands Zeiten zu finden sind, durch die innere und änßere
Politik Carls und Philipps mächtig gefördert worden ist, so müssen wir doch
dabei beharren: die beiden letzten Fürsten sind im wesentlichen dieselben Pfade
gewandelt wie jener treulose Aragonier, haben also nur da weiter gebaut, wo
jener aufgehört; ferner können Philipp II. und seine Nachfolger nicht mehr als
in Spanien fremde Fürsten angesehen werden; außerdem trägt das Volk am
Verfall seine Schuld. Wen" es so gut und tüchtig war, wie Pedregal es schildert,
dann mußte es nach Vertreibung der Juden und Mauren im stände sein, deren


Spanien Und das Hans Oesterreich.

kostspielige Politik, verhängnißvolle Behandlung des überseeischen Spaniens be¬
reits in der Blüthezeit des Landes stark in Entwicklung begriffen waren, so
werden wir nicht mit Pedregal übereinstimmen, wenn er behauptet, die Fürsten
fremder Dynastie allein hatten, indem sie alle jene Fehler in noch stürkerm Maße
als Ferdinand besaßen, den Verfall des Landes verschuldet. Er behauptet dies
aber um so mehr, als diese Fürsten ja auch die freiheitlichen Rechte der Spanier
nach und nach unterdrückt oder wenigstens gar nicht beachtet hätten. Dieser Vor-
wurf ist gerecht: allerdings haben die Cortes seit Carl V. immer mehr an Be¬
deutung eingebüßt; aber wer die Geschichte Spaniens im 15. Jahrhundert bei
Lafuente gelesen, der wird wissen, daß die Bedeutung dieser Versammlung schon
unter Heinrich IV. von Castilien zu schwinden begann. Auch war der Gang
der Dinge bei der Umwandlung des mittelalterlichen Staates in den modernen
ein ganz natürlicher. Ferdinand und Jsabella brachen die Uebermacht der Großen,
zum Theil unterstützt durch die Cortes. Carl und Philipp bedienten sich des
Adels, um die Stüdtevertretung zu schwächen. Dieser verhängnißvolle Fehler,
der jener denkwürdigen Versammlung nnr das Recht ließ, Bittschriften an den
Herrscher zu richten, hat sich schwer gerächt; denn die vielen kvtieiong«, welche
die Cortes an Philipp II. gerichtet haben, beweisen, daß manches in Spanien
gewiß besser gewesen wäre, wenn jene Männer größern Einfluß gehabt hätten.
Die finanziellen Verhältnisse würden sich gehoben haben, die Inquisition hätte
nicht solche Macht erlangen können, wenn Philipp II. die oft so heilsamen Vor¬
schläge der Cortes befolgt hätte. So aber antwortete er nur in starrer Ver¬
blendung kurz: ^. esto vos rsLponäellios, quo ne> ocmvisiuz Imosr novscliiä!

Mit Recht wird denn auch Philipp II. von Pedregal als derjenige hinge¬
stellt, der am meisten geschadet. Aber wir fragen: schadete er, weil er als Fürst
aus fremder burgundisch-deutscher Dynastie sein Volk und dessen Bedürfnisse nicht
verstand oder weil er als glaubensstolzer, intoleranter Spanier sich alles, die
Körper wie die Geister seiner Unterthanen unterwerfen wollte? Wir ersparen
uns die Antwort.

Wenn wir also Pedregal darin Recht geben, daß der Verfall, dessen An¬
fänge schon in Ferdinands Zeiten zu finden sind, durch die innere und änßere
Politik Carls und Philipps mächtig gefördert worden ist, so müssen wir doch
dabei beharren: die beiden letzten Fürsten sind im wesentlichen dieselben Pfade
gewandelt wie jener treulose Aragonier, haben also nur da weiter gebaut, wo
jener aufgehört; ferner können Philipp II. und seine Nachfolger nicht mehr als
in Spanien fremde Fürsten angesehen werden; außerdem trägt das Volk am
Verfall seine Schuld. Wen» es so gut und tüchtig war, wie Pedregal es schildert,
dann mußte es nach Vertreibung der Juden und Mauren im stände sein, deren


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[0156] Spanien Und das Hans Oesterreich. kostspielige Politik, verhängnißvolle Behandlung des überseeischen Spaniens be¬ reits in der Blüthezeit des Landes stark in Entwicklung begriffen waren, so werden wir nicht mit Pedregal übereinstimmen, wenn er behauptet, die Fürsten fremder Dynastie allein hatten, indem sie alle jene Fehler in noch stürkerm Maße als Ferdinand besaßen, den Verfall des Landes verschuldet. Er behauptet dies aber um so mehr, als diese Fürsten ja auch die freiheitlichen Rechte der Spanier nach und nach unterdrückt oder wenigstens gar nicht beachtet hätten. Dieser Vor- wurf ist gerecht: allerdings haben die Cortes seit Carl V. immer mehr an Be¬ deutung eingebüßt; aber wer die Geschichte Spaniens im 15. Jahrhundert bei Lafuente gelesen, der wird wissen, daß die Bedeutung dieser Versammlung schon unter Heinrich IV. von Castilien zu schwinden begann. Auch war der Gang der Dinge bei der Umwandlung des mittelalterlichen Staates in den modernen ein ganz natürlicher. Ferdinand und Jsabella brachen die Uebermacht der Großen, zum Theil unterstützt durch die Cortes. Carl und Philipp bedienten sich des Adels, um die Stüdtevertretung zu schwächen. Dieser verhängnißvolle Fehler, der jener denkwürdigen Versammlung nnr das Recht ließ, Bittschriften an den Herrscher zu richten, hat sich schwer gerächt; denn die vielen kvtieiong«, welche die Cortes an Philipp II. gerichtet haben, beweisen, daß manches in Spanien gewiß besser gewesen wäre, wenn jene Männer größern Einfluß gehabt hätten. Die finanziellen Verhältnisse würden sich gehoben haben, die Inquisition hätte nicht solche Macht erlangen können, wenn Philipp II. die oft so heilsamen Vor¬ schläge der Cortes befolgt hätte. So aber antwortete er nur in starrer Ver¬ blendung kurz: ^. esto vos rsLponäellios, quo ne> ocmvisiuz Imosr novscliiä! Mit Recht wird denn auch Philipp II. von Pedregal als derjenige hinge¬ stellt, der am meisten geschadet. Aber wir fragen: schadete er, weil er als Fürst aus fremder burgundisch-deutscher Dynastie sein Volk und dessen Bedürfnisse nicht verstand oder weil er als glaubensstolzer, intoleranter Spanier sich alles, die Körper wie die Geister seiner Unterthanen unterwerfen wollte? Wir ersparen uns die Antwort. Wenn wir also Pedregal darin Recht geben, daß der Verfall, dessen An¬ fänge schon in Ferdinands Zeiten zu finden sind, durch die innere und änßere Politik Carls und Philipps mächtig gefördert worden ist, so müssen wir doch dabei beharren: die beiden letzten Fürsten sind im wesentlichen dieselben Pfade gewandelt wie jener treulose Aragonier, haben also nur da weiter gebaut, wo jener aufgehört; ferner können Philipp II. und seine Nachfolger nicht mehr als in Spanien fremde Fürsten angesehen werden; außerdem trägt das Volk am Verfall seine Schuld. Wen» es so gut und tüchtig war, wie Pedregal es schildert, dann mußte es nach Vertreibung der Juden und Mauren im stände sein, deren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/156>, abgerufen am 03.07.2024.