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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Spanien und das Haus Oesterreich.

Stelle auszufüllen, dann mußte es ihm möglich sein, sich der Geistestyrannei
wenigstens einigermaßen zu erwehren. So blieb es aber fast unberührt von
der Geistesbefreiung, die die Reformation einem guten Theile Europas brachte --
ein Umstand, den Pedregal offen beklagt. Ebenso schlimm war es, daß die Aben¬
teuerlust, die Sucht und die Möglichkeit schnell reich zu werden, den sittlichen
Ztern des Volkes anfraß, die Arbeit lästig, sogar verachtet machte. "Spanien,
sagt Pedregal, starb in den Armen der Inquisition und des monarchischen Des¬
potismus, welcher seine Klauen in den Boden dieses Landes beim Antritt einer
fremden Dynastie einschlug." Hätte dies Land sich (um mit Montesquieu, Pedregals
Vorbild, zu reden) "der unerschöpflichen Hilfsquellen, Tugend, Standhaftigkeit,
Stärke und Entsagung bedient," so wäre es ihm vielleicht gelungen, sich jener
tödtlichen Umarmung langer oder vielleicht ganz zu erwehren.

Noch eins sei aus Pedregals Buche erwähnt: Dem Geistestyranncn
Philipp II. kann er nur eine richtige und für Spanien vortheilhafte Handlung
nachrühmen: die Einverleibung Portugals. Wir freilich wissen, welch unsägliche
Opfer Spanien diese Vergewaltigung gekostet, können also dieser Anschauung
kaum zustimmen. Da Pedregals Meinung aber dahin geht, daß ans der Ver¬
einigung mit Portugal für Spanien eine heilsame Wiederbelebung entspringen
werde, verstehen wir jene Anschaumig vollkommen.

Wir übergehen die interessanten Capitel (I^os tributo8 la mausern
los siZ'los XVI. ^ XVII. -- Joa (lvspoolaoion av I^pin-r la, xroMlwä wril-
torml. -- <Ü0"wmor68 7 litors-tuiÄ.) die sich mit der entsetzlichen MißUnrthschaft
der spanischen Regierung im Mutterland lind in den Kolonien beschäftigen. Vieles
von dem ist in Rankes "Die Osmanen und die spanische Monarchie im 16. und
17. Jahrhundert", dem Pedregal auch seine Anerkennung zollt, und in Lafuentc
enthalten.

Nur eine Hauptverschiedenheit in den Anschauungen Rankes und Pedregals
sei erwähnt. Ersterer ist der Meinung, daß der große spanisch-österreichische
Läudereomplex im 18. Jahrhundert deshalb von so gewaltiger Bedeutung ge¬
wesen sei, weil die gemeinsamen Herrscher der Familie Habsburg im damaligen
Europa allein im Stande gewesen seien, den Türken mit Erfolg in Ungarn und
im Mittelmeere entgegenzutreten. Und in Wahrheit, Spanien sicherte für einige
Zeit den Handelsverkehr auf dem Mittelmeer einigermaßen; es rettete, wenn
mich spät und laugsam, so doch noch glücklich Malta 1565; es siegte unter Juan
d'Austria im östlichen Mittelmeer über die Flotte der Osmanen. Pedregal jedoch
erscheint der Schaden, den die allzugroße Macht, in einer Hand vereinigt, her¬
vorgebracht, größer als der Nutzen, den die Vertheidigung der Christenheit gegen
die Türken in sich getragen hat.


Grenzboten II. 1881. 20
Spanien und das Haus Oesterreich.

Stelle auszufüllen, dann mußte es ihm möglich sein, sich der Geistestyrannei
wenigstens einigermaßen zu erwehren. So blieb es aber fast unberührt von
der Geistesbefreiung, die die Reformation einem guten Theile Europas brachte —
ein Umstand, den Pedregal offen beklagt. Ebenso schlimm war es, daß die Aben¬
teuerlust, die Sucht und die Möglichkeit schnell reich zu werden, den sittlichen
Ztern des Volkes anfraß, die Arbeit lästig, sogar verachtet machte. „Spanien,
sagt Pedregal, starb in den Armen der Inquisition und des monarchischen Des¬
potismus, welcher seine Klauen in den Boden dieses Landes beim Antritt einer
fremden Dynastie einschlug." Hätte dies Land sich (um mit Montesquieu, Pedregals
Vorbild, zu reden) „der unerschöpflichen Hilfsquellen, Tugend, Standhaftigkeit,
Stärke und Entsagung bedient," so wäre es ihm vielleicht gelungen, sich jener
tödtlichen Umarmung langer oder vielleicht ganz zu erwehren.

Noch eins sei aus Pedregals Buche erwähnt: Dem Geistestyranncn
Philipp II. kann er nur eine richtige und für Spanien vortheilhafte Handlung
nachrühmen: die Einverleibung Portugals. Wir freilich wissen, welch unsägliche
Opfer Spanien diese Vergewaltigung gekostet, können also dieser Anschauung
kaum zustimmen. Da Pedregals Meinung aber dahin geht, daß ans der Ver¬
einigung mit Portugal für Spanien eine heilsame Wiederbelebung entspringen
werde, verstehen wir jene Anschaumig vollkommen.

Wir übergehen die interessanten Capitel (I^os tributo8 la mausern
los siZ'los XVI. ^ XVII. — Joa (lvspoolaoion av I^pin-r la, xroMlwä wril-
torml. — <Ü0«wmor68 7 litors-tuiÄ.) die sich mit der entsetzlichen MißUnrthschaft
der spanischen Regierung im Mutterland lind in den Kolonien beschäftigen. Vieles
von dem ist in Rankes „Die Osmanen und die spanische Monarchie im 16. und
17. Jahrhundert", dem Pedregal auch seine Anerkennung zollt, und in Lafuentc
enthalten.

Nur eine Hauptverschiedenheit in den Anschauungen Rankes und Pedregals
sei erwähnt. Ersterer ist der Meinung, daß der große spanisch-österreichische
Läudereomplex im 18. Jahrhundert deshalb von so gewaltiger Bedeutung ge¬
wesen sei, weil die gemeinsamen Herrscher der Familie Habsburg im damaligen
Europa allein im Stande gewesen seien, den Türken mit Erfolg in Ungarn und
im Mittelmeere entgegenzutreten. Und in Wahrheit, Spanien sicherte für einige
Zeit den Handelsverkehr auf dem Mittelmeer einigermaßen; es rettete, wenn
mich spät und laugsam, so doch noch glücklich Malta 1565; es siegte unter Juan
d'Austria im östlichen Mittelmeer über die Flotte der Osmanen. Pedregal jedoch
erscheint der Schaden, den die allzugroße Macht, in einer Hand vereinigt, her¬
vorgebracht, größer als der Nutzen, den die Vertheidigung der Christenheit gegen
die Türken in sich getragen hat.


Grenzboten II. 1881. 20
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[0157] Spanien und das Haus Oesterreich. Stelle auszufüllen, dann mußte es ihm möglich sein, sich der Geistestyrannei wenigstens einigermaßen zu erwehren. So blieb es aber fast unberührt von der Geistesbefreiung, die die Reformation einem guten Theile Europas brachte — ein Umstand, den Pedregal offen beklagt. Ebenso schlimm war es, daß die Aben¬ teuerlust, die Sucht und die Möglichkeit schnell reich zu werden, den sittlichen Ztern des Volkes anfraß, die Arbeit lästig, sogar verachtet machte. „Spanien, sagt Pedregal, starb in den Armen der Inquisition und des monarchischen Des¬ potismus, welcher seine Klauen in den Boden dieses Landes beim Antritt einer fremden Dynastie einschlug." Hätte dies Land sich (um mit Montesquieu, Pedregals Vorbild, zu reden) „der unerschöpflichen Hilfsquellen, Tugend, Standhaftigkeit, Stärke und Entsagung bedient," so wäre es ihm vielleicht gelungen, sich jener tödtlichen Umarmung langer oder vielleicht ganz zu erwehren. Noch eins sei aus Pedregals Buche erwähnt: Dem Geistestyranncn Philipp II. kann er nur eine richtige und für Spanien vortheilhafte Handlung nachrühmen: die Einverleibung Portugals. Wir freilich wissen, welch unsägliche Opfer Spanien diese Vergewaltigung gekostet, können also dieser Anschauung kaum zustimmen. Da Pedregals Meinung aber dahin geht, daß ans der Ver¬ einigung mit Portugal für Spanien eine heilsame Wiederbelebung entspringen werde, verstehen wir jene Anschaumig vollkommen. Wir übergehen die interessanten Capitel (I^os tributo8 la mausern los siZ'los XVI. ^ XVII. — Joa (lvspoolaoion av I^pin-r la, xroMlwä wril- torml. — <Ü0«wmor68 7 litors-tuiÄ.) die sich mit der entsetzlichen MißUnrthschaft der spanischen Regierung im Mutterland lind in den Kolonien beschäftigen. Vieles von dem ist in Rankes „Die Osmanen und die spanische Monarchie im 16. und 17. Jahrhundert", dem Pedregal auch seine Anerkennung zollt, und in Lafuentc enthalten. Nur eine Hauptverschiedenheit in den Anschauungen Rankes und Pedregals sei erwähnt. Ersterer ist der Meinung, daß der große spanisch-österreichische Läudereomplex im 18. Jahrhundert deshalb von so gewaltiger Bedeutung ge¬ wesen sei, weil die gemeinsamen Herrscher der Familie Habsburg im damaligen Europa allein im Stande gewesen seien, den Türken mit Erfolg in Ungarn und im Mittelmeere entgegenzutreten. Und in Wahrheit, Spanien sicherte für einige Zeit den Handelsverkehr auf dem Mittelmeer einigermaßen; es rettete, wenn mich spät und laugsam, so doch noch glücklich Malta 1565; es siegte unter Juan d'Austria im östlichen Mittelmeer über die Flotte der Osmanen. Pedregal jedoch erscheint der Schaden, den die allzugroße Macht, in einer Hand vereinigt, her¬ vorgebracht, größer als der Nutzen, den die Vertheidigung der Christenheit gegen die Türken in sich getragen hat. Grenzboten II. 1881. 20

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/157>, abgerufen am 01.07.2024.