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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Spanien und das Haus Oesterreich,

gegenüber- dem Auslande entstand ein Naüoualgefühl, wie wir es in den frühern
einzelnen Königreichen vergeblich suchen.

War nun um das Jahr 1500 Spanien im Bezug auf freiheitliche Verfassung,
im Bezug auf politische Macht allen Staaten Europas überlegen, wie erklärt sich,
daß es am Ende des 16. Jahrhunderts bereits so stark in Verfall gerathen konnte?

Pedregal ist ehrlich genug, zuzugeben, daß der Verfall bereits in der Blüthe-
zeit der spanischen Macht, d, h. in der Regierung der Ke^v8 L^tolwos, vorbe¬
reitet worden sei

Die Religionskriege hatten wesentlich zur Mnchtentfaltung der Nation bei¬
getragen : sie wurden aber verderblich durch den allzu großen Einfluß und Reich¬
thum, den die Geistlichkeit nach und nach gewann, und durch den Geist der In¬
toleranz, der dadurch groß gezogen wurde.

Von letzterm gab schon Ferdinand zwei traurige Beispiele: die Judenver-
fvlguug und die Reaetivirung der Inquisition. Die Juden waren nach Pedregal
ein wahres Glück für Spanien, denn im Verein mit den Mauren hatten sie
Handel und Industrie in hervorragender Weise belebt, Ihre Vertreibung brachte,
wie der Verfasser sagt, Spanien mehr Schaden, als ihnen selbst. Noch entsetz¬
licher war für das unglückliche Land die Inquisition,

Pedregal ist nun bemüht, die Schuld dafür, daß diese Institution dem Spanien
der folgenden Jahrhunderte el" ganz bestimmtes Gepräge gegeben, lediglich den
Herrschern und namentlich den Nachfolgern Ferdinands zuzuschieben. Allerdings
hat das Volk verschiedner Landestheile sich seiner Zeit der Einführung des Glaubens¬
gerichtes widersetzt, aber nach kurzer Zeit war, wie Pedregal selbst zugesteht,
der populäre Fanatismus ein unaufhaltsamer Strom geworden. Die Schuld ist
also wohl nicht bloß auf Seiten der Herrschenden, Denn die Dentschen des
Mittelalters und die Niederländer des 16. Jahrhunderts verstanden es doch anch,
diese ihnen unliebsame Institution zu beseitigen. Von der Thatkraft der Spanier
jener Zeiten können wir auch keinen allzu hohen Begriff erhalten, wenn uns
der Schriftsteller des öftern erklärt, daß durch Juden und Mauren Handel, Ge¬
werbe und Ackerbau auf eine hohe Stufe der Entwicklung gebracht worden und
daß alles nach der Vertreibung dieser Völkerstämme zurückgegangen sei.

Doch zurück zu Ferdinand. Ein weitrer Fehler war sein Ehrgeiz und seine
Ländcrsucht, die ihn trieben, sich nicht nur in Europa in viele Kriege zu stürzen,
sondern auch die neugewonnenen überseeischen Territorien so schnell als möglich
auszusaugen.

Die unglückselige Colonialpolitik Spaniens ist durch jenen Herrscher inaugurirt
worden.

Wenn wir nnn also sehen, daß Intoleranz, allzu kriegerische und daher


Spanien und das Haus Oesterreich,

gegenüber- dem Auslande entstand ein Naüoualgefühl, wie wir es in den frühern
einzelnen Königreichen vergeblich suchen.

War nun um das Jahr 1500 Spanien im Bezug auf freiheitliche Verfassung,
im Bezug auf politische Macht allen Staaten Europas überlegen, wie erklärt sich,
daß es am Ende des 16. Jahrhunderts bereits so stark in Verfall gerathen konnte?

Pedregal ist ehrlich genug, zuzugeben, daß der Verfall bereits in der Blüthe-
zeit der spanischen Macht, d, h. in der Regierung der Ke^v8 L^tolwos, vorbe¬
reitet worden sei

Die Religionskriege hatten wesentlich zur Mnchtentfaltung der Nation bei¬
getragen : sie wurden aber verderblich durch den allzu großen Einfluß und Reich¬
thum, den die Geistlichkeit nach und nach gewann, und durch den Geist der In¬
toleranz, der dadurch groß gezogen wurde.

Von letzterm gab schon Ferdinand zwei traurige Beispiele: die Judenver-
fvlguug und die Reaetivirung der Inquisition. Die Juden waren nach Pedregal
ein wahres Glück für Spanien, denn im Verein mit den Mauren hatten sie
Handel und Industrie in hervorragender Weise belebt, Ihre Vertreibung brachte,
wie der Verfasser sagt, Spanien mehr Schaden, als ihnen selbst. Noch entsetz¬
licher war für das unglückliche Land die Inquisition,

Pedregal ist nun bemüht, die Schuld dafür, daß diese Institution dem Spanien
der folgenden Jahrhunderte el» ganz bestimmtes Gepräge gegeben, lediglich den
Herrschern und namentlich den Nachfolgern Ferdinands zuzuschieben. Allerdings
hat das Volk verschiedner Landestheile sich seiner Zeit der Einführung des Glaubens¬
gerichtes widersetzt, aber nach kurzer Zeit war, wie Pedregal selbst zugesteht,
der populäre Fanatismus ein unaufhaltsamer Strom geworden. Die Schuld ist
also wohl nicht bloß auf Seiten der Herrschenden, Denn die Dentschen des
Mittelalters und die Niederländer des 16. Jahrhunderts verstanden es doch anch,
diese ihnen unliebsame Institution zu beseitigen. Von der Thatkraft der Spanier
jener Zeiten können wir auch keinen allzu hohen Begriff erhalten, wenn uns
der Schriftsteller des öftern erklärt, daß durch Juden und Mauren Handel, Ge¬
werbe und Ackerbau auf eine hohe Stufe der Entwicklung gebracht worden und
daß alles nach der Vertreibung dieser Völkerstämme zurückgegangen sei.

Doch zurück zu Ferdinand. Ein weitrer Fehler war sein Ehrgeiz und seine
Ländcrsucht, die ihn trieben, sich nicht nur in Europa in viele Kriege zu stürzen,
sondern auch die neugewonnenen überseeischen Territorien so schnell als möglich
auszusaugen.

Die unglückselige Colonialpolitik Spaniens ist durch jenen Herrscher inaugurirt
worden.

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[0155] Spanien und das Haus Oesterreich, gegenüber- dem Auslande entstand ein Naüoualgefühl, wie wir es in den frühern einzelnen Königreichen vergeblich suchen. War nun um das Jahr 1500 Spanien im Bezug auf freiheitliche Verfassung, im Bezug auf politische Macht allen Staaten Europas überlegen, wie erklärt sich, daß es am Ende des 16. Jahrhunderts bereits so stark in Verfall gerathen konnte? Pedregal ist ehrlich genug, zuzugeben, daß der Verfall bereits in der Blüthe- zeit der spanischen Macht, d, h. in der Regierung der Ke^v8 L^tolwos, vorbe¬ reitet worden sei Die Religionskriege hatten wesentlich zur Mnchtentfaltung der Nation bei¬ getragen : sie wurden aber verderblich durch den allzu großen Einfluß und Reich¬ thum, den die Geistlichkeit nach und nach gewann, und durch den Geist der In¬ toleranz, der dadurch groß gezogen wurde. Von letzterm gab schon Ferdinand zwei traurige Beispiele: die Judenver- fvlguug und die Reaetivirung der Inquisition. Die Juden waren nach Pedregal ein wahres Glück für Spanien, denn im Verein mit den Mauren hatten sie Handel und Industrie in hervorragender Weise belebt, Ihre Vertreibung brachte, wie der Verfasser sagt, Spanien mehr Schaden, als ihnen selbst. Noch entsetz¬ licher war für das unglückliche Land die Inquisition, Pedregal ist nun bemüht, die Schuld dafür, daß diese Institution dem Spanien der folgenden Jahrhunderte el» ganz bestimmtes Gepräge gegeben, lediglich den Herrschern und namentlich den Nachfolgern Ferdinands zuzuschieben. Allerdings hat das Volk verschiedner Landestheile sich seiner Zeit der Einführung des Glaubens¬ gerichtes widersetzt, aber nach kurzer Zeit war, wie Pedregal selbst zugesteht, der populäre Fanatismus ein unaufhaltsamer Strom geworden. Die Schuld ist also wohl nicht bloß auf Seiten der Herrschenden, Denn die Dentschen des Mittelalters und die Niederländer des 16. Jahrhunderts verstanden es doch anch, diese ihnen unliebsame Institution zu beseitigen. Von der Thatkraft der Spanier jener Zeiten können wir auch keinen allzu hohen Begriff erhalten, wenn uns der Schriftsteller des öftern erklärt, daß durch Juden und Mauren Handel, Ge¬ werbe und Ackerbau auf eine hohe Stufe der Entwicklung gebracht worden und daß alles nach der Vertreibung dieser Völkerstämme zurückgegangen sei. Doch zurück zu Ferdinand. Ein weitrer Fehler war sein Ehrgeiz und seine Ländcrsucht, die ihn trieben, sich nicht nur in Europa in viele Kriege zu stürzen, sondern auch die neugewonnenen überseeischen Territorien so schnell als möglich auszusaugen. Die unglückselige Colonialpolitik Spaniens ist durch jenen Herrscher inaugurirt worden. Wenn wir nnn also sehen, daß Intoleranz, allzu kriegerische und daher

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/155>, abgerufen am 01.10.2024.