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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Spanien und das Haus Gesterreich,

spanischen Throne wissen -- wir hätten höchstens für sie selbst zu fürchten, da
sie die Krone eines jener unberechenbaren Länder trügt, wo aus dem Herrscher
so bald ein Landflüchtiger werden kann.

Auch die Mehrzahl der Spanier hat gewiß die Anschauung gehabt, daß
diese Heirat für die Politik des Landes keine besondern Folgen haben werde.
Und doch wurde seiner Zeit bekanntlich in den Cortes die Frage gestellt, ob die
Regierung sich durch jenes Familienereigniß irgendwie gebunden habe. Die Ant¬
wort fiel, wie zu erwarten stand, verneinend aus. Trotzdem wäre es nicht un¬
möglich, daß Alfonsos Wahl bei einem Theile des Volkes Mißbilligung erfahren
hat. Denn die Anschauung, daß das Haus Oesterreich Spanien großen Schaden
gebracht, beherrscht allenthalben die spanische Geschichtschreibung. Mit voller
Schärfe vertrat erst neuerdings diesen Standpunkt das Buch des Pedregal y
Caneto (Studien über das allmähliche Wachsthum und den Verfall Spaniens.*)
Dies Werk, das ja "nach berühmtem Muster" geschrieben ist, behandelt in vier¬
zehn Capiteln die Gründe, aus denen sich die steigende Große Spaniens, die
Blüthe, der Verfall und die Ursachen des letztern erklären.

Der Hauptzweck des Buches ist: nachzuweisen, daß Spanien, so lange es
von einheimischen Königen regiert worden sei, glücklich und kräftig gewesen, daß
aber das Bündniß, welches unter fremden Herrschern zwischen "Thron und Altar"
geschlossen worden, den Verfall herbeigeführt habe.

Die höchste Blüthe wird dabei in die Zeiten der katholischen Könige, Fer¬
dinands und Jsabellas, gesetzt: die Vereinigung der beiden Hauptreichc, die glück¬
liche Beendigung der Maurenkriege, der Beginn der großartigen Entdeckungen
trugen im Verein mit dem allgemein europäischen Fortschritte, den die Renaissance
und die Erfindungen des 16. Jahrhunderts gebracht hatten, hauptsächlich dazu
bei Spaniens Macht zu heben.

Die Größe war aber schon früher vorbereitet worden: der Jahrhunderte
dauernde Kampf gegen die Mauren, während dessen die wahre Actionsfreiheit
der spanischen Nation sich entwickelt, hatte namentlich zur Kräftigung des Volkes
beigetragen. Ueberall wuchs mit der Rückeroberung des Landes die municipale
Freiheit desselben; durch diese, welche besonders in Aragonien so auffällig früh¬
zeitig sich entwickelt, serner durch die Begabung der Cortes mit so vielen schätz¬
baren Rechten wurde die Blüthe Spaniens gefördert.

Bald zeigte sich auch Spaniens Uebergewicht in der äußern Politik. Es
entschied in Italien durch seine Waffen die Fragen des Erdtheils. Durch die
gemeinsamen Siege, durch den gemeinsamen Ruhm, durch die gemeinsame Gefahr



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^ (Änsäo. U",arin.
Spanien und das Haus Gesterreich,

spanischen Throne wissen — wir hätten höchstens für sie selbst zu fürchten, da
sie die Krone eines jener unberechenbaren Länder trügt, wo aus dem Herrscher
so bald ein Landflüchtiger werden kann.

Auch die Mehrzahl der Spanier hat gewiß die Anschauung gehabt, daß
diese Heirat für die Politik des Landes keine besondern Folgen haben werde.
Und doch wurde seiner Zeit bekanntlich in den Cortes die Frage gestellt, ob die
Regierung sich durch jenes Familienereigniß irgendwie gebunden habe. Die Ant¬
wort fiel, wie zu erwarten stand, verneinend aus. Trotzdem wäre es nicht un¬
möglich, daß Alfonsos Wahl bei einem Theile des Volkes Mißbilligung erfahren
hat. Denn die Anschauung, daß das Haus Oesterreich Spanien großen Schaden
gebracht, beherrscht allenthalben die spanische Geschichtschreibung. Mit voller
Schärfe vertrat erst neuerdings diesen Standpunkt das Buch des Pedregal y
Caneto (Studien über das allmähliche Wachsthum und den Verfall Spaniens.*)
Dies Werk, das ja „nach berühmtem Muster" geschrieben ist, behandelt in vier¬
zehn Capiteln die Gründe, aus denen sich die steigende Große Spaniens, die
Blüthe, der Verfall und die Ursachen des letztern erklären.

Der Hauptzweck des Buches ist: nachzuweisen, daß Spanien, so lange es
von einheimischen Königen regiert worden sei, glücklich und kräftig gewesen, daß
aber das Bündniß, welches unter fremden Herrschern zwischen „Thron und Altar"
geschlossen worden, den Verfall herbeigeführt habe.

Die höchste Blüthe wird dabei in die Zeiten der katholischen Könige, Fer¬
dinands und Jsabellas, gesetzt: die Vereinigung der beiden Hauptreichc, die glück¬
liche Beendigung der Maurenkriege, der Beginn der großartigen Entdeckungen
trugen im Verein mit dem allgemein europäischen Fortschritte, den die Renaissance
und die Erfindungen des 16. Jahrhunderts gebracht hatten, hauptsächlich dazu
bei Spaniens Macht zu heben.

Die Größe war aber schon früher vorbereitet worden: der Jahrhunderte
dauernde Kampf gegen die Mauren, während dessen die wahre Actionsfreiheit
der spanischen Nation sich entwickelt, hatte namentlich zur Kräftigung des Volkes
beigetragen. Ueberall wuchs mit der Rückeroberung des Landes die municipale
Freiheit desselben; durch diese, welche besonders in Aragonien so auffällig früh¬
zeitig sich entwickelt, serner durch die Begabung der Cortes mit so vielen schätz¬
baren Rechten wurde die Blüthe Spaniens gefördert.

Bald zeigte sich auch Spaniens Uebergewicht in der äußern Politik. Es
entschied in Italien durch seine Waffen die Fragen des Erdtheils. Durch die
gemeinsamen Siege, durch den gemeinsamen Ruhm, durch die gemeinsame Gefahr



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[0154] Spanien und das Haus Gesterreich, spanischen Throne wissen — wir hätten höchstens für sie selbst zu fürchten, da sie die Krone eines jener unberechenbaren Länder trügt, wo aus dem Herrscher so bald ein Landflüchtiger werden kann. Auch die Mehrzahl der Spanier hat gewiß die Anschauung gehabt, daß diese Heirat für die Politik des Landes keine besondern Folgen haben werde. Und doch wurde seiner Zeit bekanntlich in den Cortes die Frage gestellt, ob die Regierung sich durch jenes Familienereigniß irgendwie gebunden habe. Die Ant¬ wort fiel, wie zu erwarten stand, verneinend aus. Trotzdem wäre es nicht un¬ möglich, daß Alfonsos Wahl bei einem Theile des Volkes Mißbilligung erfahren hat. Denn die Anschauung, daß das Haus Oesterreich Spanien großen Schaden gebracht, beherrscht allenthalben die spanische Geschichtschreibung. Mit voller Schärfe vertrat erst neuerdings diesen Standpunkt das Buch des Pedregal y Caneto (Studien über das allmähliche Wachsthum und den Verfall Spaniens.*) Dies Werk, das ja „nach berühmtem Muster" geschrieben ist, behandelt in vier¬ zehn Capiteln die Gründe, aus denen sich die steigende Große Spaniens, die Blüthe, der Verfall und die Ursachen des letztern erklären. Der Hauptzweck des Buches ist: nachzuweisen, daß Spanien, so lange es von einheimischen Königen regiert worden sei, glücklich und kräftig gewesen, daß aber das Bündniß, welches unter fremden Herrschern zwischen „Thron und Altar" geschlossen worden, den Verfall herbeigeführt habe. Die höchste Blüthe wird dabei in die Zeiten der katholischen Könige, Fer¬ dinands und Jsabellas, gesetzt: die Vereinigung der beiden Hauptreichc, die glück¬ liche Beendigung der Maurenkriege, der Beginn der großartigen Entdeckungen trugen im Verein mit dem allgemein europäischen Fortschritte, den die Renaissance und die Erfindungen des 16. Jahrhunderts gebracht hatten, hauptsächlich dazu bei Spaniens Macht zu heben. Die Größe war aber schon früher vorbereitet worden: der Jahrhunderte dauernde Kampf gegen die Mauren, während dessen die wahre Actionsfreiheit der spanischen Nation sich entwickelt, hatte namentlich zur Kräftigung des Volkes beigetragen. Ueberall wuchs mit der Rückeroberung des Landes die municipale Freiheit desselben; durch diese, welche besonders in Aragonien so auffällig früh¬ zeitig sich entwickelt, serner durch die Begabung der Cortes mit so vielen schätz¬ baren Rechten wurde die Blüthe Spaniens gefördert. Bald zeigte sich auch Spaniens Uebergewicht in der äußern Politik. Es entschied in Italien durch seine Waffen die Fragen des Erdtheils. Durch die gemeinsamen Siege, durch den gemeinsamen Ruhm, durch die gemeinsame Gefahr Lswäios sodro ol ouxrimäooimiMto )- ig, (Ivvu,ävnvlÄ, av Lspaäa M' Uiwuvl ?oärvMl ^ (Änsäo. U»,arin.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/154>, abgerufen am 01.07.2024.