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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Gepäck voraus, beluden sich dann mit dem übrigen und alles kam glücklich
durchs Thor.

Hierauf begaben sie sich spazirend nach dem Wagen, stiegen ein und wurden
entführt. Unser Führer kam zu uns zurück und versicherte uns des guten Zu¬
standes, worin er unsre Frauen den Abend vor ihrer Abreise verlassen hatte.
Auch wir hatten während seiner Abwesenheit keine Zeit verloren. Wir hatten mit
einem Metzer Fischer Bekanntschaft gemacht, welcher in der Stadt wohnte und
uns wohl besuchte. Als wir ihm die Verlegenheit, in der wir uns befänden, ent¬
deckt hatten, so versprach er, uns zu helfen, ungeachtet des Verbots. Als daher
unser Führer zurück war und wir also mit einander zu Mittag gegessen hatten,
sagte er uns Adieu, um die Sachen zu bewerkstelligen. Wir unsrerseits befriedigten
unsern Wirth und reisten, immer noch in unsern Bauerkleidern, weiter. Wir kamen
um Ufer der Saar an, als es schon anfing dunkel zu werden, fanden aber doch
unter dem Schutze eines kleinen Gesträuchs und an unsrer Seite den kleinen
Kahl?, welchen unser Schiffer uns versprochen. Wir stiegen ein und fuhren über
den Fluß.

Als wir am andern Ufer angekommen waren, wollte ich ans Land springen,
glitt aber aus, so daß ich ins Wasser fiel und bis an die Schultern naß wurde.
Da ich jung und kräftig war, arbeitete ich mich bald wieder heraus, kaum stand
ich aber aufrecht, als mir dasselbe noch einmal passirte; als ich mich also noch
einmal herausgebracht hatte und bis auss Hemde naß war, fing ich mit meinen
Kameraden wüthend an zu laufen in der Dunkelheit oder vielmehr tappend im
dunkeln. -- Währenddessen Ware" unsre Frauen den übrigen Theil des Tags vor¬
wärts geeilt. Beim Anbruche der Nacht setzten sie sich auf einen andern Wagen,
welchen sie fanden, begleitet von unserm Freunde, dem Jäger des Pfalzgrafen,
mit fünf bis sechs wohlbewaffneten Dienern, welcher sie während eines Theils
der Nacht in sein Haus führte, woselbst sie bis zur folgenden Nacht verborgen
gehalten wurden. Als sie wieder im Wagen waren, begleitete er sie weiter bis
Kaiserslautern, der ersten Stadt der Pfalz, wo sie am Morgen ankamen.

Unterdessen setzten wir unsern Weg fort, so gut es bei der Dunkelheit mög¬
lich war, auf Kosten unsrer Füße, welche wir oft an Steine oder Baumstämme
stießen. Wir standen viel Furcht aus, als wir durch ein Dorf kamen, welches
sehr erleuchtet und in dessen Wirthshaus viel Lärmens war. Da wir fürchteten,
dies mochten Häscher sein, die es auf allen Wegen gab, um die armen Flüchtlinge
anzuhalten, so schlichen wir einer nach dem andern so sachte wie möglich durch,
und als wir in einem kleinen Gehölz angekommen waren, wurde beschlösse", Halt
zu machen, um uns mit einigen Levensmitteln, die wir hei uns trugen^ zu er¬
frischen.


Gepäck voraus, beluden sich dann mit dem übrigen und alles kam glücklich
durchs Thor.

Hierauf begaben sie sich spazirend nach dem Wagen, stiegen ein und wurden
entführt. Unser Führer kam zu uns zurück und versicherte uns des guten Zu¬
standes, worin er unsre Frauen den Abend vor ihrer Abreise verlassen hatte.
Auch wir hatten während seiner Abwesenheit keine Zeit verloren. Wir hatten mit
einem Metzer Fischer Bekanntschaft gemacht, welcher in der Stadt wohnte und
uns wohl besuchte. Als wir ihm die Verlegenheit, in der wir uns befänden, ent¬
deckt hatten, so versprach er, uns zu helfen, ungeachtet des Verbots. Als daher
unser Führer zurück war und wir also mit einander zu Mittag gegessen hatten,
sagte er uns Adieu, um die Sachen zu bewerkstelligen. Wir unsrerseits befriedigten
unsern Wirth und reisten, immer noch in unsern Bauerkleidern, weiter. Wir kamen
um Ufer der Saar an, als es schon anfing dunkel zu werden, fanden aber doch
unter dem Schutze eines kleinen Gesträuchs und an unsrer Seite den kleinen
Kahl?, welchen unser Schiffer uns versprochen. Wir stiegen ein und fuhren über
den Fluß.

Als wir am andern Ufer angekommen waren, wollte ich ans Land springen,
glitt aber aus, so daß ich ins Wasser fiel und bis an die Schultern naß wurde.
Da ich jung und kräftig war, arbeitete ich mich bald wieder heraus, kaum stand
ich aber aufrecht, als mir dasselbe noch einmal passirte; als ich mich also noch
einmal herausgebracht hatte und bis auss Hemde naß war, fing ich mit meinen
Kameraden wüthend an zu laufen in der Dunkelheit oder vielmehr tappend im
dunkeln. — Währenddessen Ware» unsre Frauen den übrigen Theil des Tags vor¬
wärts geeilt. Beim Anbruche der Nacht setzten sie sich auf einen andern Wagen,
welchen sie fanden, begleitet von unserm Freunde, dem Jäger des Pfalzgrafen,
mit fünf bis sechs wohlbewaffneten Dienern, welcher sie während eines Theils
der Nacht in sein Haus führte, woselbst sie bis zur folgenden Nacht verborgen
gehalten wurden. Als sie wieder im Wagen waren, begleitete er sie weiter bis
Kaiserslautern, der ersten Stadt der Pfalz, wo sie am Morgen ankamen.

Unterdessen setzten wir unsern Weg fort, so gut es bei der Dunkelheit mög¬
lich war, auf Kosten unsrer Füße, welche wir oft an Steine oder Baumstämme
stießen. Wir standen viel Furcht aus, als wir durch ein Dorf kamen, welches
sehr erleuchtet und in dessen Wirthshaus viel Lärmens war. Da wir fürchteten,
dies mochten Häscher sein, die es auf allen Wegen gab, um die armen Flüchtlinge
anzuhalten, so schlichen wir einer nach dem andern so sachte wie möglich durch,
und als wir in einem kleinen Gehölz angekommen waren, wurde beschlösse», Halt
zu machen, um uns mit einigen Levensmitteln, die wir hei uns trugen^ zu er¬
frischen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/151>, abgerufen am 01.10.2024.