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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal.

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Ans den Donkwiirdigkeitcn Jäkel' Lstienncs.

Als dies geschehen und wir neue Kraft erhalten hatten, marschirten wir bis
nach dem Dorfe Blisbach, eine Stunde von Hamburg, Es war so dunkel, daß
wir wohl die Buse hörten, aber doch keine Brücke sahen, um hinüber zu kommen.
Da wir sahen, daß unser armer Wegweiser ganz verwirrt war, so legten wir
uns auf die Kniee und suchten diese elende, aus zwei Brettern zusammengesetzte
Brücke, Endlich fanden wir sie mit den Händen, und als wir aufgestanden waren,
kamen wir zitternd, doch glücklich hinüber. Wir gingen quer durchs Dorf, wo
fast alles schon aufgestanden war und sich mit Kvrndreschen beschäftigte, dessen
Geräusch uns günstig war.

Wir fuhren fort zu gehen bis es Tag wurde und wir müde und ermattet
el" Haus erblickten, wohin wir uns zurückzogen, und an den Reden erfuhren, daß
wir uns auf bekanntem Boden befänden, Sie vermutheten, daß wir die Männer
von den Frauen wären, welche diese Nacht hier abgereist waren. Dies sagten
sie uns, und zugleich auch, daß sie wegen der Häscher, die hier umhergeschweift,
in Sorge wären. Dies versetzte uns in Kummer, besonders meinen Schwager.
Ich verlor jedoch deu Muth nicht, sondern überlegte, daß nach einem Marsche
von mehr als zwölf Stunden wir Nahrungsmittel und Ruhe bedürften. Ich bat
daher um ein Frühstück, und als ich meiner Gesellschaft wieder Muth eingesprochen
hatte, machten wir eine gute Mahlzeit. Darauf warfen wir uns in einer abgelegnen
Kammer aufs Stroh und meine auf dem Leibe trocken gewordnen Kleider hinderten
mich nicht, fest einzuschlafen. Die andern thaten desgleichen bis 1 oder 2 Uhr Nach¬
mittags. Ich wurde von einem Diener unsers Jägers geweckt, der mich versicherte,
unsre Frauen sein glücklich diesen Morgen zu Kaiserslautern angekommen, sein Herr
würde uns dieses bald selbst bestätigen; ich schenkte ihm einen halben Louisd'or
für seine gute Nachricht. Hier bezahlten wir unsern Wegweiser und schickten ihn
zurück; eine Stunde nachher sahen wir deu Herrn des Hauses ankommen, welcher
uns umarmte und die Nachricht seines Dienes bestätigte. Als wir wegen der
Möglichkeit, zu unsern Frauen zu kommen und wegen der Sicherheit unsrer Per¬
sonell besorgt waren, versicherte er uns, daß wir nichts zu befürchte" hätten
und daß er uns diesen Abend mit seinem auch noch kommenden Freunde be¬
wirthen werde, daß wir hierauf uns ausruhen könnten, bis er uns wecke, und
daß er und sein Freund uns noch vor Tage zu unsern Frauen führen würden.
Nachdem wir also den Abend wohl gegessen hatten, legten wir uns zur Ruhe
und wurden dann nach einer Stunde wieder aufgeweckt. Unsre Pferde waren
bereit und wir reisten ab, unser Wirth und sein Freund wohl bewaffnet und
wir in unsern Lumpen, unser Wirth voran, dann wir und der Freund hinter¬
drein, immer im Galopp und im dunkeln. Beim Anbruche des Tages kamen
wir vor den Thoren von Kaiserslautern an, wo wir beinahe eine Stunde blieben,


Ans den Donkwiirdigkeitcn Jäkel' Lstienncs.

Als dies geschehen und wir neue Kraft erhalten hatten, marschirten wir bis
nach dem Dorfe Blisbach, eine Stunde von Hamburg, Es war so dunkel, daß
wir wohl die Buse hörten, aber doch keine Brücke sahen, um hinüber zu kommen.
Da wir sahen, daß unser armer Wegweiser ganz verwirrt war, so legten wir
uns auf die Kniee und suchten diese elende, aus zwei Brettern zusammengesetzte
Brücke, Endlich fanden wir sie mit den Händen, und als wir aufgestanden waren,
kamen wir zitternd, doch glücklich hinüber. Wir gingen quer durchs Dorf, wo
fast alles schon aufgestanden war und sich mit Kvrndreschen beschäftigte, dessen
Geräusch uns günstig war.

Wir fuhren fort zu gehen bis es Tag wurde und wir müde und ermattet
el» Haus erblickten, wohin wir uns zurückzogen, und an den Reden erfuhren, daß
wir uns auf bekanntem Boden befänden, Sie vermutheten, daß wir die Männer
von den Frauen wären, welche diese Nacht hier abgereist waren. Dies sagten
sie uns, und zugleich auch, daß sie wegen der Häscher, die hier umhergeschweift,
in Sorge wären. Dies versetzte uns in Kummer, besonders meinen Schwager.
Ich verlor jedoch deu Muth nicht, sondern überlegte, daß nach einem Marsche
von mehr als zwölf Stunden wir Nahrungsmittel und Ruhe bedürften. Ich bat
daher um ein Frühstück, und als ich meiner Gesellschaft wieder Muth eingesprochen
hatte, machten wir eine gute Mahlzeit. Darauf warfen wir uns in einer abgelegnen
Kammer aufs Stroh und meine auf dem Leibe trocken gewordnen Kleider hinderten
mich nicht, fest einzuschlafen. Die andern thaten desgleichen bis 1 oder 2 Uhr Nach¬
mittags. Ich wurde von einem Diener unsers Jägers geweckt, der mich versicherte,
unsre Frauen sein glücklich diesen Morgen zu Kaiserslautern angekommen, sein Herr
würde uns dieses bald selbst bestätigen; ich schenkte ihm einen halben Louisd'or
für seine gute Nachricht. Hier bezahlten wir unsern Wegweiser und schickten ihn
zurück; eine Stunde nachher sahen wir deu Herrn des Hauses ankommen, welcher
uns umarmte und die Nachricht seines Dienes bestätigte. Als wir wegen der
Möglichkeit, zu unsern Frauen zu kommen und wegen der Sicherheit unsrer Per¬
sonell besorgt waren, versicherte er uns, daß wir nichts zu befürchte» hätten
und daß er uns diesen Abend mit seinem auch noch kommenden Freunde be¬
wirthen werde, daß wir hierauf uns ausruhen könnten, bis er uns wecke, und
daß er und sein Freund uns noch vor Tage zu unsern Frauen führen würden.
Nachdem wir also den Abend wohl gegessen hatten, legten wir uns zur Ruhe
und wurden dann nach einer Stunde wieder aufgeweckt. Unsre Pferde waren
bereit und wir reisten ab, unser Wirth und sein Freund wohl bewaffnet und
wir in unsern Lumpen, unser Wirth voran, dann wir und der Freund hinter¬
drein, immer im Galopp und im dunkeln. Beim Anbruche des Tages kamen
wir vor den Thoren von Kaiserslautern an, wo wir beinahe eine Stunde blieben,


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[0152] Ans den Donkwiirdigkeitcn Jäkel' Lstienncs. Als dies geschehen und wir neue Kraft erhalten hatten, marschirten wir bis nach dem Dorfe Blisbach, eine Stunde von Hamburg, Es war so dunkel, daß wir wohl die Buse hörten, aber doch keine Brücke sahen, um hinüber zu kommen. Da wir sahen, daß unser armer Wegweiser ganz verwirrt war, so legten wir uns auf die Kniee und suchten diese elende, aus zwei Brettern zusammengesetzte Brücke, Endlich fanden wir sie mit den Händen, und als wir aufgestanden waren, kamen wir zitternd, doch glücklich hinüber. Wir gingen quer durchs Dorf, wo fast alles schon aufgestanden war und sich mit Kvrndreschen beschäftigte, dessen Geräusch uns günstig war. Wir fuhren fort zu gehen bis es Tag wurde und wir müde und ermattet el» Haus erblickten, wohin wir uns zurückzogen, und an den Reden erfuhren, daß wir uns auf bekanntem Boden befänden, Sie vermutheten, daß wir die Männer von den Frauen wären, welche diese Nacht hier abgereist waren. Dies sagten sie uns, und zugleich auch, daß sie wegen der Häscher, die hier umhergeschweift, in Sorge wären. Dies versetzte uns in Kummer, besonders meinen Schwager. Ich verlor jedoch deu Muth nicht, sondern überlegte, daß nach einem Marsche von mehr als zwölf Stunden wir Nahrungsmittel und Ruhe bedürften. Ich bat daher um ein Frühstück, und als ich meiner Gesellschaft wieder Muth eingesprochen hatte, machten wir eine gute Mahlzeit. Darauf warfen wir uns in einer abgelegnen Kammer aufs Stroh und meine auf dem Leibe trocken gewordnen Kleider hinderten mich nicht, fest einzuschlafen. Die andern thaten desgleichen bis 1 oder 2 Uhr Nach¬ mittags. Ich wurde von einem Diener unsers Jägers geweckt, der mich versicherte, unsre Frauen sein glücklich diesen Morgen zu Kaiserslautern angekommen, sein Herr würde uns dieses bald selbst bestätigen; ich schenkte ihm einen halben Louisd'or für seine gute Nachricht. Hier bezahlten wir unsern Wegweiser und schickten ihn zurück; eine Stunde nachher sahen wir deu Herrn des Hauses ankommen, welcher uns umarmte und die Nachricht seines Dienes bestätigte. Als wir wegen der Möglichkeit, zu unsern Frauen zu kommen und wegen der Sicherheit unsrer Per¬ sonell besorgt waren, versicherte er uns, daß wir nichts zu befürchte» hätten und daß er uns diesen Abend mit seinem auch noch kommenden Freunde be¬ wirthen werde, daß wir hierauf uns ausruhen könnten, bis er uns wecke, und daß er und sein Freund uns noch vor Tage zu unsern Frauen führen würden. Nachdem wir also den Abend wohl gegessen hatten, legten wir uns zur Ruhe und wurden dann nach einer Stunde wieder aufgeweckt. Unsre Pferde waren bereit und wir reisten ab, unser Wirth und sein Freund wohl bewaffnet und wir in unsern Lumpen, unser Wirth voran, dann wir und der Freund hinter¬ drein, immer im Galopp und im dunkeln. Beim Anbruche des Tages kamen wir vor den Thoren von Kaiserslautern an, wo wir beinahe eine Stunde blieben,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157699/152>, abgerufen am 01.07.2024.