Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.Die griechische Frage. Betreff der Grcnzberichtignng zu erleichtern/ Da die Türkei und Griechenland In der Depesche vom 7. Januar aber wird die griechische Auffassung vom Die griechische Frage. Betreff der Grcnzberichtignng zu erleichtern/ Da die Türkei und Griechenland In der Depesche vom 7. Januar aber wird die griechische Auffassung vom <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0559" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/149543"/> <fw type="header" place="top"> Die griechische Frage.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1570" prev="#ID_1569"> Betreff der Grcnzberichtignng zu erleichtern/ Da die Türkei und Griechenland<lb/> weder zu Prevcsa noch zu Konstantinopel zum Ziele kommen konnten (1379), wurde<lb/> jene Vermittlung angerufen und angeboten, was durch die Conferenz von 1880<lb/> geschah. So haben die Bevollmächtigten, um im Einklange mit den Intentionen<lb/> und den formellen Vorschriften des Congresses zu handeln, und in der Absicht, die<lb/> Unterhandlungen zwischen den beiden Parteien zu erleichtern, in Ausübung des<lb/> Vermittleramtcs eine Grenzlinie in Vorschlag gebracht, welche als Basis dienen<lb/> könnte, ans der die Besprechungen (zwischen den türkischen und den griechischen Com-<lb/> missären) neu aufgenommen und zu einem befriedigenden Ausgange geführt werden<lb/> könnten. Griechenland hat seinestheils den Rath der Vermittler angenommen und<lb/> beansprucht demzufolge jene Grenzlinie, welche in den Protokollen der Conferenz<lb/> niedergelegt worden ist. Allein die Conferenz ertheilte nichts als einen Vorschlag,<lb/> welcher, um wirksam zu werden, in gleichem Sinne auch von der andern Partei<lb/> hätte acceptirt werden müssen, die gleicherweise die Wahl hatte, ihn einzunehmen<lb/> oder abzulehnen. Nun hat aber die Pforte dem ihr vorgcschlagnen Arrangement<lb/> nicht zugestimmt, und infolge dessen ist die europäische Vermittlung erloschen, ohne<lb/> irgendein Resultat ergeben zu haben. Europa ist frei, da es alles, was es ver¬<lb/> sprochen, gethan hat, und niemand kaun dem dargebotnen Rathschlage einen Cha¬<lb/> rakter und eine Ausdehnung beilegen, die er niemals besessen hat. Wer immer<lb/> es versuchen sollte, diese Grenze zu überschreiten, kann dies nur auf eigne Gefahr<lb/> thun, da die europäischen Cnbinette niemals irgeud jemand die Pflichten übertragen<lb/> haben, die sie nur sich selbst vorbehalten wollten... Es wäre schon Unglück genug,<lb/> wenn zwischen der Türkei und Griechenland ein Krieg zum Ausbruche käme, aber<lb/> ohne egoistisch zu sein, zögern wir nicht, zu sagen, daß es eine noch weit größere<lb/> Calamität sein würde, wenn diese Geißel sich über ganz Europa ausbreiten sollte...<lb/> Der allgemeine Friede steht ans dem Spiele, und dieser Preis ist wohl der Mühe<lb/> werth, der die Cabinette sich unterziehen würden, falls sie auf uns hörten."</p><lb/> <p xml:id="ID_1571" next="#ID_1572"> In der Depesche vom 7. Januar aber wird die griechische Auffassung vom<lb/> zwingenden Charakter der Conferenzbeschlüsse noch klarer und bestimmter wider¬<lb/> legt. Das Schriftstück nennt diese Auffassung einen „schweren Irrthum" und<lb/> weist darauf hin, daß dieselbe den Griechen ebenso gefährlich werden könne als<lb/> der Ruhe Europas. Im Interesse der friedlichen Beziehung zwischen Griechen¬<lb/> land und der Türkei habe der Congreß den Vorschlag der Grenzveränderung<lb/> gemacht, nicht (vgl. oben Waddingtons Rede) in der Absicht, die Souveränetät<lb/> der Pforte anzutasten. „Sein Wunsch war," so fährt die Depesche fort, „die<lb/> Türkei zu überzeugen, daß es nöthig sei, Griechenland Zugestündnisse zu machen,<lb/> keineswegs aber, übertriebne Ansprüche ins Leben zu rufen. Nichts kann klarer<lb/> sein als der Wortlaut der hierauf bezüglichen Bestimmungen des Berliner Con-<lb/> gresses. Niemals hat Europa die Absicht gehabt. Griechenland den gestimmten<lb/> Besitz der Landschaften zu verbürgen, die ihm nicht gehörten. Es hat nur seine<lb/> guten Dienste angeboten, um einen Streitpunkt zu beseitigen, der gefährlich zu<lb/> werden drohte." BartlMemy geht hierauf zu der Berliner Conferenz über und<lb/> sagt, es sei einleuchtend, „daß diese in keiner Weise befugt gewesen sei, die Be¬<lb/> stimmungen des Berliner Friedensvertrags abzuändern." Dies liege so sehr</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0559]
Die griechische Frage.
Betreff der Grcnzberichtignng zu erleichtern/ Da die Türkei und Griechenland
weder zu Prevcsa noch zu Konstantinopel zum Ziele kommen konnten (1379), wurde
jene Vermittlung angerufen und angeboten, was durch die Conferenz von 1880
geschah. So haben die Bevollmächtigten, um im Einklange mit den Intentionen
und den formellen Vorschriften des Congresses zu handeln, und in der Absicht, die
Unterhandlungen zwischen den beiden Parteien zu erleichtern, in Ausübung des
Vermittleramtcs eine Grenzlinie in Vorschlag gebracht, welche als Basis dienen
könnte, ans der die Besprechungen (zwischen den türkischen und den griechischen Com-
missären) neu aufgenommen und zu einem befriedigenden Ausgange geführt werden
könnten. Griechenland hat seinestheils den Rath der Vermittler angenommen und
beansprucht demzufolge jene Grenzlinie, welche in den Protokollen der Conferenz
niedergelegt worden ist. Allein die Conferenz ertheilte nichts als einen Vorschlag,
welcher, um wirksam zu werden, in gleichem Sinne auch von der andern Partei
hätte acceptirt werden müssen, die gleicherweise die Wahl hatte, ihn einzunehmen
oder abzulehnen. Nun hat aber die Pforte dem ihr vorgcschlagnen Arrangement
nicht zugestimmt, und infolge dessen ist die europäische Vermittlung erloschen, ohne
irgendein Resultat ergeben zu haben. Europa ist frei, da es alles, was es ver¬
sprochen, gethan hat, und niemand kaun dem dargebotnen Rathschlage einen Cha¬
rakter und eine Ausdehnung beilegen, die er niemals besessen hat. Wer immer
es versuchen sollte, diese Grenze zu überschreiten, kann dies nur auf eigne Gefahr
thun, da die europäischen Cnbinette niemals irgeud jemand die Pflichten übertragen
haben, die sie nur sich selbst vorbehalten wollten... Es wäre schon Unglück genug,
wenn zwischen der Türkei und Griechenland ein Krieg zum Ausbruche käme, aber
ohne egoistisch zu sein, zögern wir nicht, zu sagen, daß es eine noch weit größere
Calamität sein würde, wenn diese Geißel sich über ganz Europa ausbreiten sollte...
Der allgemeine Friede steht ans dem Spiele, und dieser Preis ist wohl der Mühe
werth, der die Cabinette sich unterziehen würden, falls sie auf uns hörten."
In der Depesche vom 7. Januar aber wird die griechische Auffassung vom
zwingenden Charakter der Conferenzbeschlüsse noch klarer und bestimmter wider¬
legt. Das Schriftstück nennt diese Auffassung einen „schweren Irrthum" und
weist darauf hin, daß dieselbe den Griechen ebenso gefährlich werden könne als
der Ruhe Europas. Im Interesse der friedlichen Beziehung zwischen Griechen¬
land und der Türkei habe der Congreß den Vorschlag der Grenzveränderung
gemacht, nicht (vgl. oben Waddingtons Rede) in der Absicht, die Souveränetät
der Pforte anzutasten. „Sein Wunsch war," so fährt die Depesche fort, „die
Türkei zu überzeugen, daß es nöthig sei, Griechenland Zugestündnisse zu machen,
keineswegs aber, übertriebne Ansprüche ins Leben zu rufen. Nichts kann klarer
sein als der Wortlaut der hierauf bezüglichen Bestimmungen des Berliner Con-
gresses. Niemals hat Europa die Absicht gehabt. Griechenland den gestimmten
Besitz der Landschaften zu verbürgen, die ihm nicht gehörten. Es hat nur seine
guten Dienste angeboten, um einen Streitpunkt zu beseitigen, der gefährlich zu
werden drohte." BartlMemy geht hierauf zu der Berliner Conferenz über und
sagt, es sei einleuchtend, „daß diese in keiner Weise befugt gewesen sei, die Be¬
stimmungen des Berliner Friedensvertrags abzuändern." Dies liege so sehr
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