Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.Theater" die "Spanische Tragödie" Kyds mit dem "Weißen Teufel" Websters. Das Eine buntere, mannichfaltigere Poctengcsellschaft tritt uns im zweiten, dritten Grmzbotm I. 1881. 68
Theater" die „Spanische Tragödie" Kyds mit dem „Weißen Teufel" Websters. Das Eine buntere, mannichfaltigere Poctengcsellschaft tritt uns im zweiten, dritten Grmzbotm I. 1881. 68
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Theater" die „Spanische Tragödie" Kyds mit dem „Weißen Teufel" Websters. Das
letztre Werk zeigt deutlich noch die Nachwirkung der dunkel-unerfreulichen Welt-
betrachtung, die in der vorhergehenden Generation den Dramatikern eigenthümlich
oder ihnen aufgedrängt war. Wir haben hier wie bei Kyd, bei Marlowe die
wildeste Rücksichtslosigkeit, mit welcher die meisten Charaktere ihren Neigungen,
Trieben, Gelüsten und Leidenschaften folgen. Und doch, um wie viel psychologisch
richtiger, im einzelnen besser motivirt, im ganzen zusammenhängender und klarer,
in den Lebens- und Gefühlsäußerungen charakteristischer und wahrer erscheint
dieser „Weiße Teufel" gegenüber dem verworren blutige» Stücke Kyds, nach
welchem unser Jacob Ahrcr bekanntlich seine „Belimperia" verfaßt hat.
Eine buntere, mannichfaltigere Poctengcsellschaft tritt uns im zweiten, dritten
und vierten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts entgegen. Auch nachdem der größte
aller „Meister" (den Webster gleichwohl nur für einen von vielen gelten lassen
wollte) sich als Gentleman in die Zurückgezogenheit seines heimatlichen Land¬
städtchens begeben und dann früh aus dein Leben geschieden war, drängte sich
in London ein Heer von dramatischen Dichtern um die hölzernen Hahnengruben,
in denen die Schicksale der Welt und die Hnmore aller Menschengattungen dar¬
gestellt wurden. Grundverschiedue Naturen und Bildungen begegneten sich bei
wetteifernder Arbeit für die Bühne. Gelehrte, die ihr lateinisches und griechisches
Licht leuchten ließen: Benjamin Jonson selbst, der sich im „Catilina" und „Se-
janus" einen so viel bessern Kenner der römischen Geschichte dünken mochte als
Shakespeare und doch ein so viel dürftigerer Poet blieb, Chapman, der Homer-
übcrsetzer, Francis Beaumont, der Jurist und Sohn eines Hochangesehnen Rich¬
ters, und John Fletcher, der Bischofssohn, die eine unzertrennliche poetische Ein¬
heit darstellten, nach englischem Vorurtheil jedenfalls die ersten „Gentlemen"
unter den Dramatikern waren, Thomas Middleton, der ehemalige Soldat und
Stadtpoet der City von London, Thomas Heywvvd, der allezeit fertige Viel¬
schreiber, welcher neben vielen Theaterstücken, unzähligen Prologen und Epilogen
auch historische Schriften und Erzählungen verfaßte, Thomas Dekker, der im
Schuldgefängnisse endete trotz des Zulaufs, den „Schusters Feiertag" und „Die
ehrenhafte Buhlerin" gefunden, Shirley, der Convertit, welcher nach langer,
wechselnder Laufbahn den Untergang der altenglischen Bühne, die Aufrichtung
der neuen (nach 1660) erleben sollte, Richard Brom, der seine Laufbahn als
Ben Jonsons Diener begann und als Schüler von seines Meisters komischer
Kunst endete, hierzu Webster, Fort, Massiuger, wahrhaftig eine Fülle von Namen,
charakteristischen Gestalten, verschiednen Lebensläufen, die interessant genng ist,
um es lebhaft beklagen zu lassen, daß wir in letzter Instanz doch so verzweifelt
wenig über das Leben und die Persönlichkeiten dieser Dichter, über den Zu-
Grmzbotm I. 1881. 68
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