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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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an einem der obscursten und undankbarsten Stoffe, indem er in 0t.eg.of runo die
Zerstörung der französischen Stadt Bourges erzählte, wobei er die Ilias bis ins
kleinste Detail nachahmte.

Im Gegensatz zu diesen und ähnlichen Leistungen hatten sich mehrere latei¬
nische Epiker, die ans der biblischen Geschichte schöpften, großen Ruhmes bei den
Zeitgenossen zu erfreuen. In erster Linie der schon mehrfach genannte Jacopo
Sannazaro, der die letzte Zeit seines langen Lebens auf die Abfassung eines
Gedichtes Du xg.rw Virzinis verwandte, ermuntert zu diesem Unternehmen durch
Papst Leo, der von der Feder des eleganten Lateiners gleich großen Vor¬
theil für die bedrohte Kirche, wie es in einem Breve heißt, und für den Ruhm
seines Pvntifieats erhoffte. Das Gedicht, welches in den fließendsten Hexametern
geschrieben, in naiver Weise allerhand Gestalten aus der antiken Mythologie
herübernimmt, beginnt mit der Verkündigung an Maria, läßt dann im Lindus
den König David das Leben Christi prophetisch erzählen, schildert die Begegnung
mit Elisabeth, flicht bei Gelegenheit der von Augustus angeordneten Schätzung
eine ausführliche, in wenig Zusammenhang mit dem Ganzen stehende Beschreibung
der römischen Provinzen ein und verweilt dann bei den Ereignissen zu Bethlehem.
Wie unpassend sich die classische Gelehrsamkeit bisweilen vordrängt, zeigen die
Lobpreisungen, die Joseph jenem Städtchen zollt, indem er, der schlichte Mann
aus dem Volke, sie über Kreta, die Herrad des Jupiter, und Delos, die Insel
Apolls und Dianas erhebt. Mir derartige Wunderlichkeiten entschädigt indeß
eine Fülle gelungener Partien, die den Ton antiker Classiker oft aufs glück¬
lichste treffen; so glaubt man Ovid zu hören bei der Schilderung der Oertlich-
keit, in welcher Christi Geburt stattfindet (II, 284 ff,):


Unscheinbar liegt hart um den Mauern des Städtchens die Grotte;
Niemand weiß, ob menschliche Hand, ob irgend ein starker
Geist der Natur sie geformt, ans daß sie den Landen ein solches
Schauspiel biet' und lange bestimmt zu so hehrem Berufe,
Himmlischen Gast ausnehme dereinst. Ein mächtiger Felsen
Wuchtet darauf und es hangen herein vielzackige Blöcke
Rings, und verwittert Gestein allseits nmscinmct die Grotte,
Ein willkommenes Heim nach Tagwerks Mühe dem Landvolk,

Im dritten Gesänge wird die Geburt des Heilands festlich begangen und nach
homerischen Vorbild ein himmlischer Rath abgehalten, bei dem den antiken Gott¬
heiten allegorische Wesen wie die Freude, die Hoffnung, die Eintracht substituirt
sind; darauf folgt die Anbetung der Hirten, und zuletzt referirt der Fluß Jordan
mit ziemlicher Breite die durch Proteus ihm gewordene Weissagung seines Ruhms,
eine Wiederholung jener im ersten Gesänge enthaltnen Seine, die der Erfindungs¬
kraft des Poeten wenig Ehre macht,


an einem der obscursten und undankbarsten Stoffe, indem er in 0t.eg.of runo die
Zerstörung der französischen Stadt Bourges erzählte, wobei er die Ilias bis ins
kleinste Detail nachahmte.

Im Gegensatz zu diesen und ähnlichen Leistungen hatten sich mehrere latei¬
nische Epiker, die ans der biblischen Geschichte schöpften, großen Ruhmes bei den
Zeitgenossen zu erfreuen. In erster Linie der schon mehrfach genannte Jacopo
Sannazaro, der die letzte Zeit seines langen Lebens auf die Abfassung eines
Gedichtes Du xg.rw Virzinis verwandte, ermuntert zu diesem Unternehmen durch
Papst Leo, der von der Feder des eleganten Lateiners gleich großen Vor¬
theil für die bedrohte Kirche, wie es in einem Breve heißt, und für den Ruhm
seines Pvntifieats erhoffte. Das Gedicht, welches in den fließendsten Hexametern
geschrieben, in naiver Weise allerhand Gestalten aus der antiken Mythologie
herübernimmt, beginnt mit der Verkündigung an Maria, läßt dann im Lindus
den König David das Leben Christi prophetisch erzählen, schildert die Begegnung
mit Elisabeth, flicht bei Gelegenheit der von Augustus angeordneten Schätzung
eine ausführliche, in wenig Zusammenhang mit dem Ganzen stehende Beschreibung
der römischen Provinzen ein und verweilt dann bei den Ereignissen zu Bethlehem.
Wie unpassend sich die classische Gelehrsamkeit bisweilen vordrängt, zeigen die
Lobpreisungen, die Joseph jenem Städtchen zollt, indem er, der schlichte Mann
aus dem Volke, sie über Kreta, die Herrad des Jupiter, und Delos, die Insel
Apolls und Dianas erhebt. Mir derartige Wunderlichkeiten entschädigt indeß
eine Fülle gelungener Partien, die den Ton antiker Classiker oft aufs glück¬
lichste treffen; so glaubt man Ovid zu hören bei der Schilderung der Oertlich-
keit, in welcher Christi Geburt stattfindet (II, 284 ff,):


Unscheinbar liegt hart um den Mauern des Städtchens die Grotte;
Niemand weiß, ob menschliche Hand, ob irgend ein starker
Geist der Natur sie geformt, ans daß sie den Landen ein solches
Schauspiel biet' und lange bestimmt zu so hehrem Berufe,
Himmlischen Gast ausnehme dereinst. Ein mächtiger Felsen
Wuchtet darauf und es hangen herein vielzackige Blöcke
Rings, und verwittert Gestein allseits nmscinmct die Grotte,
Ein willkommenes Heim nach Tagwerks Mühe dem Landvolk,

Im dritten Gesänge wird die Geburt des Heilands festlich begangen und nach
homerischen Vorbild ein himmlischer Rath abgehalten, bei dem den antiken Gott¬
heiten allegorische Wesen wie die Freude, die Hoffnung, die Eintracht substituirt
sind; darauf folgt die Anbetung der Hirten, und zuletzt referirt der Fluß Jordan
mit ziemlicher Breite die durch Proteus ihm gewordene Weissagung seines Ruhms,
eine Wiederholung jener im ersten Gesänge enthaltnen Seine, die der Erfindungs¬
kraft des Poeten wenig Ehre macht,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/433>, abgerufen am 28.12.2024.